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Brasilien: Greenwashing am Amazonas

21. November 2021

Die Abholzung im Amazonasbecken nimmt massiv zu - während Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro verspricht, den Regenwald zu retten. Die EU will einen Importstopp für bestimmte Produkte verhängen.

Brasilien | Abholzung des Amazonas Regenwaldes
Sojafelder auf der einen, Regenwald auf der anderen Seite in BrasilienBild: Leo Correa/AP Photo/picture alliance

Jüngst schaffte Brasilien es in die Schlagzeilen, als es während der UN-Klimakonferenz in Glasgow zusagte, die Zerstörung seines Regenwald bis Ende des Jahrzehnts zu stoppen. Gleichzeitig werden immer mehr Bäume abgeholzt.

Die neuesten Zahlen des brasilianischen Nationalen Instituts für Weltraumforschung (INPE) zur Lage des Amazonas-Regenwaldes zeigen, dass die Abholzung binnen eines Jahres um 22 Prozent zugenommen hat. 13.235 Quadratkilometer Wald sind zwischen dem 1. August 2020 und dem 31. Juli 2021 verschwunden. Die Mitteilung ist auf den 27. Oktober datiert, das war vor Beginn der Klimakonferenz COP26, wurde aber erst nach deren Ende veröffentlicht. Umweltorganisationen wie Greenpeace beschuldigen die brasilianische Regierung, sie habe ihr Image in den entscheidenden Gesprächen in Glasgow aufpolieren wollen.

"Selbst das massivste Greenwashing kann nicht verbergen, wie (Präsident Jair) Bolsonaro den Amazonas zerstört", schreibt die Organisation in einer Presseerklärung. "Falls jemand Bolsonaros leere Versprechen bei der COP geglaubt hat, zeigen die Zahlen jetzt die Wahrheit. Die Satelliten lügen nicht - anders als Bolsonaro."

Leeres Gelöbnis zur Rettung des Regenwaldes

Gemeinsam mit mehr als hundert weiteren Staats- und Regierungschefs hatte Brasilien während der Klimakonferenz in Glasgow zugesichert, den Kahlschlag bis 2030 zu stoppen. Rund 60 Prozent des Amazonas-Regenwaldes - ein Gebiet von der Größe Westeuropas - liegt in Brasilien und macht etwa ein Drittel des gesamten weltweit noch verbliebenen Tropenwaldes aus. Diese riesige, biologisch reichhaltige Region spielt eine zentrale Rolle dabei, Kohlendioxid zu aufzunehmen und die Klimaerwärmung zu begrenzen. Wälder binden rund 30 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen, so das unabhängige World Resources Institute in Washington.

Zwar ging die Abholzung von einer Rekordzerstörung von 27.700 Quadratkilometern im Jahr 2004 auf gut 4500 Quadratkilometer im Jahr 2012 zurück. Aber illegales Holzfällen, die Ausbreitung der Landwirtschaft und verheerende Waldbrände haben die Rate während des vergangenen Jahrzehnts wieder hochgehen lassen - vor allem, seit Präsident Jair Bolsonaro im Januar 2019 an die Macht kam.

"Die Umweltbilanz der brasilianischen Bundesregierung ist erschreckend. Es gibt zahlreiche Belege dafür, dass sie zur Abholzung ermutigt und gleichzeitig die Mittel für den Umweltschutz abgebaut hat", sagt Professor Jos Barlow von der britischen Lancaster University. Spezialisiert auf Biodiversität und Ökosysteme arbeitet er seit 1998 in Brasilien.

"Solange es da kein drastisches Umschwenken gibt, sollten die Verpflichtungen, die die Regierung während der COP gemacht hat, in diesem Kontext gesehen werden - zumindest bis zur Wahl in einem Jahr", so Barlow zur DW.

Amazonas ist "nicht wiederzuerkennen"

Obwohl der brasilianische Regenwald eine Schlüsselrolle im Kampf gegen den Klimawandel spielt, interessieren Bolsonaro vor allem seine wirtschaftlichen Potentiale. Während seiner Amtszeit sind Umweltschutzbehörden die Mittel entzogen und der Schutz des Landes gelockert worden. Das hat Holzfäller, Landwirte und Rinderfarmer ermutigt, die Amazonasregion weiter zu erschließen.

"Das Amazonasgebiet steht im Zentrum der globalen Debatte über den Klimawandel", schreibt Andre Guimaraes, Geschäftsführer des brasilianischen Thinktanks Amazon Environmental Research Institute, in einer Email an die DW. "Es lagert Kohlenstoff ein und sorgt für Regen für die Landwirtschaft und die Energieversorgung. Aber das findet keinen Widerhall bei der Bundesregierung, die falsche, teure und unwirksame Methoden wählt, um der Entwaldung zu begegnen."

Ob durch Brandrodung oder unwillkürlich entstanden - Waldbrände zerstören große Teile des RegenwaldesBild: AFP/C. de Souza

Einige Beobachter glauben, dass Teile des letzten großen Regenwaldes sich einem Kipppunkt nähern, an dem sein Ökosystem zusammenbricht. Das würde jeden Versuch, die Erderwärmung aufzuhalten, erheblich schwächen.

Jos Barlow, Mitgründer der Forschungsgruppe Sustainable Amazon Network, hat signifikante Veränderungen in der Region um Santarem beobachtet, im östlichen Teil des Amazonasbeckens. Seit den 1980er Jahren, so der Ökologe, seien dort die Regenfälle während der Trockenzeit um 34 Prozent zurückgegangen, die Temperaturen um mehr als zwei Grad Celsius gestiegen und riesige Brände hätten mehr als eine Million Hektar Wald vernichtet.

"Die Wälder und Landschaften haben sich in den vergangenen 20 Jahren bereits bis zur Unkenntlichkeit verändert, und das Tempo nimmt immer mehr zu. Also, ja, sie sind einem Kipppunkt sehr nahe. Aber ich hoffe, dass wir ihn noch abwenden können, sogar in diesen Gebieten", sagt Barlow der DW.

EU will Abholzung begrenzen

Barlow fühlt sich ermutigt durch Schritte von Staaten im Amazonasbecken, von denen einige sich besonders gegen die Abholzung einsetzen. "Es gibt auch vermehrt internationalen Druck. Die EU und Großbritannien wollen sich verpflichten, nur Rohstoffe einzuführen, für die kein Wald zerstört wurde."

Am Mittwoch hatte die Europäische Kommission vorgeschlagen, Importe zu verbieten, für deren Herstellung Regenwald gerodet wird, etwa Rindfleisch, Sojabohnen, Palmöl, Kaffee und Kakao sowie Holz.

Neue Bahnstrecke vernichtet Regenwald

02:05

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"Diese Initiativen zeigen, dass die EU es ernst meint mit dem ökologischen Umbau", sagte Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans, der für den Green Deal verantwortlich ist. Das helfe "nachhaltigen Konsum zu fördern".

"Das ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung und ein starker Anreiz für den Handel, sich anzupassen und selbst zu regulieren", freut sich Barlow. Das allein reiche aber nicht aus. Die Umsetzung und das Einhalten der Regeln sei eine "riesige Herausforderung". Außerdem exportiere Brasilien einen Großteil seines Rindfleisches gar nicht in die EU, sondern in den Nahen Osten, beispielsweise nach Ägypten. "Es müssen aber alle Staaten mitziehen."

Das Gesetz könnte noch einige Veränderungen erfahren und braucht außerdem die Zustimmung der Mitgliedsstaaten und des EU-Parlamentes, bevor es in Kraft treten kann.

Barlow betont, wie wichtig es sei, gleichzeitig die Schädigung des Waldes zu stoppen und die Lebensgrundlage der Amazonasbewohner zu erhalten. Das sieht auch Giulia Bondi so, eine auf EU-Ebene aktive Kämpferin für den Regenwald bei der NGO Global Witness. Das Gesetz müsse auch zentrale Handelsgüter wie Gummi und Mais einschließen, fordert sie.

"Das Europäische Parlament und die EU-Mitgliedsstaaten müssen dieses Gesetz jetzt stärken, um die Rechte der indigenen Völker und der lokalen Gemeinden zu bewahren", so Giulia Bondi in einer Erklärung. "Sie müssen europäische Geldgeber stoppen, die Mittel für die globale Entwaldung und damit verbundenen Missbrauch bereitstellen und davon profitieren."

Adaption aus dem Englischen: Beate Hinrichs

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