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Politik

Dammbruch provoziert neue Umweltpolitik

Thomas Milz
30. Januar 2019

Die neue Schlammkatastrophe in Brasilien hat das Vertrauen ausländischer Investoren beschädigt. Nun muss die Regierung strengere Umweltauflagen erlassen - gegen ihren Willen. Aus Rio de Janeiro Thomas Milz.

"Mörderin Vale": das brasilianische Bauunternehmen hat an Börsenwert und Image stark verlorenBild: Reuters/P. Olivares

Ein Abraumbecken des Bergbauunternehmens Vale ist gerissen. Durch den zerstörten Damm haben sich am Freitag Millionen Kubikmeter Schlamm über Siedlungen nahe der Kleinstadt Brumadinho im südöstlichen Bundesstaat Minas Gerais ergossen. Bis Dienstagabend wurden 84 Leichen geborgen, 276 Personen werden vermisst. Die Welt schaut geschockt auf Brasilien.

Bereits vor drei Jahren war im 200 Kilometer entfernten Mariana ein Damm der Vale-Tochter Samarco gebrochen, 19 Menschen starben. Auch die Schäden für die Umwelt waren gigantisch. Trotzdem hat Samarco bisher die verhängten Strafen in Milliardenhöhe nicht bezahlt. Die Vale, neben dem halbstaatlichen Ölförderer Petrobras Brasiliens wirtschaftliches Flaggschiff, dürfte jetzt nicht so leicht davonkommen. Nach fünf Jahren Wirtschaftskrise muss Brasilien endlich positive Signale aussenden, auch in Sachen Umweltschutz.

Am Dienstag kündigte die Vale die rasche Stilllegung aller 19 veralteten Dämme an. Das kostet sie über drei Jahre je zehn Prozent ihrer Eisenerzföderung, jährlich rund 40 Millionen Tonnen, und damit Milliarden US-Dollar an Einnahmen. Zudem hat die Justiz bereits 11,8 Milliarden Reais auf Vales Konten eingefroren, Umweltbehörden haben Strafen in Höhe von 500 Millionen Reais verhängt. "Die Vale ist der größte Eisenerzförderer weltweit und hat solide Fundamente, um diese Krise wegzustecken", gibt sich der Analyst Raphael Figueredo von Eleven Financial gegenüber der Deutschen Welle trotzdem optimistisch.

Die Suche nach Vermissten geht weiter - Dutzende Leichen wurden schon geborgenBild: Getty Images/M. Pimentel

Anders die Investoren. Am Montag verlor die Vale ein Viertel ihres Börsenwertes, etwa 72 Milliarden Reais. Trotz der zu erwartenden Milliarden an Strafzahlungen sei das eine überzogene Reaktion der Märkte, meint Glauco Legat, Chefanalyst des Brokers Necton gegenüber der Deutschen Welle. "Das ist ein Desaster für das Unternehmen."

Die Konsequenzen dürften den gesamten brasilianischen Bergbau treffen, glaubt Legat. Er erwartet neue Marktregeln, verstärkte Kontrollen und ein generelles Verbot veralteter Dämme. "Das die Produktions- und Instandhaltungskosten hochtreiben. Wir erwarten eine schwierigere Zukunft für Bergbauunternehmen, zumal es schwerer werden dürfte, Umweltlizenzen für neue Minen zu bekommen."

Auch für rigidere Kontrollen werden die Unternehmen aufkommen müssen, so Legat. "Die Regierung hat kein Geld, um die Kontrollbehörden Ibama und DPMA auszustatten. Das werden die Bergbauunternehmen in Form einer Abgabe finanzieren müssen."

Die Katastrophe könnte der Regierung die Augen öffnen

Im Wahlkampf hatte Präsident Jair Messias Bolsonaro die Umweltbehörden, allen voran Ibama, noch als Bremse für die Wirtschaft bezeichnet. Er werde mit ihrer "Strafzettel-Industrie" Schluss machen. "Wahlkampf ist das eine, aber jetzt muss er regieren", so Nilo D'Avila von Greenpeace Brasilien gegenüber der DW. "Wenn wir in Brasilien tatsächlich diese Strafzettel-Industrie hätten, dann wäre die Katastrophe von Brumadinho nicht passiert."

"Ich glaube, diese Katastrophe hat der Regierung die Augen geöffnet", meint Legat. "Sie hielt die Überwachung von Umweltauflagen für unwichtig. Vielleicht sieht sie jetzt die Realität." Am Dienstag kündigte die Regierung die sofortige Kontrolle tausender Dämme in ganz Brasilien an. Allerdings, gibt Legat zu bedenken, könne es sich bei dem plötzlich entdeckten Umweltbewusstsein auch um reine Rhetorik angesichts des öffentlichen Aufschreis handeln.

Mehr Kontrollen seien jetzt wichtig, um das Vertrauen der Investoren in den brasilianischen Markt zu stärken, glaubt Figueredo. "Brasilien hat ein ernstes Problem: Wir löschen bloß die Brände, statt vorzubeugen. Aber jetzt will die Regierung gegen die allgemeine Straflosigkeit vorgehen. Dazu gehört auch eine rigidere Kontrolle in Umweltfragen."

Das Ausland reagiert mit Druck statt Investitionen

Das Unglück bremse erst einmal die Hoffnung der Regierung auf dringend benötigte Investitionen aus dem Ausland. Derzeit fehle es den Investoren noch am Vertrauen, meint Figueredo. "In kurzer Zeit wurden die beiden wichtigsten Unternehmen Brasiliens getroffen: erst die Petrobras mit ihren riesigen Korruptionsfällen, jetzt die Vale. Dieser Unfall führt zu schlechter Laune bei den Investoren."

Zumal Vize-Präsident Hamilton Mourão am Montag die Absetzung der Unternehmensleitung der Vale ins Gespräch brachte. Doch solch eine Intervention würde den liberalen Grundsätzen der Regierung - allen voran des Wirtschaftsministers Paulo Guedes - widersprechen. "Wenn das wirklich passiert, wäre es eine negative Überraschung", so Legat. "Ich hoffe, dass sie es lassen." 

Schlammige Handabdrücke: Protest vor der Zentrale des Minenkonzerns Vale in RioBild: Getty Images/AFP/F. Teixeira

Bereits am Dienstag ruderte Kabinettschef Onyx Lorenzoni zurück. Eine Einmischung der Regierung sei ein "schlechtes Signal" an die Wirtschaft.

Medien spekulierten jedoch, dass hinter dem Rückzieher der Druck der Bergbau-Lobby stehe. So berät der ehemalige Abgeordnete Leonardo Quintão die Regierung in Bergbaufragen. In der abgelaufenen Legislaturperiode hatte Quintão, der als oberster Bergbau-Lobbyist in Brasília gilt, eine gesetzliche Änderung zur verstärkten Kontrolle von Abraumbecken verhindert.

Der Einfluss der Bergbau-Lobby verstoße gegen Bolsonaros eigenes Versprechen, erinnert D'Avila von Greenpeace. "Ein Versprechen dieser Regierung war, dass man sich nicht politischen Einflüssen beugen werde. Bolsonaro sprach sich gegen den Klüngel und für technische Lösungen aus. Das muss er jetzt auch liefern."

D'Avila glaubt, dass aus dem Ausland statt Investitionen erst einmal Druck auf die Regierung kommen werde. "Denn die Vale handelt einen großen Teil ihres Kapitals an der New Yorker Börse." Am Dienstagabend wurde bekannt, dass Aktionäre dort die ersten Sammelklagen gegen die Vale und ihre Geschäftsführung vorbereiten. "Das kommt davon", so D'Avila, "wenn man den Markt zum Teufel schickt. Dort kommt der dann auf gute Ideen."

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