Bolsonaro-Verurteilung: USA beklagen Brasiliens "Hexenjagd"
12. September 2025
Nach einem Urteil des Obersten Gerichts in Brasilien dürften die diplomatischen Spannungen zwischen dem südamerikanischen Land und den USA weiter zunehmen. Ungeachtet der Warnungen aus Washington verurteilte das Gericht in Brasilia den früheren Staatschef Jair Bolsonaro wegen eines Putschversuchs zu 27 Jahren und drei Monaten Haft - vier von fünf Richtern hatten ihn zuvor für schuldig befunden.
Neue Sanktionen gegen Brasilien?
Die US-Regierung kritisierte das Urteil scharf und kündigte Konsequenzen an. Die Vereinigten Staaten würden auf diese "Hexenjagd" angemessen antworten, schrieb US-Außenminister Marco Rubio auf der Online-Plattform X. Details nannte Rubio nicht.
US-Präsident Donald Trump bezeichnete die Verurteilung seines Verbündeten als "sehr überraschend". Er hatte auf das Verfahren gegen den 70-Jährigen schon zuvor mit Strafzöllen und Sanktionen reagiert. Der auch "Tropen-Trump" genannte Bolsonaro sei ein "guter Präsident Brasiliens" gewesen, betonte Trump. Er zog Parallelen zu den Gerichtsverfahren, die in den vergangenen Jahren gegen ihn selbst geführt worden waren. "Das ist so ähnlich, wie sie es mit mir versucht haben, aber sie sind nicht damit durchgekommen", unterstrich Trump.
Das Außenministerium in Brasilia erklärte, die brasilianische Demokratie werde sich von den "Drohungen" Rubios "nicht einschüchtern" lassen. Man werde "die Souveränität des Landes gegen Aggressionen und Einflussversuche" verteidigen.
Kopf einer "kriminellen Organisation"
Nach Überzeugung des Obersten Gerichts führte Bolsonaro eine "kriminelle Organisation" mit dem Ziel an, das Ergebnis der Präsidentschaftswahl 2022 zu kippen. Der rechtsextreme Politiker hatte die Wahl gegen den linksgerichteten Luiz Inácio "Lula" da Silva verloren.
Die Richter sprachen Bolsonaro zudem schuldig, seine Anhänger zur gewaltvollen Erstürmung des Obersten Gerichts, des Präsidentenpalastes und des Kongresses in Brasilia im Januar 2023 angestiftet zu haben. Hunderte Unterstützter Bolsonaros hatten sich damals Zugang zu den Gebäuden verschafft und dabei schwere Verwüstungen angerichtet.
Auch soll es unter dem Codenamen "Grüner und Gelber Dolch" Pläne zur Ermordung von Lula, dessen Vize Geraldo Alckmin sowie dem Obersten Richter Alexandre de Moraes gegeben haben. Moraes gilt seit langem als Erzfeind Bolsonaros.
Eine "absurd überhöhte" Strafe?
Bolsonaro, der von 2019 bis 2022 Staatschef Brasiliens war, weist alle Vorwürfe zurück und bezeichnet sich als Opfer politischer Verfolgung. Seine Anwälte wollen das Urteil anfechten. Die verhängte Haftstrafe von mehr als 27 Jahren sei "absurd überhöht und unverhältnismäßig", heißt es in einer Erklärung der Anwälte. Die Verteidigung werde die Urteilsbegründung prüfen und "entsprechende Rechtsmittel einlegen, auch auf internationaler Ebene".
Die Anwälte verlangen, dass der Prozess vor dem gesamten Plenum des Obersten Gerichts mit elf Richtern geführt wird - und nicht nur vor der Ersten Kammer. Ein langwieriges Revisionsverfahren könnte sich somit bis zur nächsten Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr hinziehen.
Neben dem Ex-Präsidenten standen sieben weitere Angeklagte vor Gericht, darunter frühere Minister und Generäle, die alle ihre Unschuld beteuerten. Sie wurden ebenfalls verurteilt.
Entgegen Befürchtungen lösten die Urteile keine größeren Proteste von Bolsonaro-Anhängern aus. Ursprünglich hatten Experten angesichts der starken Polarisierung innerhalb der brasilianischen Gesellschaft vor Gewaltexzessen gewarnt. Laut Umfragen befürwortet eine knappe Mehrheit der Brasilianer, dass Bolsonaro zur Verantwortung gezogen wird.
wa/pgr (afp, rtr, dpa, epd, kna)