Brasilien prescht beim Datenschutz vor
24. April 2014"Das neue Gesetz ist ein fantastisches Beispiel für den positiven Einfluss, den Regierungen auf den Schutz privater Daten im Netz ausüben können", erklärte Tim Berners-Lee, Erfinder des Internets. "Ich bitte alle Länder darum, diesem Beispiel zu folgen".
Zu der Internet Governance Konferenz "Netmundial" vom 23. bis 24. April in São Paulo waren neben dem Internet-Erfinder Vertreter aus 90 Ländern und 27 Minister angereist. Das vom brasilianischen Kongress verabschiedete "Gesetz über Rechte und Pflichten beim Gebrauch des Internets" verlieh dem Ereignis zusätzliche nationale Bedeutung.
Mit dem neuen Gesetz werden alle in Brasilien tätigen Provider-Firmen verpflichtet, den Schutz privater Daten und Netzneutralität zu garantieren. Dies bedeutet unter anderem, dass die Geschwindigkeit bei der Übertragung von Daten immer gleich sein muss und Werbung somit nicht bevorzugt behandelt wird. Außerdem ist das Speichern von individuellen Seitenverläufen, die bisher zu Werbezwecken von den Providern verkauft wurden, nicht mehr erlaubt.
Zugriffsrechte für die Justiz
Einen Abstrich musste die brasilianische Regierung jedoch machen: Entgegen der ursprünglichen Ankündigung brauchen Firmen wie Google und Facebook keine Server in Brasilien einzurichten, sondern können die Daten der brasilianischen User weiterhin im Ausland speichern. Die Art und Weise der Speicherung muss allerdings der neuen brasilianischen Gesetzgebung entsprechen, das heißt, die brasilianische Justiz muss Zugriff auf die Daten haben.
Seit der Verabschiedung des Gesetzes erhält der Initiator und Autor Alessandro Molon Anfragen aus vielen Ländern, die sich am brasilianischen Beispiel orientieren wollen. Auch die nigerianische Aktivistin Nnenna Nwakanma, Mitbegründerin der "Open Source Foundation for Africa", zeigte sich interessiert: "Das Vertrauen, das wir in Brasilien haben, ist auch auf allen Ebenen notwendig. Doch es wird immer wieder durch das Sammeln und Verarbeiten unserer Kommunikation im Internet zerstört."
Digitaler Dornröschenschlaf
Erst seit der NSA-Spähaffäre genießt das Thema Datenschutz im Internet in Brasilien politische Priorität. So brachten Brasilien und Deutschland im November 2013 vor dem Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen eine gemeinsame Resolution zum Schutz der Privatsphäre im Internet ein. Darin wurden alle Regierungen aufgerufen, "Verfahren, Praktiken und Gesetze bei der Überwachung von Kommunikation zu überprüfen und Verletzungen der Privatsphäre eine Ende zu setzen".
Noch bis vor kurzem befand sich Brasilien in einem tiefen digitalen Dornröschenschlaf. Rund 80 Prozent des südamerikanischen Datenverkehrs laufen nach Angaben Brasílias über die USA. In Asien liegt der Anteil schätzungsweise bei 40 Prozent und in Europa bei rund 20 Prozent.
Brasiliens Regierung will nun mit einem Netz aus Glasfaserkabeln die technische Abhängigkeit von den USA verringern und strebt deshalb eine Dezentralisierung digitaler Datenströme an. Geplant ist unter anderem ein sogenannter "optischer Ring" aus Glasfaserkabeln, der zwölf südamerikanische Staaten untereinander und zugleich mit Afrika und Europa verbinden soll. Das Projekt umfasst etwa 10.000 Kilometer Glasfaserkabel. Mit der Verlegung soll im Juli 2014 begonnen werden.
Der brasilianische Parlamentarier Alessandro Molon ist stolz darauf, dass seine Heimat zumindest in punkto Netzneutralität die USA überholt hat. "Die amerikanische Justiz hat eine UN-Resolution zur Netzneutralität mit dem Hinweis gekippt, dass dafür ein eigenes nationales Gesetz notwendig sei", erklärte er in der brasilianischen Tageszeitung "O Globo". "Da ist Brasilien schon einen Schritt weiter".