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Brasilien: Warum die Emirate in Favelas investieren wollen

Tobias Käufer Mitarbeit Ramona Samuel
18. März 2025

Die Vereinigten Arabischen Emirate wollen massiv in Brasilien investieren. Dabei geht es nicht nur um Rohstoffe, sondern auch um konkrete Infrastrukturprojekte.

Das Bild zeigt eine Favela in Sao Paolo. Im Hintergrund die Hochhäuser der Innenstadt
Eine Favela direkt am Zentrum von Sao Paolo - in Rio wollen die Emirate die abgelegenen Armutsviertel mit U-Bahnen und Hochgeschwindigkeitszügen mit der Innenstadt verbinden. Bild: picture-alliance/imageBROKER/F. Kopp

Es geht um Rohstoffe und Infrastruktur: Die Vereinigten Arabischen Emirate wollen sich künftig stärker in Brasilien engagieren. Die Gesamtinvestitionssumme, die im Raum steht, ist bemerkenswert: Rund 100 Milliarden Real (umgerechnet etwa 16 Milliarden Euro) sollen in Projekte wie die Wiederherstellung von Weideland, die industrielle Entwicklung, den Export von Agrarprodukten, Infrastrukturprojekte oder die Verteidigung fließen. Investor ist der Staatsfonds Abu Dhabi Investment Group (ADIG).

Besondere mediale Aufmerksamkeit erfuhr dabei die Idee, die einkommensschwache Metropolregion in der Baixada Fluminense vor den Toren Rio de Janeiros zu modernisieren. Rund drei Millionen Menschen leben dort in Armenvierteln, oft unter prekären Bedingungen und mit schlechter Anbindung an das Stadtzentrum.

Bei den Gesprächen zwischen Investoren, der brasilianischen Bundesregierung und der Regierung des Bundesstaates Rio de Janeiro ging es darum, neue Wohnmöglichkeiten in den Favelas zu schaffen und sie durch U-Bahnen sowie Hochgeschwindigkeitszüge besser an das Zentrum anzubinden, sagte Zayed bin Aweidha, CEO von ADIG, der Zeitung "O Estado".

Symbolischer Händedruck beim G20-Treffen in Rio im November 2024: Brasiliens Präsident Lula da Silva mit Khaled bin Muhammad Al Nahyan - Kronprinz von Abu DhabiBild: Ricardo Stuckert/Palacio Do/Planet Pix via ZUMA Press Wire/picture alliance

Die Idee der Emirate dahinter ist durchaus auch ökonomisch motiviert: Langfristig könnten die Ticketverkäufe von Millionen von Fahrgästen für U-Bahnen oder einen Hochgeschwindigkeitszug auch Einnahmen generieren. "Es ist möglich, mit Straßen, U-Bahnen und Hochgeschwindigkeitszügen Städte in der Nähe von Rio de Janeiros Hauptstadt neu zu gestalten und zu verbinden", so Zayed bin Aweidha. Ende vergangenen Jahres hatte es sogar ein persönliches Treffen zwischen ihm und Brasliens Präsident Lula da Silva gegeben.

Ausbau der Beziehungen

Die Investitionsabsichtserklärungen passen zu einem Trend, der sich seit einigen Jahren abzeichnet: "Rund 2,5 Milliarden Dollar sind zuletzt in die brasilianische Wirtschaft investiert worden", sagt Wirtschaftswissenschaftler Felipe Rodrigues von der Wirtschaftshochschule Fundação Getulio Vargas (FGV) im Gespräch mit der DW. Die Investitionen konzentrierten sich vor allem die Bereiche Forschung und Energiewende.

Felipe Rodrigues von der Wirtschaftshochschule Fundação Getulio Vargas: Brasilien liegt im TrendBild: Tobias Käufer/DW

"Brasilien ist ein Land, das als zentral für die praktische Umsetzung der Energiewende gilt. Und wir sehen eine Beziehung, die zwischen Brasilien und den arabischen Ländern gereift ist." Das führe dazu, dass die beiden Seiten nun stärker zusammenarbeiten. Brasilien habe es grundsätzlich geschafft, seine strategischen Partner zu halten und neue hinzuzugewinnen, so Rodrigues. So setzt sich Brasilien für den EU-Mercosur-Freihandelsvertrag ein, baute zuletzt aber auch die wirtschaftlichen Beziehungen zu Indien aus.

Infrastruktur- und Energieprojekte

Ende vergangenen Jahres unterzeichneten Brasilien und die Vereinigten Arabischen Emirate am Rande des G20-Gipfels in Rio de Janeiro zwei Absichtserklärungen, die die Investitionen auf eine gemeinsame Basis stellen sollen.

Laut brasilianischer Regierung sollen dabei die Mittel in strategische Projekte in Brasilien fließen - insbesondere in den Bereichen Infrastruktur und Energie. "Es gibt große Chancen in Brasilien", sagt Mohamad Mourad, Generalsekretär der Arabisch-Brasilianischen Handelskammer im Gespräch mit der DW.

Wichtige Sektoren der Wirtschaft, darunter Infrastruktur, Konzessionen für Häfen und Flughäfen, erneuerbare Energien, die Agrarindustrie, Immobilien, Verteidigung und weitere Bereiche, bieten gute Investitionsmöglichkeiten für den Fonds aus Abu Dhabi, so Mourad.

Wie realistisch sind die Ankündigungen?

Insbesondere das Vorhaben, die Favelas zu modernisieren und sie auf ein neues Entwicklungsniveau zu heben, weckt Hoffnungen. Allerdings gab es in der Vergangenheit schon viele Versprechen.

Die Hoffnung, dass von den Olympischen Spielen 2016 und der Fußball-WM 2014 auch die Menschen in den Armenvierteln durch Infrastrukturanbindung profitieren würden, erfüllte sich zum großen Teil nicht. Auch die Erinnerung an den Korruptionsskandal rund um den Baukonzern Odebrecht ist noch frisch, dabei wurden im Gegenzug für Infrastrukturbauvorhaben Millionensummen an Schmiergeldern gezahlt. Das hat das Vertrauen in die brasilianische Politik nachhaltig beschädigt.

Die Bewohner der Baixada Fluminense vor den Toren Rio de Janeiros hatten schon häufiger auf eine bessere Infrastruktur gehofft - und wurden enttäuscht. Bild: IMAGO/TheNews2

Doch zur Umsetzung von Großprojekten, benötigt es auch die Unterstützung der Bevölkerung. Der Skandal wurde jedoch bis heute von der brasilianischen Justiz nicht vollständig aufgeklärt. Auch die aktuelle Regierung von Präsident Lula da Silva zeigt daran wenig Interesse.

Bürokratische und politische Hindernisse

Damit aus den Absichtserklärungen zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten und Brasilien Realität wird, müssten bürokratische und politische Unklarheiten beseitigt werden, fordert Wirtschaftswissenschaftler Felipe Rodrigues. Und Brasilien müsse langfristig denken: "Projekte dieser Größenordnung brauchen Sicherheit, um über den Status einer Ankündigung hinauszukommen. Wir sprechen über Projekte mit einer Laufzeit von 15 bis 20 Jahren, mindestens aber von zehn Jahren." Die größten Hindernisse seien derzeit vor allem die Bürokratie, die müssten aus dem Weg geräumt werden.

Einen Schritt weiter sind beide Seiten bei gemeinsamen Bergbauprojekten. Im Januar unterzeichneten Regierungen eine Erklärung zur Zusammenarbeit bei "Projekten zur Exploration, Gewinnung, Verarbeitung, Veredelung und Vermarktung von Mineralien sowie zum Transfer arabischer Technologie".

Für beide Seiten sei das eine vielversprechende Perspektive: "Das Abkommen fördert Innovation und Wettbewerbsfähigkeit im Rohstoffsektor, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, und ebnet damit den Weg für eine nachhaltigere und global integrierte Zukunft", sagte Bergbau- und Energieminister Alexandre Silveira.

Zumindest auf dem Papier stehen die Zeichen auf Annäherung. Nun müssen die Partner allerdings auch liefern.

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