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Dilma Roussef in Davos

Kersten Knipp24. Januar 2014

Beim Weltwirtschaftsforum in Davos hat Brasiliens Präsidentin Rousseff ihr Land als einen der attraktivsten Wirtschaftsstandorte der Zukunft gepriesen. Doch nicht alle Ökonomen teilen ihren Optimismus.

Dilma Rousseff bei ihrem Auftritt in Davos, 24.1.2014 (Foto: REUTERS)
Bild: Reuters

Bereits vor zwei Jahren war Dilma Rousseff nach Davos eingeladen worden, hatte damals aber abgesagt, und stattdessen dem Weltsozialforum in Porto Alegre den Vorzug gegeben. Nachdem sie damals mit den Kritikern der wirtschaftlichen und politischen Globalisierung diskutiert hatte, erläuterte sie nun deren Machern ihre Sicht der Dinge - und zeigte dabei, dass sie beides, soziale Verantwortung und ökonomisches Wachstum, als bestens miteinander vereinbar sieht.

Es gelte, langfristig zu denken, eröffnete sie ihre Rede. Die Schwellenländer durchlebten gerade eine starke soziale Umformung. Das verleihe ihnen erhebliche Dynamik, die sozialen Transformationsprozesse böten große Investitions- und Konsummöglichkeiten: "Sie bieten neue große Gelegenheiten". In Brasilien seien in den letzten zehn Jahren 36 Millionen Menschen aus extremer Armut heraus geholt worden, auch wenn sie noch nicht zum Mittelstand gehörten. Weitere 42 Millionen hätten den Sprung aus der Armut in den Mittelstand geschafft. Zu diesem gehöre heute mehr als die Häfte der knapp 200 Millionen Brasilianer. In den vergangenen zehn Jahren sei das Durchschnittseinkommen um 78 Prozent gestiegen. Brasilien sei für eine Reihe von Konsumgütern der weltweit größte Markt. "Die Potentiale für Unternehmen sind enorm."

Ausdrücklich schloss sie in diese Entwicklung auch die Sozialproteste des vergangenen Sommers ein. Sie seien ein untrennbarer Teil des sozialen und wirtschaftlichen Fortschritts. Die Demonstranten seien für mehr Demokratie und Teilhabe auf die Straße gegangen. "Und Demokratie fordert noch mehr Demokratie, Teilhabe noch mehr Teilhabe."

Patriotischer Protest: Demonstrant mit BrasilienflaggeBild: CHRISTOPHE SIMON/AFP/Getty Images

Skeptische Investoren

"Auf der Suche nach dem verlorenen Investor" - so hatte das Wirtschaftsportal InfoMoney Rousseffs Schweizer Mission im Vorfeld überschrieben. Wie dieser Investor gefunden werden sollte, machte Rousseff in ihrer Rede unmissverständlich klar: durch entschiedene Bekämpfung jener Missstände, an denen das Land derzeit weiter leidet: die Inflation - im Jahr 2013 betrug sie 6,3 Prozent - werde man weiter drosseln; den Schuldenstand von 61,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts werde man weiter drücken; und auch die Kreditvergabe werde man weiter vereinfachen.

Ebenso nüchtern wie engagiert versuchte Rousseff all jene zu überzeugen, die an der Attraktivität des Standorts Brasilien zweifeln. Dazu gehören zu Teilen auch die Veranstalter des Wirtschaftsforums selbst. In dem von Klaus Schwab herausgegebenen Global Competetive Report findet sich Brasilien im Ausblick auf die Jahre 2013-2014 bestenfalls im Mittelfeld: In dem Ranking von insgesamt 148 Staaten nimmt es den 56. Platz ein. Zwar könne Brasilien mit einer hoch entwickelten Marktstruktur, einem effizienten Arbeitsmarkt und einer befriedigenden Hochschulbildung punkten. Dem stünden aber eine ungenügende Infrastruktur, komplizierte Steuerbestimmungen und eine hohe Besteuerung entgegen, so der Report.

Zähes institutionelles Umfeld

Für Brasilien kämen momentan einige negative Entwicklungen zusammen, erklärt Florian Steinmeyer, Manager im Bereich Amerika von Germany Trade & Invest (GTAI), der Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing der Bundesrepublik Deutschland. "Die Inflation ist höher als gewünscht, die heimische Währung gibt gegenüber dem US-Dollar nach und verteuert die Importe. Zugleich lässt das geringe Wachstum das Ansehen Brasiliens bei internationalen Investoren sinken." Auch Steinmeyer hält den Großteil der derzeitigen Probleme für hausgemacht: "Vieles ist auf das zähe institutionelle Umfeld und die mangelhafte Infrastruktur des Landes zurückzuführen, die für hohe Kosten sorgen und Brasilien als Produktionsstandort unattraktiv machen. Das machen auch die durch die Währungsabwertung günstigeren Exportmöglichkeiten nur in Teilen wett."

Auf dem Weg zur harten Währung: der brasilianische RealBild: Comugnero Silvana/Fotolia

Brasilianische Ökonomen betrachten die Wirtschaft ihres Landes mit gemischten Gefühlen. "Die Stimmung ist nicht pessimistisch", erklärt Luís Afonso Lima, Direktor des Thinktanks Sociedade Brasileira de Estudos de Empresas Transnacionais e Globalização Econômica (Sobeet) in der spanischen Zeitung El País. "Sie ist nur weniger optimistisch." Zwar hat das Land die Summe der ausländischen Direktinvestitionen seit dem Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2007 von rund 34,5 Millionen auf 65,2 im Jahr 2012 Millionen US-Dollar steigern können. Doch 2013 werden sie wohl auf 63,5 Millionen US-Dollar zurückgehen.

Markt der Zukunft?

Rousseffs Auftritt in Davos fällt in wirtschaftlich zähe Zeiten. Doch der Optimismus, den die Präsidentin demonstrierte, ist zumindest durch die Prognosen gedeckt: Für die Jahre 2014 bis 2017 prognostiziert die nationale Entwicklungsbank BNDES einen Zunahme der Investitionen um 26 Prozent gegenüber den Vorjahren. "In der Tendenz geht es voran", erklärt Luís Afonso Lima. Das sieht auch Florian Steinmeyer so. "Wenn die Regierung es schafft, die Infrastruktur nachhaltig zu verbessern, das Steuersystem zu vereinfachen und die bürokratischen Hürden abzubauen werden internationale Investoren wieder mehr Vertrauen fassen."

Rein in die Bildung, raus aus der Armut: Schule in Porto AlegreBild: picture-alliance/dpa

Noch mehr Vertrauen in die Wirtschaftskraft ihres Landes bekundete Rousseff selbst."Die Schwellenländer, beendete sie ihre Rede, würden weltweit zu immer attraktiveren Märkten. Und Brasilien, prophezeite sie, werde absehbar einer der chancenreichsten Standorte der Welt sein.


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