Nach langem juristischen Tauziehen hat sich der frühere brasilianische Staatschef der Polizei gestellt. Die Festnahme sieht er als Verschwörung gegen seine neue Kandidatur an. Aufgeben will er nicht, im Gegenteil.
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Brasiliens Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva muss ins Gefängnis, doch geschlagen gibt sich der populäre Politiker nicht. "Der Tod eines Kämpfers kann die Revolution nicht aufhalten", rief er seinen Anhängern in São Paulo zu.
Rechtsanwälte mühten sich vergeblich
Lula war wegen Korruption zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden. Bis zuletzt versuchte er, die Inhaftierung zu verhindern. Seine Anwälte legten eine ganze Reihe von Rechtsmitteln ein, auch beim Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen beantragten sie eine einstweilige Verfügung. Am Ende gab der 72-Jährige nach: "Ich werde den Haftbefehl akzeptieren", sagte er.
Seine Anhänger wollten ihn allerdings nicht ziehen lassen. Hunderte Menschen blockierten die Ausgänge am Gebäude der Metallarbeitergewerkschaft in São Paulo, als Lula zur Polizei fahren wollte. Erst Stunden später verließ er in einer Kolonne schwarzer Geländewagen das Areal. Nach seiner Festnahme wurde er in das Hauptquartier der Bundespolizei in der südbrasilianischen Stadt Curitiba gebracht, wo eine Zelle für ihn vorbereitet worden war.
Lula ist in den Skandal um Schmiergelder bei Auftragsvergaben an den staatlichen Ölkonzern Petrobras verwickelt. Unter anderem soll er von dem Bauunternehmen OAS die Renovierung eines Luxus-Appartements angenommen haben. Er selbst bestreitet das und sieht sich als Opfer einer Verschwörung rechter Politiker und der Medien, die nur seine Rückkehr an die Staatsspitze verhindern wollten.
Wiederkommen - größer und stärker
"Je mehr sie mich angreifen, desto mehr wächst meine Beziehung zum brasilianischen Volk", sagte Lula. "Ich habe ein reines Gewissen. Ich vergebe ihnen aber nicht, dass sie mich einen Dieb nennen." Gleichzeitig versicherte Lula, er werde seine Unschuld beweisen und "größer, stärker" aus der Haft zurückkehren.
Lula - Mythos oder Märtyrer?
Vom Held Brasiliens zur nationalen Hassfigur. Das Leben des Arbeiterführers Luiz Inácio Lula da Silva begann als politischer Höhenflug und endet in einer Tragödie. Ein Rückblick auf die wichtigsten Stationen.
Bild: Reuters/D. Vara
Der Streikanführer
1975 wurde Lula zum Präsidenten der Metallarbeitergewerkschaft der Städte São Bernardo do Campo und Diadema im Bundesland São Paulo gewählt. Ende der Siebziger erreichte er als Streikführer landesweite Bekanntheit und galt deshalb in den Augen der Militärjunta als Bedrohung für die öffentliche Ordnung. 1980 wurde er nach einem 41 Tage dauernden Streik für 31 Tage verhaftet.
Bild: Instituto Lula
Der Parteigründer
Kurz vor seiner Festnahme brachte Lula gemeinsam mit Intellektuellen und Gewerkschaftern die Gründung einer neuen Partei auf den Weg: Die brasilianische Arbeiterpartei PT (Partido dos Trabalhadores). Als er aus dem Gefängnis kam, widmete sich Lula als erster PT-Präsident definitiv der Politik: 1982 kandidierte er als Gouverneur von São Paulo. 1986 wurde er Abgeordneter in Brasilia.
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Der Präsidentschaftskandidat
Die ersten Präsidentenwahlen nach 21 Jahren Militärdiktatur (1964-1985) fanden 1989 statt. Lulas linkspolitische Rhetorik schreckte konservative Teile der brasilianischen Gesellschaft ab, in Wirtschaftskreisen wurde vor seiner Wahl gewarnt. Trotzdem erreichte Lula die zweite Runde. Nach einem von persönlichen Angriffen gezeichnetem Wahlkampf verlor er knapp gegen Konkurrent Fernando Collor.
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Der Wahlkämpfer
1994 kandidierte Lula erneut für das Präsidentenamt. Doch auch dieses Mal gelang ihm nicht der Einzug in den Regierungspalast. Der Arbeiterführer unterlag dem Akademiker Fernando Henrique Cardoso. Der ehemalige Außen- und Wirtschaftsminister wurde aufgrund seiner Erfolge bei der Bekämpfung der Inflation 1994 und 1998 zum Präsidenten Brasiliens gewählt.
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Der Sieger
Nach drei Anläufen gelang Lula beim vierten Versuch 2003 der Einzug in den Regierungspalast. Erstmals in der Geschichte Brasiliens regiert ein Arbeiter und Gewerkschaftsführer das Land. Im Wahlkampf hatte er eine Allianz mit Teilen der brasilianischen Elite geschmiedet und einen Unternehmer als Vize nominiert, um die Wirtschaft zu beruhigen. Der linke Flügel der PT wurde zunehmend isoliert.
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Der Rohstoffhändler
Unter dem gelernten Drechsler Lula, der seinen kleinen Finger bei der Arbeit in einer Autofabrik verlor, erlebte die Wirtschaft einen Boom. Die Nachfrage nach brasilianischen Produkten wie Soja, Rindfleisch und Erdöl nahm rasant zu. Gleichzeitig trugen die Erhöhung des Mindestlohns, die Ausweitung der Sozialhilfe und Investitionen in die Infrastruktur zum Wachstum des Binnenmarkts bei.
Bild: AP
Politiker der Armen
Lula unternahm den ersten ernstzunehmenden Versuch zur Bekämpfung der Armut in Brasilien. 2004 wurde das Sozialhilfeprogramm Bolsa Família gegründet, das Aushängeschild seiner Regierung. Andere Initiativen halfen ärmeren Bevölkerungsschichten bei der Bezahlung von Wohnungen sowie Schul- und Universitätskosten. Fast 30 Millionen Menschen konnten unter Lulas Regierung der Armut entkommen.
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Der Präsidentenmacher
Dank seiner Popularität gewann Lula die Wahlen von 2006 ohne große Anstrengungen. Am Ende seiner zweiten Amtszeit 2010 lag seine Popularität bei 87 Prozent. Lula kürte seine ehemalige Kabinettschefin Dilma Rousseff zur Nachfolgerin, sie wurde 2011 die erste Frau im Amt. Rousseff wurde 2014 wieder gewählt und 2016 in einem umstrittenen Amtsenthebungsverfahren abgesetzt.
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Der Krebskranke
Oktober 2011 wurde bei Lula Kehlkopfkrebs diagnostiziert. Zum ersten Mal erschien der bekannteste Politiker Brasiliens ohne seinen charakteristischen Bart. Fünf Monate später galt der Tumor als besiegt, und Lula kehrte erneut auf die politische Bühne zurück. Mit Erfolg: 2012 gewann die PT die Kommunalwahlen in São Paulo. Die Stadt verfügt über das dritthöchste Budgets Brasiliens.
Bild: AFP/Getty Images
Der Angeklagte
Im Zuge der Korruptionsermittlungen unter dem Namen "Lava Jato" wurden in Brasilien zahlreiche Politiker der PT verhaftet. Auch Lula kam ins Visier der Ermittler. Ihm wurde vorgeworfen, illegale Vergünstigungen vom Bauunternehmen Odebrecht erhalten zu haben. Im Juli 2017 wurde er wegen Korruption zu neun Jahren Gefängnis verurteilt. 2018 erhöhte ein Revisionsgericht das Urteil auf zwölf Jahre.
Bild: Abr
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Während seiner Amtszeit von 2003 bis 2010 modernisierte der "Präsident der Armen" die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas und verbesserte die Lebensbedingungen von Millionen armer Brasilianer mit dem Programm "Fome Zero" (Null Hunger) und der Familiensozialhilfe. Der frühere US-Präsident Barack Obama nannte ihn den "beliebtesten Politiker der Welt".
"Trump Brasiliens" statt Lula?
Bei der Wahl im Oktober will Lula erneut für das höchste Staatsamt kandidieren. Allerdings ist unklar, ob das nach seiner Inhaftierung noch möglich ist. Ganz ausgeschlossen ist es nicht, noch stehen ihm weitere Berufungsinstanzen offen. In den Umfragen liegt Lula mit bis zu 36 Prozent der Stimmen deutlich vorn.
Kann er nicht bei der Wahl antreten, könnte der ultra-rechte Jair Bolsonaro der Nutznießer sein. Er wird als "Trump Brasiliens" bezeichnet, hetzt gegen die linke Arbeiterpartei und verherrlicht die Militärdiktatur (1964-1985). Direkt nach Lulas Festnahme twitterte Bolsonaro ein Bild von Brasiliens Nationalflagge.