Atempause für Lula
1. April 2016Die Richter entschieden, dass die Untersuchungen stattdessen vom Obersten Gerichtshof selbst geführt würden. Die Mehrheit der Richter in der Hauptstadt Brasilia wurde nach dem Regierungsantritt der linken Arbeiterpartei, der auch Luiz Inácio Lula da Silva angehört, ernannt. Daher wird die Entscheidung als möglicherweise hilfreich für den früheren Präsidenten bewertet.
Sicher ist: Anti-Korruptionsrichter Sergio Moro hatte zuletzt für Unmut gesorgt. Er hatte den Mitschnitt eines abgehörten Gesprächs zwischen Lula und Präsidentin Dilma Rousseff veröffentlicht, in dem diese ihm versichert, ihn "bei Bedarf" zum Minister zu ernennen.
"Unnötige Missverständnisse"
Rousseff reagierte empört auf die Veröffentlichung. Kurz darauf entschuldigte sich Moro beim Obersten Gericht, "unnötige Missverständnisse" verursacht zu haben.
Dem früheren Präsidenten Lula wird im Zusammenhang mit dem riesigen Korruptionsskandal um den staatlichen Ölkonzern Petrobras Geldwäsche und außerdem die Verheimlichung eines Anwesens vorgeworfen. Die Ausweitung der Ermittlungen auf Lula, der noch immer große Beliebtheit in Brasilien genießt, hatte heftige Proteste in der Bevölkerung ausgelöst. Er selbst wies die Vorwürfe gegen ihn als politisch motiviert zurück.
Was wird aus der Nominierung Lulas zum Kabinettschef?
Das neue Urteil des Obersten Gerichts und die Neuregelung der Untersuchungen ist nicht endgültig und betrifft zudem nicht die Frage, ob Präsidentin Rousseff ihren Vorgänger in die Regierung holen darf.
Kritiker werfen ihr vor, mit diesem Schritt Lula vor Strafverfolgung schützen zu wollen. Das Oberste Gericht stoppte vorläufig die Nominierung Lulas als Kabinettschef und will kommende Woche darüber entscheiden.
Der Skandal beim staatlich kontrollierten Ölkonzern bedroht auch Rousseff selbst. Die Politikerin der linken Arbeiterpartei sieht sich einem Amtsenthebungsverfahren ausgesetzt. Und: Rousseff, deren Popularität inmitten der Korruptionsvorwürfe auf ein Rekordtief gefallen ist, verlor diese Woche auch ihren wichtigsten Koalitionspartner. Die Partei der demokratischen Bewegung Brasiliens (PMDB) zog ihre sechs Minister aus der Regierung ab. Die Entscheidung bedeutet eine echte Zäsur: Die PMDB war seit 2003 Partner der Arbeiterpartei gewesen.
Fragezeichen vor der Olympia-Eröffnung
Am Donnerstag gingen tausende Anhänger der Präsidentin in zahlreichen Städten des Landes auf die Straße, um ihre Unterstützung für die Staatchefin zu demonstrieren. Auch in Berlin gab es Pro-Rousseff-Kundgebungen.
Nach dem Verlust des wichtigsten Koalitionspartners und angesichts der laufenden Ermittlungen gegen Rousseff durch die Justiz wird aber zunehmend fraglich, ob sie sich noch lange im Amt halten kann. Vielen politischen Beobachtern erscheint fraglich, ob Rousseff im Sommer noch die Olympischen Spiele in Rio eröffnen wird.
haz/qu (rtr, dpa, afp)