Brasiliens Parlament schwächt Umweltstandards
17. Juli 2025
Brasiliens Abgeordnetenhaus hat mit großer Mehrheit einer Aufweichung des Umweltschutzes bei Großprojekten zugestimmt. Für das Gesetzesvorhaben votierten am Mittwoch (Ortszeit) in der von konservativen Kräften dominierten Parlamentskammer in Brasília 267 Abgeordnete, 116 stimmten dagegen. Das Projekt wird von dem mächtigen Block der Agrarunternehmen und Viehzüchter vorangetrieben.
Seit mehr als 20 Jahren debattiert Brasiliens Kongress über das Gesetz, mit dem Genehmigungsverfahren für Infrastrukturprojekte in Gebieten wie dem Regenwald am Amazonas vereinfacht werden sollen. Der Gesetzentwurf wurde im Mai bereits von der anderen Kongresskammer, dem Senat, angenommen. Um in Kraft zu treten, muss das Gesetz nun noch von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva unterzeichnet werden.
Umweltschutzorganisationen kritisieren das Vorhaben scharf. Gegner sprechen von einem "Gesetzentwurf der Verwüstung". Sie forderten Lula auf, sein Veto einzulegen. Doch obwohl Brasilien eine Führungsrolle im Kampf gegen die globale Erwärmung anstrebt, unterstützt der Präsident die Suche nach neuen Ölquellen als Schlüssel zum Wachstum der größten Volkswirtschaft Lateinamerikas.
Regierung gespalten
Die Maßnahme hat die linksgerichtete Regierung des Präsidenten gespalten. Das Umweltministerium bezeichnete sie als einen "fatalen Schlag" für den Umweltschutz, während das Landwirtschaftsministerium sie unterstützt.
Die Befürworter argumentieren, dass in Zukunft Infrastrukturprojekte schneller und mit weniger Bürokratie vorangetrieben werden. Das Gesetzesvorhaben sieht beispielsweise vor, dass nicht mehr die brasilianischen Bundesbehörden, sondern die Bundesländer für die vereinfachten Genehmigungen von Großprojekten zuständig sind. Das betrifft vor allem neue Bergbauprojekte im Amazonasgebiet.
Zugleich verlieren indigene Völker und afrobrasilianische Gemeinschaften in großem Umfang den Schutz des Landes, auf dem sie leben. Laut dem Institut Socio-Ambiental würde diese Regelung mindestens 259 Gebiete, in denen indigene Gemeinschaften leben, und rund 80 Prozent der Territorien von afrobrasilianischen Gemeinschaften treffen.
Das Klima-Observatorium kritisierte das Projekt als "größten gesetzlichen Rückschritt seit der Militärdiktatur". Der Zusammenschluss von 133 Wissenschaftlern sowie Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen verwies darauf, dass mit dem Gesetz der Weg frei sei für die Erdölförderung im Amazonas-Mündungsgebiet. Die stößt auch international auf Kritik.
Widerspruch zu den COP30-Zielen?
Brasilien richtet im November in der Stadt Belém im Amazonasgebiet die nächste UN-Klimakonferenz COP30 aus. Und da wollen das Land und sein Präsident als Vorreiter glänzen.
Brasilien will auf der COP30 einen internationalen Fonds zur Finanzierung des Tropenwaldschutzes auf den Weg bringen - was in einem gewissen Widerspruch zu der nun vom Parlament beschlossenen Ausbeutung der Ressourcen auch unter dem Amazonasgebiet steht. "Der Fonds 'Tropenwälder für immer', den wir auf der COP30 ins Leben rufen werden, wird die Ökosystemleistungen, die für den Planeten erbracht werden, entlohnen", sagte Präsident Lula zum Abschluss des Gipfels der BRICS-Staaten in Rio de Janeiro Anfang Juli.
Der Fonds mit einem geplanten Volumen von 125 Milliarden US-Dollar soll Länder mit großflächigen Regenwäldern finanziell für deren Erhalt belohnen. Lula positionierte das Projekt zudem als Beitrag zu einer sozial gerechten Klimapolitik. "Mit dem Schutz und der Wiederherstellung unserer Territorien schaffen wir zugleich Chancen für lokale Gemeinschaften und indigene Völker", sagte der brasilianische Präsident am 7. Juli.
Angesprochen auf das umstrittene Öl-Explorationsgesetz gibt sich der designierte Präsident der UN-Klimakonferenz, André Correa do Lago, im DW-Interview pragmatisch. Jedes Land müsse seinen eigenen Weg weg von Kohle, Öl und Gas selbst bestimmen.
"Brasilien ist fest davon überzeugt, dass wir einen Teil des Ölreichtums nutzen können, um den Übergang zu beschleunigen", sagt der brasilianische Diplomat. "Wir haben zwar keine perfekte Antwort, aber wir führen im Land eine sehr faire Debatte darüber, was wir mit dem Öl machen, das wir möglicherweise haben", so Correa do Lago.
AR/se (epd, efe, afp, dpa, DW)
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