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Waldschutzarmee auf Abwegen

Maryan Bartels D'Ávila/Christina Weise24. April 2013

Eigentlich sollte eine militärische Sondereinheit den Amazonas-Regenwald vor illegaler Abholzung schützen. Stattdessen aber bewacht sie den Bau eines neuen Wasserkraftwerks - zum Leidwesen der lokalen Bevölkerung.

Auf einem riesigen Floß werden abgeholzte Baumstämme abtransportiert (Foto: ANTONIO SCORZA/AFP/Getty Images)
Bild: ANTONIO SCORZA/AFP/Getty Images

Vor einem halben Jahr hatte die brasilianische Regierung angekündigt, endlich ernst zu machen und das "Waldgesetz" auch in den Landesteilen durchzusetzen, für die es gemacht wurde - in den Weiten des Amazonasgebietes. Die Minister für Umwelt und Justiz gründeten mit dem Kommandanten der Streitkräfte im Oktober 2012 die "Nationale Streitkraft für Umweltsicherheit". Ziel war es, das "Institut für Umwelt und natürliche, erneuerbare Ressourcen" (IBAMA) bei der Überwachung zu unterstützen und illegale Abholzung zu bekämpfen.

Seither stellen Luftwaffe, Marine und Heer bewaffnete Sondereinheiten, die Viehzüchter und Sojabauer hinter Gitter bringen sollen, die illegal den Regenwald roden. Doch anstatt die Natur zu beschützen, bewacht ein Teil der Waldschutztruppe nun den Bau neuer Wasserkraftwerke.

Schnelle Erfolge

Bereits einen Monat nachdem die Sondereinheit ins Leben gerufen wurde, hatte sie erste Erfolge vorzuweisen: Im November nahm sie drei Personen fest, die ohne Erlaubnis eine Fläche von 2,5 Quadratkilometern gerodet hatten. Seither habe das IBAMA mit Unterstützung der Waldsoldaten rund 20.000 Kubikmeter Holz, zahlreiche Geräte, darunter 110 Traktoren beschlagnahmt, meldet das brasilianische Justizministerium. Außerdem seien Geldstrafen in Höhe von mehr als einer halbe Milliarde Euro verhängt worden.

Mehr als 1700 Quadratkilometer Regenwald wurden seit Oktober 2012 zerstörtBild: picture-alliance/dpa

Auf der anderen Seite gibt das Nationale Institut für Weltraumforschung an, dass die Satellitenüberwachung des Regenwaldes zwischen August 2012 und Februar 2013 26 Prozent mehr als bedroht eingestuft hat als im selben Zeitraum ein Jahr zuvor. Luciano de Meneses Evaristo vom IBAMA relativiert die Daten: "Wenn dieses System baumfreie Flächen erkennt, bedeutet das nicht automatisch, dass sie tatsächlich gerodet wurden. In 50 Prozent der Fälle finden unsere Teams an den angegebenen Stellen Gewässer oder Berge."

Zum Wohl der Forschung

Die Effektivität der Sondereinheit ist trotzdem umstritten. Fest steht, dass sie nach anfänglichen Erfolgen nicht mehr ihre volle Aufmerksamkeit dem Waldschutz widmet. Derzeit steht ein Teil der Soldaten Forschern des IBAMA zur Seite, die die technische und wirtschaftliche Realisierbarkeit mehrerer Staudämme in der Region des Tapajós - einem der größten Nebenflüsse des Amazonas - prüfen.

Das Amazonasbecken weist die größte Biodiversität aller Weltregionen aufBild: picture alliance/WILDLIFE

Die genaue Zahl der abgestellten Soldaten gibt das Sekretariat für Nationale Sicherheit aus strategischen Gründen nicht preis. Schätzungen zufolge handelt es sich um rund 240 Männer.

Staudämme haben Priorität

Kritiker sehen darin einen krassen Widerspruch zur eigentlichen Aufgabe der Umweltstreitkraft: "Mit dem nächsten geplanten Staudamm werden rund 200 Quadratkilometer Land überschwemmt werden", befürchtet Brent Millikan, Direktor der Nichtregierungsorganisation International Rivers. Das entspräche etwa der Fläche der Stadt Essen. Mehr als 1700 Quadratkilometer Regenwald wurden seit Oktober 2012 zerstört.

Die neuen Wasserkraftwerke am Tapajós gehören zum "Programm zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums" der brasilianischen Regierung. In den zuständigen Ministerien genießt es Priorität vor dem Umweltschutz, sagen die Kritiker. Bei der Staatsanwaltschaft allerdings nicht. Die reichte nämlich eine Klage gegen den Bau der Wasserkraftwerke ein. Doch die Regierung legte erfolgreich Berufung ein, sodass die Staudamm-Projekte nun fortgesetzt werden.

Krieg der Indigenen?

Strittig ist auch, warum die Forscher überhaupt beschützt werden müssen. Die Regierung gibt an, sie seien von Indigenen attackiert worden. Luciano de Meneses Evaristo von IBAMA meint, die Indigenen seien verwirrt, verstünden weder das Projekt, noch die Männer, die es verteidigen, und würden deshalb aggressiv handeln.

Monatelang protestierten Indigene 2011 in Brasilien gegen den Staudamm Belo MonteBild: AP

Der Leiter des Amazonas-Programms der Umweltschutzorganisation "International Rivers", Brent Millikan, stellt den Sachverhalt anders dar: Die Indigenen seien über das ganze Projekt gar nicht informiert gewesen. "Und als sie versuchten, mit den Forschern zu sprechen, töteten schwerbewaffnete Polizisten einen von ihnen." Nun hätten die Indigenen in einem Brief an die Regierung um den Rückzug der Soldaten und Forscher gebeten. "Sie schrieben, sie wollen keinen Krieg", so der Aktivist, "aber wenn die Regierung weiterhin in ihr Land eindringe, werde es Krieg geben."

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