Braucht es Europa für ein Ukraine-Friedensabkommen?
13. August 2025
Die Gemüter in Brüssel und den europäischen Hauptstädten dürften sich in der Zwischenzeit etwas beruhigt haben. Nachdem das für Freitag geplante Treffen zwischen US-Präsident Donald Trump und seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin in Alaska bekannt wurde, begann sofort die Kommunikation zwischen den USA und europäischen Staats- und Regierungschefs.
Nach einem ersten Gespräch der Europäer am Wochenende mit US-Vizepräsident J.D. Vance soll es auf Initiative des deutschen Bundeskanzlers Friedrich Merz am Mittwoch Beratungen europäischer Staats- und Regierungschefs mit Wolodymyr Selenskyj und Trump geben.
Auch kündigte Trump an, dass bei dem Treffen kein Friedensabkommen zu erwarten sei. Außerdem erklärte der amerikanische Präsident, dass er nach dem Treffen seine europäischen Amtskollegen und Selenskyj informieren werde. Zudem solle es zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Treffen zwischen Selenskyj und Putin kommen.
Eine Sorge in Brüssel ist, dass die Ukraine zu Abtretungen von durch Russland besetzte Gebiete gezwungen wird. Ein "gerechter und anhaltender Frieden" müsse internationales Recht, wie etwa die territoriale Unversehrtheit der Ukraine, achten und sicherstellen dass Grenzen nicht durch Gewalt verändert werden können, erklärten die EU-Staats- und Regierungschefs am Dienstag. Ungarn schloss sich der Erklärung nicht an.
Doch wie viel Einfluss haben die EU-Staaten, samt ihrer Verbündeter wie Großbritannien und Norwegen - und in welchen Bereichen werden sie für einen möglichen Friedensdeal gebraucht?
Die Sicherheit der Ukraine als Frage europäischer Sicherheit
"Europas Sicherheitsarchitektur kann nicht diskutiert werden, ohne dass Europa mit am Tisch sitzt", sagt Tinatin Akhvlediani der DW. Mit Europa meint die Politikanalystin, die am Centre for European Policy Studies (CEPS) forscht, auch die Ukraine.
Während die EU-Staats- und Regierungschefs sich in ihrer Erklärung vom Dienstag bemühen, den USA ihre Unterstützung zuzusichern, kommt dieser Gedanke doch deutlich zum Tragen. So habe der russische Angriffskrieg weitreichende Auswirkungen für Europa und die internationale Sicherheit. Auch die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas sprach davon, dass Europas Kerninteressen auf dem Spiel stünden.
Das Interesse am Schicksal der Ukraine liege nicht nur an der geografischen Nähe, so Akhvlediani - mit Polen, der Slowakei, Ungarn und Rumänien grenzen vier EU-Länder an die Ukraine - sondern die Ukraine kämpfe auch für EU-Werte.
Gleichzeitig gilt in der EU der Konsens, dass Putin in der Ukraine nicht erfolgreich sein dürfe - auch, um weiteren Gebietsansprüchen, etwa auf EU-Territorium, einen Riegel vorzuschieben.
Europa ist derzeit stärkster Ukraine-Unterstützer
Derzeit sei Europa "der entscheidende Partner für die Ukraine". Dies liege auch daran, dass es substanzielle finanzielle Hilfen zum ukrainischen Haushalt beisteuere, sagt die Volkswirtin Elina Ribakova im Gespräch mit der DW.
Laut dem Ukraine-Support-Tracker des Kieler Weltwirtschaftsinstituts handelt es sich bei Europa (EU-Staaten sowie Island, Schweiz, Norwegen und das Vereinigte Königreich) um den größten Geldgeber sogenannter Regierungshilfen an die Ukraine. Auch bei Militärhilfe, die unmittelbar durch die Waffenindustrie abgewickelt werde, habe Europa die USA überholt.
Die Einflussmöglichkeiten, die sich für die europäischen Staaten daraus ergeben, sind allerdings beschränkt. Denn die USA versorgten die Ukraine mit militärischem Know-how, das derzeit nicht ersetzbar sei, sagt Tinatin Akhvlediani. Genau diese Karte spiele Trump aus, wenn er sich alleine mit Putin treffe, so die Politikanalystin.
Wer wird einen Friedensdeal absichern?
Eine der großen Fragen, die mit einem möglichen Friedensdeal einhergehen, ist, welche Sicherheitsgarantien man der Ukraine geben könnte. In der Vergangenheit hatten einige Staaten, wie Frankreich und das Vereinigte Königreich, signalisiert, dass sie bereit seien, Friedenstruppen in die Ukraine zu schicken. Im Juli sprach der französische Präsident Emmanuel Macron von "bis zu 50.000 Soldaten" und der britische Premier Keir Starmer von einer "Koalition der Willigen", welcher 30 europäische Staaten angehörten, wie die Nachrichtenagentur AFP berichtete.
Am Dienstag erklärten die EU-Staats- und Regierungschefs, dass eine verteidigungsfähige Ukraine Bestandteil zukünftiger Sicherheitsgarantien sei. Auch würden die EU und die Mitgliedstaaten - entsprechend ihrer Fähigkeiten - weiter zu Sicherheitsgarantien beitragen. Dieses Thema soll auch bei dem Telefonat am Mittwoch besprochen werden.
Die glaubwürdigste Sicherheitsgarantie, einen Beitritt der Ukraine zur NATO, hält Politikanalystin Akhvlediani für ausgeschlossen. Auch könne die EU als Institution keine Sicherheitsgarantien bereitstellen. Den gangbarsten Weg sieht Akhvlediani darin, dass einzelne Staaten oder eine "Koalition der Willigen" die Sicherheit der Ukraine garantieren.
Europa als Garant für Stabilität
Auch wenn es einen echten Friedensplan geben sollte, werde die Ukraine aufgrund ihres großen Außenhandels- und Haushaltsdefizits für den Wiederaufbau weiter auf Hilfe angewiesen sein, sagt Ribakova, die unter anderem an der Kyjiw School of Economics und bei der Bruegel Denkfabrik tätig ist.
Insbesondere brauche das Land weiterhin eine starke Armee und Waffenproduktion, um Russland von einem erneuten Einmarsch abzuhalten. Mit einer solchen glaubhaften Abschreckung hält Ribakova eine boomende Wirtschaft in der Ukraine für wahrscheinlich. Dies würde auch zu mehr ausländischen Direktinvestitionen in der Ukraine führen, sagt die Volkswirtin. Ribakova hält eine solche Entwicklung nur in Zusammenarbeit mit den Europäern für möglich, da die USA auf sich und eine Annäherung an Russland fokussiert seien.
Auch ein möglicher Beitritt der Ukraine zur EU dürfte auf lange Sicht zu wirtschaftlicher Stabilität in der Ukraine führen. Derzeit laufen Beitrittsverhandlungen, deren Fortschritt allerdings durch Ungarn blockiert wird.
Europa hat einen gewissen wirtschaftlichen Einfluss auf Russland
Gegen Russland sind mehrere Sanktionspakete der EU in Kraft. Am Montag kündigte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas ein 19. Paket an. Auch wenn die Sanktionen nicht hundertprozentig effektiv seien, hätten sie wichtige Auswirkungen auf die russische Volkswirtschaft, sagt Volkswirtin Ribakova.
Als besonders groß schätzt sie den Einfluss Europas im Bereich Gas- und Energie ein. In der Vergangenheit sei Europa der Hauptabnehmer dieser Erzeugnisse gewesen. Diese nun nach Indien oder China zu verschiffen, sei schwieriger für Russland. Gleichzeitig beobachtet die Politikanalystin, dass man zwar das Tempo der wirtschaftlichen Kriegführung erhöhen könnte, Russland aber bereit zu sein scheine, viele Einschränkungen in Kauf zu nehmen, um seine geostrategischen Ziele zu erreichen.