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Gibt es da was gegen Homöopathie?

Brigitte Osterath
16. Juli 2018

Homöopathie wirkt, sagen ihre Anhänger. Homöopathie ist absurd und schlicht Betrug, sagen Wissenschaftler. Sie wollen die Menschen von den Zuckerkügelchen abbringen. Doch dafür braucht es mehr als ein paar Studien.

Homoeopathie - Globuli
Bild: picture-alliance/dpa/F.Gabbert

Dan Larhammar hält mit der einen Hand eine Flasche Orangensaft, mit der anderen eine Flasche Tafelwasser in die Luft. "Sie glauben, das hier seien ein Orangensaft und ein Wasser?", fragt der Professor für molekulare Zellbiologie und Präsident der Königlich-Schwedischen Akademie der Wissenschaften seine Zuhörer. "Nein, das sind zwei Orangensäfte! Der eine ist lediglich nach den Vorschriften des homöopathischen Zubereitungsverfahrens immer weiter verdünnt worden." Wissenschaftler kritisieren, dass hochpotenzierte homöopathische Mittel so weit verdünnt sind, dass nicht mal mehr ein einziges Molekül der Ursprungssubstanz nachweisbar ist.

Würde jemand versuchen, dieses Wasser - "und das ist es nun mal: Wasser" - als Orangensaft im Supermarkt zu verkaufen, würde er ein Betrüger genannt, fährt Larhammar fort. "Doch wenn jemand genau dasselbe mit Kräutermischungen macht und sie als homöopathische Arzneimittel auf den Markt bringt, dann ist das erlaubt."

Dan Larhammar von der Königlich-Schwedischen Akademie der Wissenschaften demonstriert den Verdünnungseffekt der Homöopathie - mit Orangensaft und Wasser Bild: DW/Rainer Dückerhoff

Auf der Wissenschaftskonferenz EuroScience Open Forum (ESOF 2018) im französischen Toulouse diskutieren Forscher und wissenschaftliche Berater wie Dan Larhammar darüber, wie man der Pseudowissenschaft der Homöopathie Einhalt gebieten kann. Denn was in vielen Fällen nur ein paar harmlose Zuckerkügelchen sind, sind bei anderen Patienten gefährliche Scheinmedikamente - nämlich dann, wenn sie anstelle von tatsächlich wirksamen Mitteln eingenommen werden.

Das passiert beispielsweise in einigen Schwellenländern, wo homöopathische Mittel oft billiger sind als evidenzbasierte Medikamente, sagt Dan Larhammar im DW-Interview. "Die Verwendung von homöopathischen Mitteln steigt seit einigen Jahren in Indien und Brasilien, einfach, weil die Menschen dort arm sind und sich keine richtigen Medikamente leisten können. Das ist unethisch."

Homöopathie boomt

Wissenschaftliche Studien haben nach wie vor keinen einzigen Hinweis darauf gefunden, dass Homöopathie wirkt - wie ihre Anhänger so inbrünstig behaupten. Das australische National Health and Medical Research Council prüfte 57 wissenschaftliche Abhandlungen über 176 Studien zu Homöopathie und befand, dass Homöopathie gegen genau 0 der 68 genannten Krankheiten wirksam war.

Eine der Sessions auf der Wissenschaftskonferenz ESOF 2018 in Toulouse: "Homeopathy: the need for robust evidence to inform consumer choice" Bild: DW/Rainer Dückerhoff

In Toulouse nennen die Forscher die Homöopathie "die absurdeste von allen alternativen Methoden der Medizin". Selbst das Konzept, wie die bis zur molekularen Unkenntlichkeit verdünnten Mittel wirken sollen - nämlich über das Gedächtnis des Wassers - ist für Wissenschaftler absolut unplausibel. Robin Fears, Direktor des European Academies Science Advisory Council (EASAC) sagt: "Ja, Wasser hat tatsächlich ein Gedächtnis, aber das hält nur den Bruchteil einer Nanosekunde an und wirkt über Bruchteile eines Nanometers." Die EASAC ist ein Zusammenschluss nationaler Wissenschaftsakademien in der EU. Sie veröffentlichte im letzten Jahr ein Statement, dass die therapeutische Wirksamkeit von homöopathischen Mitteln allein auf dem Placebo-Effekt beruhe. "Würde ein Forscher die Wirksamkeit der Homöopathie nachweisen, würde er oder sie nicht nur für einen, sondern gleich für drei Nobelpreise nominiert", sagt Larhammar.

Trotzdem schlucken die Menschen fleißig ihre Globuli und geben sie ihren Hunden und Pferden - zur großen Freude der Unternehmen, die die Produkte verkaufen. Der Markt für homöopathische Produkte in der Europäischen Union wird auf eine Milliarde Euro geschätzt und wächst jedes Jahr um sechs Prozent. Vor allem in Deutschland ist Homöopathie beliebt: Eine Umfrage des European Social Survey aus dem Jahr 2014 fand, dass zwölf Prozent der Befragten in den letzten zwölf Monaten homöopathische Mittel genommen hatten. In Großbritannien hingegen waren es nur etwas über ein Prozent.

Gerne machen Homöopathie-Anhänger die Pharmaindustrie für den schlechten wissenschaftlichen Ruf der Homöopathie verantwortlich. Sie wollten die Branche totreden, um ihre eigenen Produkte besser dastehen zu lassen. "Viele Menschen haben ein Problem mit Big Pharma, und ja, sie verhalten sich nicht immer so, wie wir es gerne hätten", sagt Larhammar. "Aber ich mache mir noch viel mehr Sorgen über Unternehmen, die homöopathische Mittel auf den Markt bringen, die durch und durch unsinnig sind." Pharmaunternehmen würden immerhin einen Teil ihres Gewinns in die Forschung nach neuen Medikamenten investieren, sagt Larhammar. "Diese Homöopathie-Firmen hingegen forschen so gut wie gar nicht, sie nehmen ihre Gewinne und stecken sie in ihre eigene Tasche."

Überzeugender Placebo-Effekt

Wer mit Homöopathie-Anhängern spricht, merkt schnell: Mit wissenschaftlichen Studien kann man ihnen nicht kommen. "Homöopathie wirkt anders", versichern sie. Wissenschaftliche Studien könnten gar keine positiven Ergebnisse erzielen, da jeder Mensch und jedes Tier nun mal anders sind. Bestimmte Mittel wirkten nur bei bestimmten Individuen, und es liege an der Fähigkeit des Homöopathen im Kontakt mit den Patienten herauszufinden, welches Mittel in einem bestimmten Fall gerade das Richtige ist.

Klingt ein bisschen nach Magie - aber, wie Thierry Courvoisier von EASAC auf dem Euroscience Open Forum sagt: "Wir leben nun mal in einer Welt, wo die Menschen dazu tendieren, alles Mögliche zu glauben."

Solchem Irrglauben könne man nur mit mehr Information beikommen, glauben die Experten in Toulouse. Viele Menschen, die Homöopathie benutzen, wüssten gar nicht, dass sie auf dem Konzept der Verdünnung basiere. Wenn man ihnen und vor allem auch den Ärzten erkläre, warum die Mittel gar nicht wirken können, würde das schon vieles ändern, sind sich die Experten einig.

Manon Knapen, Doktorandin für Wissenschaftskommunikation an der Universität Otago in Neuseeland ist aufgrund ihrer eigenen Forschung skeptisch. Sie hat mit vielen Menschen gesprochen, die homöopathische Mittel benutzen, und weiß: "Diese Menschen schätzen wissenschaftliche Beweise nicht. Sie selbst haben diese Mittel als wirksam wahrgenommen, bei sich oder ihren Freunden. Wenn Wissenschaftler ihnen immer wieder sagen, dass die Mittel nicht helfen, dann hören sie einfach nicht weiter zu." Anhänger argumentierten, dass die Wissenschaft einfach noch nicht so weit sei, den Nachweis zu erbringen. Und immerhin benutze man diese Mittel schon seit über hundert Jahren - sie müssten also wirken.

Knapen weiß, dass der Placebo-Effekt sehr überzeugend sein kann. Der existiert übrigens auch bei Tieren. Denn wer seinem Pferd teure Globulis verabreicht, kann nicht mehr objektiv beurteilen, ob es ihm danach besser geht oder nicht. Er sieht das, was er sehen will. Und oft wäre das Leiden auch ohne Medikament wieder verschwunden - aber das kann der Tierhalter ja nicht wissen.

Noch mehr Artikel über die Unwirksamkeit von Homöopathie zu veröffentlichen, werde jedenfalls nicht helfen, sagt Knapen. "Wir brauchen andere Methoden der Wissenschaftskommunikation, um diese Menschen zu erreichen."

"Homöopathische Produkte dürfen nicht Arzneimittel heißen"

Wo die Kraft der Information endet, soll der Gesetzgeber ran: Die Forscher fordern, die Gesetze in der EU zu ändern. Wasser und Zuckerpillen als Arzneimittel zu verkaufen, ist für Larhammar schlichtweg Betrug am Konsumenten, sagt er.

Allen voran fordert Larhammar, dass homöopathische Mittel nicht mehr Arzneimittel genannt werden dürfen. "Wir würden keine zu Wasser verdünnte Milch in den Supermärkten akzeptieren, aber etwas darf als Arzneimittel bezeichnet werden, nur weil es zu medizinischen Zwecken vorgesehen ist - das ist absurd."

Umstrittene Kügelchen - wie homöopathische Arzneien hergestellt werden

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Die Wissenschaftler fordern zudem eine ehrliche und faire Etikettierung solcher Produkte. Es muss draufstehen, was drin ist - und wenn das nachweisbar nur Wasser und Zucker ist, dann eben auch das.

"Wofür wir uns aussprechen, ist ein gleicher Nachweisstandard für alle", sagt Robin Fears. Wenn für eine spezifische homöopathische Zubereitung ein Nachweis gefunden werde, dann solle man das Produkt selbstverständlich in der üblichen Weise zulassen können dürfen. "Aber ich verstehe nicht, warum es unterschiedliche Nachweisstandards gibt, je nachdem wie ich mein Produkt nenne" - ob Medikament oder homöopathisches Arzneimittel.

Aber Dan Larhammar weiß, dass es nicht einfach werden wird, solche Gesetzesänderungen durchzusetzen. Das liege auch an den Unternehmen, die homöopathische Mittel herstellen. "Deren Lobbyisten in Brüssel sind sehr gut organisiert ", sagt Larhammar. Denn auch wenn Homöopathie-Anhänger das nicht wahrhaben wollen: Auch diese Unternehmen sind nur Unternehmen und wollen Geld machen. Mehr nicht.

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