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Österreich: Was tun mit Hitlers Geburtshaus in Braunau?

1. Oktober 2023

In Hitlers Geburtshaus in Braunau soll die Polizei einziehen. Die Debatte darüber spaltet die Österreicher: Was tun mit dem historisch belasteten Gebäude?

Geburtshaus von Adolf Hitler in Braunau am Inn
Adolf Hitlers Geburtshaus in Braunau am InnBild: BARBARA GINDL/APA/picture alliance

Das unscheinbare, biedermeierliche Steinhaus mit der Adresse Salzburger Vorstadt 15 ist in freundlichem Beige gestrichen. Eisengitter versperren die Fenster im Erdgeschoss. Eine Bushaltestelle fällt ins Auge, daneben ein hüfthoher Gedenkstein aus Granit. "Für Frieden, Freiheit und Demokratie, Nie wieder Faschismus, Millionen Tote mahnen", lautet die eingemeißelte Inschrift. In diesem Haus wurde Adolf Hitler geboren, der Diktator des Dritten Reiches.

Das allein macht es zu einem besonderen Haus und Braunau am Inn zu einer besonderen Stadt. Auch 78 Jahre nach Hitlers Selbstmord im Bunker der Berliner Reichskanzlei, mit der er sich kurz vor der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht jeder Verantwortung entzog - gibt es weiter Diskussionen um die Nutzung seines Geburtshauses. Die Republik Österreich, inzwischen Eigentümerin, schlägt sich mit dem ungeliebten Objekt herum. Man möchte die Neonazi-Pilgerstätte endlich loswerden. Deshalb soll jetzt eine Polizeistation darin unterkommen. Doch dagegen regt sich Widerstand.

"Das völlig falsche Signal"

"Ein Umbau zur Polizeistation ist das völlig falsche Signal", sagt der Filmemacher Günter Schwaiger, "ein Schlag ins Gesicht der Opfer". Der 58-Jährige hat einen vielbeachteten Dokumentarfilm über Hitlers Geburtsort gedreht. Sein Titel: "Wer hat Angst vor Braunau?" 

Szene aus dem Dokumentarfilm "Wer hat Angst vor Braunau?" - Der Filmemacher Günter Schwaiger (r) spricht mit dem Historiker Florian KotankoBild: Dim Dim Film / Günter Schwaiger

Seit Anfang September läuft der Film, in den Schwaiger fünf Jahre Arbeit gesteckt hat, in den Kinos der Alpenrepublik, Ende Oktober auch auf den Hofer Filmtagen in Deutschland. "Braunau ist keine braune Stadt", sagt Schwaiger im DW-Gespräch, "ganz im Gegenteil!" Dass Hitler hier geboren wurde, zwinge die Menschen mehr als anderswo dazu, sich der Vergangenheit zu stellen. "Man braucht keine Angst vor Braunau zu haben und schon gar nicht vor den Menschen", sagt der Filmemacher.

Unterdessen läuft die "Bürgerinitiative Diskurs Hitlerhaus" Sturm gegen die Pläne des österreichischen Innenministeriums. "Die Symbolwirkung wäre katastrophal", sagt die Sprecherin Eveline Doll zur DW. Die Polizei habe in der Nazizeit eine fragwürdige Rolle gespielt. "Außerdem gibt es viele gute Ideen und Vorschläge, wie man dieses Haus intelligent und zeitgeschichtlich verantwortungsvoll nutzen könnte."

Kommission sucht "historisch korrekte Lösung"

Die Suche nach "geeigneter" Verwendung reicht lange zurück. Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938 erwarb die Nazipartei NSDAP das Geburtshaus ihres "Führers" und richtete ein Kulturzentrum ein. Nach dem Krieg fiel es an die Alteigentümer zurück. Der Staat wurde Mieter, fortan diente es mal als Bibliothek, mal als Schule, zuletzt als Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Seit 2011 steht Hitlers Geburtshaus leer. 2016 hat es die Republik Österreich aus Privatbesitz enteignet - um die Vereinnahmung durch Neonazis zu verhindern.

Die Wanderausstellung "Die Gerechten" könnte in Adolf Hitlers Geburtshaus dauerhaft einziehen Bild: Verein der Freunde Yad Vashems

Doch was tun damit? Das Land setzte eine "Kommission zum historisch korrekten Umgang mit dem Geburtshaus Adolf Hitlers" ein. In ihrem Abschlussbericht hielt die Kommission, der auch Historiker und Politiker angehörten, fest: "Führermythos und Führerkult gehörten und gehören zum Kernbestand der Narration über Hitler." Wichtig sei es, "die Symbolik des Ortes zu durchbrechen", und zwar entweder durch eine "sozial-karitative oder eine behördlich-administrative Nutzung". Von "edukativen Projekten und zeitgeschichtlichen Ausstellungen" wurde  abgeraten.

"Kein Pilgerort für Nazis"

"Es ging immer darum, dass dieses Haus kein Pilgerort für Nazis wird", erklärt Oskar Deutsch, der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien und ebenfalls Kommissionsmitglied. Er hätte sich auch andere Nutzungen vorstellen können, so Deutsch auf DW-Anfrage. Festzuhalten sei aber, "dass hier eine Polizeistation eines demokratischen Rechtsstaates vorgesehen ist, deren Aufgabe es unter anderem ist, gegen nationalsozialistische Wiederbetätigung vorzugehen". Dieses Ziel teilten schließlich alle Beteiligten.

Im März ließ die "Bürgerinitiative Diskurs Hitlerhaus" 1000 Österreicherinnen und Österreicher durch das Linzer Market-Institut befragen. Mehr als die Hälfte (52 Prozent) befürworteten die Schaffung einer "Einrichtung, die sich thematisch mit Nationalsozialismus, Gedenken, Antifaschismus, Toleranz und Frieden auseinandersetzt", 23 Prozent sprachen sich für den Abriss, nur sechs Prozent für den Einzug der Polizei aus.

Kurz vor dem Umbau zur Polizeistation - das Geburtshaus von Adolf Hitler in Braunau am InnBild: Ernst Weingartner/CHROMORANGE/picture alliance

Ein Ass hat Eveline Doll, die Sprecherin der Bürgerinitiative, noch im Ärmel: Der Wiener Verein "Österreichische Freunde von Yad Vashem" sollte die Wanderausstellung "Die Gerechten - Courage ist eine Frage der Entscheidung" dauerhaft in Hitlers Geburtshaus zeigen. Die 400 Quadratmeter umfassende Schau erinnert an mutige nichtjüdische Menschen, die während des Holocaust ihr Leben riskierten, um Jüdinnen und Juden zu retten. Zuletzt war die Ausstellung im Museum Niederösterreich in St. Pölten zu sehen. "Diese Idee ist eine Diskussionsgrundlage", sagt Vereinssprecher Georg Schuster eher vorsichtig, "wenn sich der Vorschlag nicht durchsetzt, ist das ok."

So steht dem 20 Millionen Euro teuren Umbau zur Polizeistation offenbar nichts mehr im Wege. Auch ein Schulungsraum ist vorgesehen, in dem Polizisten über Menschenrechte aufgeklärt werden. Anfang Oktober rücken die Bauarbeiter an. Die Diskussion über Hitlers Geburtshaus in Braunau aber dürfte weitergehen.

Hitlers Geburtshaus wird Polizeiwache

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