Die Demonstrationen und Blockaden in Nordrhein-Westfalen für einen Ausstieg aus der Kohleenergie erreichten einen neuen Höhepunkt. Zentrum der Proteste war der Tagebau Hambach.
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Sie alle fordern einen schnellen Ausstieg aus der Kohleförderung in Deutschland, eine "Rote Linie gegen Braunkohle". Der Protest tausender Klimaschützer am Tagebau Hambach wurde am Samstag fortgesetzt und war nach euphorischen Berichten der Organisatoren die "größte Demonstration aller Zeiten gegen die Braunkohle im rheinischen Revier".
Federführend sind der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Greenpeace Deutschland und die Klima-Allianz Deutschland, ein Zusammenschluss von über 100 Umwelt- und Klimaschutzinitiativen und kirchlichen Gruppen. Und bei den Kundgebungen gab es zu den momentanen Wahlkampfzeiten auch wieder einmal Unterstützung von mehreren Spitzenpolitikern der Grünen.
Widerstand meist friedlich
Größte Aktion der mehrtägigen Kampagne war eine Menschenkette mit schätzungsweise 4000 Teilnehmern im rheinischen Tagebaugebiet. "Klimaschutz wird zur Makulatur, wenn Kohlekraftwerke ungedrosselt weiter laufen", erklärte BUND-Vorsitzender Hubert Weiger. Die Organisatoren wollten sich mit der Aktion auch schützend vor den von Abholzung bedrohten Hambacher Wald und die von Umsiedlung betroffenen Dörfer im Tagebaugebiet stellen. Ihr Motto lautete: "Bis hierhin und nicht weiter."
Nur vereinzelt kam es zu gewaltsamen Protesten. So wurde aus dem Hambacher Wald heraus ein Mannschaftswagen der Polizei mit Schleudern und Feuerwerkskörpern beschossen. Nach Polizeiangaben wurde niemand verletzt. In der Vergangenheit war es im Konflikt immer wieder zu Angriffen auf Beschäftigte des Energiekonzerns RWE und auf Polizeibeamte gekommen.
Wie das Aktionsbündnis "Ende Gelände" mitteilte, hatte in den frühen Morgenstunden eine Gruppe die RWE-Werksbahn am Tagebau Hambach blockiert. Nach Polizeiangaben befanden sich insgesamt sechs Demonstranten im Gleisbett. Während zwei Teilnehmer freiwillig abgezogen seien, seien vier weitere von den Schienen getragen worden.
Strafanzeigen
Zwei von ihnen seien durch eine mit zementartiger Masse gefüllte Blechtonne miteinander verbunden gewesen. Die Polizei nahm die sechs Demonstranten in Gewahrsam und stellte Strafanzeige wegen Verdachts des gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr. Die Bahngleise konnten nach gut drei Stunden wieder freigegeben werden.
Weiger forderte, dass der Kohleausstieg "ganz oben auf die Agenda der nächsten Bundesregierung" müsse. Nur so seien auch die Landesregierungen in den Braunkohle-Ländern zu stoppen, "die mit ihrer Pro-Kohle-Agenda die deutsche Klimapolitik sabotieren". Nordrhein-Westfalen etwa dürfe nur höchstens ein Viertel der vorgesehenen Braunkohlemengen abbauen, sonst seien die internationalen Klimaschutz-Verpflichtungen Deutschlands nicht zu halten, fügte der BUND-Chef hinzu.
Klimaaktivisten und Umweltschützer demonstrieren seit Donnerstag im Braunkohlerevier zwischen Aachen, Mönchengladbach und Köln für ein Ende der Kohleförderung. Der Energiekonzern RWE betreibt dort die Tagebaue Garzweiler, Hambach und Inden. Die abgebaute Braunkohle wird in benachbarten Kraftwerken zur Stromerzeugung verfeuert.
SC/as (epd, afp, dpa)
Protest gegen Braunkohle im Rheinland
Das meiste CO2 pustet in Europa das Rheinland in die Luft. Der Hauptgrund ist die Verstromung von Braunkohle. Rund 250.000 Tonnen pro Tag werden dort verbrannt. Für den Klimaschutz fordern immer mehr Bürger einen Stopp.
Bild: REUTERS/T. Schmuelgen
Ruf nach Kohleausstieg
Rund 3000 Klimaschützer demonstrieren hier am Braunkohletagebau Hambach für den schnellen Kohleausstieg. Nur so kann Deutschland seine internationalen Klimaverpflichtungen erfüllen, sagen die Umweltschützer.
Bild: REUTERS/T. Schmuelgen
Rote Linie gegen Zerstörung
Auf der ehemaligen Autobahn A 4 zwischen Köln und Aachen bilden sie eine Menschenkette. Bald sollen auch hier die Bagger nach Braunkohle graben. Weiter würde dann der Wald abgeholzt und das anliegende Dorf Manheim zerstört. Zudem würde noch mehr CO2 freigesetzt. Immer mehr Menschen fordern den Stopp dieser Politik.
Bild: DW/G. Rueter
Opposition fordert zügigen Kohleausstieg
Der Ausstieg aus der Kohle soll sozial und gerecht gestaltet werden, fordern führende Politiker der oppositionellen Linkspartei, die sich an der Menschenkette beteiligen. Sie werben für eine Zukunft ohne Braunkohle. Auch Spitzenpolitiker der Grünen beteiligen sich an den Protesten. Andere Parteien sind dort indes nicht zu sehen.
Bild: DW/G. Rueter
Aktivisten im Tagebau
Junge Umwelt-Aktivisten dringen auch in die Tagebaue ein und blockieren dort Anlagen. Sie wollen der Klimaerwärmung nicht mehr tatenlos zusehen und den Betrieb selber stoppen weil die Politik beim Klimaschutz versagt, sagen sie.
Bild: M. Goldschmidt
Gleise besetzt
Die Umweltschützer besetzen auch Gleise des Tagebaubetreibers und Stromerzeugers RWE. Über diese rollen Kohlezüge von den Tagebauen in die umliegenden Kraftwerke. RWE stellt Strafanzeigen. Weil der Klimawandel Leben zerstöre sei ihr Handeln legitim, argumentieren hingegen die Aktivisten.
Bild: Reuters
Kraftwerke werden gedrosselt
In Kleingruppen waren am letzten Wochende im August rund 2000 Aktivisten unterwegs und blockierten an vielen Stellen den Kohlenachschub. Die Kraftwerke verursachen zwölf Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland, viel Strom wird in die Nachbarländer exportiert. Die Kraftwerke mussten etwas gedrosselt werden.
Bild: DW/C. Winter
Protest mit gewaltfreien Aktionen
Die Aktivisten sehen sich in der Tradition von sozialen Bewegungen. Als Vorbild gilt die Anti-Rassismusbewegung in den USA um Rosa Parks und die indische Befreiungsbewegung um Mahatma Gandhi.
Bild: Reuters
Mehr als 1000 Polizisten im Einsatz
Die Polizei versucht das Eindringen in die Tagebaue und das Besetzen der Gleise zu verhindern. Dabei setzt die Polizei auch Pfefferspray und Schlagstöcke ein.
Bild: imago/T. Wagner
Strafverfahren und Verletzte
Bei den Einsätzen der Polizei werden viele Person verletzt. Die Polizei berichtet von sieben verletzten Beamten, die Aktivisten von mehren Hundert, davon mussten mindestens fünf mit Knochenbrüchen ins Krankenhaus. Aktivisten und neutrale Beobachter sprechen von einigen brutalen Polizeieinsätzen. Die Polizeileitung zeigt sich zufrieden, da sie viele Blockaden verhindern konnte.
Bild: imago/T. Wagner
Proteste hätte es schon früher gebraucht
Hier in Manheim am Rand vom Tagebau lebt diese Familie auf ihrem Bauernhof. Gegen ihren Willen mussten sie jetzt alles verkaufen. Bald ist hier ein tiefes Loch, ihre Heimat, ihr Boden ist weg, "viele Dorfbewohner haben schon resigniert", erzählt Stefan Leonhards. Starke Proteste hätte es schon vor Jahrzenten gebraucht.
Bild: DW/G. Rueter
Aufklären für den Klimaschutz
Die Proteste für den Kohleausstieg gehen weiter. Waldpädagoge Michael Zobel führt immer mehr Besucher an den Grubenrand und berichtet über die Zerstörung der Dörfer und Wälder. Viele Besucher kommen auch aus dem Ausland und zeigen sich über das Ausmaß entsetzt.
Bild: Elian Hadj-Hamdi
Schafft Deutschland den Klimaschutz?
Deutschland wird seine ehrgeizigen Klimaziele ohne Ausstieg aus der Braunkohle kaum erreichen können. Doch RWE will auf seine Einnahmen nicht freiwillig verzichten.Die nächsten UN-Klimaverhandlungen sind in Bonn nur wenige Kilometer von diesem Tagebau entfernt. Klimaschützer planen weitere Aktionen und hoffen auf internationale Aufmerksamkeit.