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Politik

"Bravo"-Rufe für Macron

15. Mai 2017

Hunderte Menschen bereiten dem neuen französischen Präsidenten in Berlin einen begeisterten Empfang. Beim Presseauftritt mit Kanzlerin Merkel wirbt er charmant, aber auch nachdrücklich für seine politischen Ideen.

Angela Merkel Emmanuel Macron Berlin
Bild: Reuters/P.Kopczynski

Um 17 Uhr 44 hat das Warten ein Ende. Die Wagen-Kolonne mit dem französischen Präsidenten erreicht das Kanzleramt. Emmanuel Macrons Limousine wird durch ein Spalier von rund 400 Schaulustigen gelotst. "Europa, jetzt geht's los!", skandieren Anhänger der Initiative "Pulse of Europe". Und für den Bruchteil einer Sekunde ist ein winkender Arm zu sehen.

Keine vier Minuten später winkt er wieder. Und alle können ihn nun in ganzer Größe hinter dem Gitterzaun des Kanzleramts sehen: Präsident Emmanuel Macron - an der Seite von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Applaus brandet auf, "Bravo"-Rufe sind zu hören. Dann heißt es Haltung zeigen, denn die "Marseillaise" ertönt zu Ehren des französischen Gastes. Manche Zaungäste singen die Nationalhymne sogar mit. Und ein junger Mann schickt den letzten Takten ein inbrünstiges "Vive la France!" hinterher.

Später, nach einem ersten Gespräch mit seiner Gastgeberin, wird Macron sagen, wie "bewegend" der herzliche Empfang in Berlin für ihn gewesen sei. Um im nächsten Moment - schon ganz Staatsmann - hinzuzufügen: "Der Enthusiasmus verpflichtet uns."

Macron spricht viel über Verpflichtungen

Uns? Macron meint damit zunächst sich und den von ihm am selben Tag ernannten neuen Regierungschef Edouard Philippe. Aber natürlich auch seine Bewegung "En marche", die ihre Politikfähigkeit erst noch beweisen muss. Und was ist mit Angela Merkel? Sie hört dem rechts von ihr stehenden Präsidenten aufmerksam zu und wird sich so ihre Gedanken machen, als ihr Gast immer wieder das Wörtchen "obliger" (deutsch: verpflichten) in den Mund nimmt. Dabei geht es stets um die Zukunft Europas. Dass sich der zerstrittene Kontinent, dass sich die Europäische Union seiner Stärken besinnt - diese Hoffnung projizieren Millionen Menschen auf Macron.

Im Namen der Freundschaft: pro-europäische Begrüßung für Macron vis-à-vis von Merkels Kanzleramt Bild: DW/M.Fürstenau

Merkel weiß, dass diese Hoffnungen nicht enttäuscht werden dürfen. Und sie weiß, dass es der französische Präsident wohl viel schwerer hat als sie selbst. Denn Macron will sein wirtschaftlich schwer angeschlagenes Land erst dahin führen, wo Deutschland schon lange ist: an die Spitze Europas. Dafür bedarf es mehr als freundliche Worte der Bundeskanzlerin wie: "Wir haben uns verabredet, vertrauensvoll, freundschaftlich, eng zusammenzuarbeiten zum Wohle der Menschen in unseren Ländern." Solche Sätze sind einerseits Routine, bedeuten im deutsch-französischen Verhältnis 2017 aber weit mehr. Das gilt auch für Macrons Erwiderung: "Ich werde ein offener, direkter und konstruktiver Partner sein."

In der Tradition von d'Estaing-Schmidt und Mitterand-Kohl

Als besonders konstruktiv in ihrem Sinne vernimmt Merkel dann die Absage Macrons an sogenannte Eurobonds, also die Vergemeinschaftung von Schulden innerhalb der EU. Vor seinem Besuch wurde ausgiebig darüber spekuliert, dass der französische Präsident entsprechende Pläne hegt. Sein Dementi ist also eine Art Gastgeschenk an Merkel und ihren Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der in den Augen seiner in- und ausländischen Kritiker der Haushaltskonsolidierung zu viel Gewicht verleiht.

Fingerzeig und Entschlossenheit: Angela Merkels Hand (r.) und Emmanuel Macrons Faust Bild: picture-alliance/dpa/M.Sohn

Für Differenzen ist an diesem Tag in Berlin kein Platz. Draußen scheint die Sonne, es ist sommerlich warm, jubelnde Europa-Befürworter säumen die Straße. Dieses Bild hat eine Symbolik, der sich Merkel und Macron sehr bewusst sind. Sie spüren nicht nur, sie wissen, dass etwas passieren muss in Europa. Ein Europa, geprägt von Männern wie Valéry Giscard d'Estaing und Helmut Schmidt, François Mitterand und Helmut Kohl. Französische Präsidenten und deutsche Kanzler, in deren Tradition sich Macron sieht, wie er bei seinem Antrittsbesuch in Berlin durchblicken lässt.

Neue Töne: "Keinerlei Tabu" beim EU-Vertrag

Um an Zeiten anzuknüpfen, als "Europa" vor allem in Osteuropa wie eine Verheißung klang, können sich Merkel und Macron auch Änderungen am EU-Vertrag vorstellen. "Keinerlei Tabu" gebe es für ihn, sagt der 39-Jährige. Auch Merkel zeigt sich offen. Zunächst aber wollen die beiden schnell einen Fahrplan für eine Reform der EU vorlegen. Effizienter soll sie vor allem werden. Was das konkret bedeutet, darüber verlieren die Deutsche und der Franzose bei ihrem ersten Treffen kein Wort. Aber sicherlich wird darüber im Juli geredet - auf einem bilateralen Ministertreffen.

Deutschlandkenner: Philippe EtienneBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Als wichtiger Ratgeber für solche und andere Begegnungen wird Macron ab sofort der bisherige französische Botschafter in Berlin, Philippe Etienne, zur Seite stehen. Der 61-Jährige wird diplomatischer Berater des neuen Präsidenten. Beim Antrittsbesuch seines Chefs im Kanzleramt ist er unter den aufmerksamen Zuhörern. Genügend Erfahrung bringt Etienne mit: Der Karriere-Diplomat war Mitte der 1980er Jahre in Bonn tätig, später viele Jahre in Brüssel. Eigentlich war Moskau als nächste Station vorgesehen, jetzt wird es der Elysée-Palast in Paris.

Ein Alt-Präsident in der Französischen Botschaft

Vielleicht hat Etienne für sein neues Amt und seinen neuen Präsidenten ja ein paar wertvolle Tipps von Giscard d'Estaing erhalten. Der frühere Präsident war in der vergangenen Woche zu Besuch in Berlin und wurde von Etienne in der Botschaft am Pariser Platz in Berlin empfangen. Ein gutes Omen für die künftigen deutsch-französischen Beziehungen? Welchen Spielraum Macron dabei haben wird, dürfte auch vom Ergebnis der Parlamentswahl im Juni anhängen. Kanzlerin Merkel wünscht ihrem Gast dafür zum Abschied eine "glückliche Hand". 

Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland
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