Kennern galt sie als herausragende Chansonnière, die in New York genauso wie in Mailand gastierte. Aber beim TV-Publikum wurde sie mit ihrer Kultrolle "Muddi" in "Adelheid und ihre Mörder" berühmt.
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Gisela May: Brecht-Star und Grande Dame des Chanson
Ob beim Singen von Chansons oder als "Mutter Courage" auf der Bühne des Berliner Ensembles - wo Gisela May auftrat, schaffte sie es, ihr Publikum zu begeistern. Nun ist sie im Alter von 92 Jahren gestorben.
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Sie wollte die Gesellschaft verändern
May hat den Zweiten Weltkrieg miterlebt, sie habe in Bombenkellern gesessen und ihre Mutter um den im Krieg "vermissten" Sohn weinen hören. Das habe ihre politische Haltung und die ungetrübte Hoffnung in die DDR ein Leben lang geprägt. Im DW-Interview sagte sie: "Wir glaubten einfach, eine Alternative zu finden zu einem Kapitalismus, von dem wir glaubten, dass dieser immer Kriege auslöst."
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Chansonsängerin & sozialistische Nachtigall
May bekannte sich klar zum Sozialismus und der DDR. Dort wurde sie als "Botschafterin des Chansons" bekannt. Im Westen machte eher der Begriff der "sozialistischen Nachtigall" die Runde. Im DW-Interview betonte sie 1994, sie habe die Teilung Deutschlands durch den Bau der Mauer stets als "schlimme Notwendigkeit" empfunden. Das Foto zeigt May im Studentenkeller "Zur Rosen" in Jena.
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Die First Lady des politischen Songs
Ihren ersten Brecht-Abend feierte Gisela May 1959 am Piccolo Teatro in Mailand. Ein Auftritt, der ihr Leben prägen sollte. Als Interpretin von Liedern von Bertolt Brecht und Kurt Weill wurde May international berühmt, tourte durch Europa, die USA, Kanada und Australien. Mit Texten von Kurt Tucholsky und Erich Kästner sang sich May zur First Lady des politischen Songs.
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Von "Mutter Courage" bis "Hello, Dolly"
Ihre wichtigste Bühnenrolle war die "Mutter Courage" in Bertolt Brechts gleichnamigem Stück. Neben klassischen Schauspielrollen übernahm May oft auch Engagements bei rein unterhaltsamen Produktionen. Beispielsweise brillierte sie in den 1970er Jahren im Ost-Berliner Metropoltheater, dem heutigen Admiralspalast, als Hauptdarstellerin im Musical "Hello, Dolly!".
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"Ist recht, Muddi."
Erfolge vor der Kamera verbuchte May vor allem nach der Wiedervereinigung. Populär wurde sie mit der über 14 Jahre im deutschen TV ausgestrahlten Krimiserie "Adelheid und ihre Mörder", in der May die Mutter der Hauptfigur spielte. Kultcharakter erreichte ein Dauerdialog zwischen Tochter Adelheid (gespielt von Evelyn Hamann) und ihr: "Sag doch nicht immer Muddi zu mir!" - "Ist recht, Muddi."
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Die Schauspielerin und Sängerin Gisela May ist tot. Sie starb am frühen Freitagmorgen im Alter von 92 Jahren in Berlin, wie das Berliner Ensemble (BE) mitteilte. "Für mich war Gisela May nach Helene Weigel die Königin des Brecht-Theaters", sagte BE-Intendant Claus Peymann der Deutschen Presse-Agentur.
"Mit ihr stirbt eine der großen Künstlerinnen der untergegangenen DDR. Das Berliner Ensemble ist in Trauer." May war am Theater die "Mutter Courage" - von 1978 bis zu ihrem Ausscheiden 1992. Beim Fernsehpublikum des wiedervereinigten Deutschlands wurde sie durch ihre Rolle "Muddi" in der Erfolgsserie "Adelheid und ihre Mörder" berühmt, in der Evelyn Hamann die Hauptrolle spielte.
Triumphe im In- und Ausland
Unter Kennern war die Darstellerin längst auch als ausdrucksstarke Interpretin von Brecht-Weill-Chansons bekannt. Hanns Eisler, der Komponist der DDR-Hymne und enge Weggefährte Bertolt Brechts, hatte ihre Begabung für die Gattung entdeckt und gefördert. Mays Soloabende bescherten ihr über Jahrzehnte Triumphe im In- und Ausland. Die Auftrittsorte reichten von der New Yorker Carnegie Hall bis zur Mailänder Scala.
Die Lust an Sprache und Musik wurde der 1924 in Wetzlar geborenen Künstlerin schon in die Wiege gelegt. Ihre Mutter Käte war Schauspielerin, Vater Ferdinand May Schriftsteller. Von 1942 bis 1944 besuchte sie die Schauspielschule in Leipzig. Danach hatte sie Engagements an verschiedenen Theatern. 1951 kam May ans Deutsche Theater Berlin. 1962 wechselte sie zum Berliner Ensemble, dem sie 30 Jahre angehörte.