Breite "Allianz für Weltoffenheit" gegründet
11. Februar 2016In Berlin ist ein breites Bündnis religiöser und gesellschaftlicher Gruppen als eine "Allianz für Weltoffenheit, Solidarität, Demokratie und Rechtsstaat - gegen Intoleranz, Menschenfeindlichkeit und Gewalt" an die Öffentlichkeit gegangen. Ihr Aufruf: "Die Würde des Menschen ist unantastbar". Initiator ist der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), der die Allianz vor fünf Wochen ins Leben gerufen hat. Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann (siehe auch nebenstehender Kommentar) und die anderen neun Unterzeichner hoffen, dass der Aufruf Schule macht, sich weitere Partner anschließen und es Nachahmer im ganzen Land gibt.
Zentraler Punkt des Aufrufs: Die Flüchtlingsdebatte müsse sachlich und lösungsorientiert geführt werden, statt öffentlich Ressentiments zu schüren oder parteitaktische Interessen zu verfolgen. Zudem rufen die Unterzeichner - die beiden großen Kirchen sind mit dabei - dazu auf, menschenfeindlichen Äußerungen entschieden entgegenzutreten, "gleich woher sie kommen und gegen welche Gruppe sie sich richten".
Werte gegen Ressentiments
Warum gerade jetzt? Die verbale Aufrüstung gegen Muslime und Flüchtlinge in Deutschland bereite ihm große Sorgen, sagte Zekeriya Altug, Sprecher des Koordinationsrats der Muslime in Deutschland. Die Flüchtlingsdebatte habe zu einer Stärkung der politischen Ränder und zu einer allgemeinen politischen Verschiebung nach rechts geführt. Die Anspruchs- und Forderungsrhetorik gegenüber Flüchtlingen in der öffentlichen Debatte schaffe eine Atmosphäre, in der Vertreter der politischen Ränder den Eindruck haben, als Sprachrohr einer angeblich schweigenden Mehrheit zu agieren. Dagegen müsse etwas getan werden - deshalb diese Allianz, so Altug weiter. Außerdem sei es wichtig, Werte auch vorzuleben und nicht einfach nur einzufordern.
Sorgen äußerte auch der Vertreter des Zentralrats der Juden in Deutschland, Vize-Präsident Mark Dainow. Der Rechtspopulismus in Deutschland sei "leider im Aufwind". Deshalb müssten nun alle an einem Strang ziehen und für Respekt, Toleranz, Religionsfreiheit und die Rechte von Minderheiten eintreten. Der Aufruf ziele auch auf die Notwendigkeit, die Flüchtlinge gut in die Gesellschaft und Wertegemeinschaft zu integrieren. Dainow fügte hinzu, dass es auch die Sorge gebe, mit den Flüchtlingen "Antisemitismus zu importieren". Denn leider würden diese aus einem "anderen Kulturkreis kommen, in dem Judenfeindlichkeit zum Alltag" gehöre.
Von einem "Grundkonsens aus der Mitte der Gesellschaft", der markiert und deutlich gemacht werden müsse, sprach der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche, Heinrich Bedford-Strohm. Das sei Ziel des Aufrufs, der genau jetzt gebraucht werde, weil es eine große Verunsicherung in der Bevölkerung gebe. Rechtspopulisten und - extreme versuchten, diese Verunsicherung für ihre politischen Zwecke zu missbrauchen. Dagegen müsse eine "Botschaft der Kraft und Zuversicht" gesetzt werden.
Eine Diskurslücke schließen
Nicht nur zwischen den Zeilen war bei der gemeinsamen Pressekonferenz Kritik an den politischen Parteien zu hören. Die Allianz sei ein zivilgesellschaftliches Bündnis, die Parteien habe man bewusst herausgehalten, sagte Initiator Hoffmann. Denn die Parteien, das erlebe man so, seien an vielen Stellen schon überfordert. Im Moment gehe "da einiges durcheinander", an dem man sich nicht beteiligen werde - auch nicht mit einer Bewertung einzelner Politiker.
Erzbischof Heiner Koch als Vertreter der katholischen Kirche kritisierte eine Kluft zwischen dem Diskurs der gesellschaftlichen Eliten und den Anliegen der Bürger. Konkrete Sorgen sollten sehr ernst genommen werden, damit kein Rechtsruck geschehe. Zum Beispiel die Frage, "wie die Anliegen der Aufnahmegesellschaft und die Bedürfnisse der Flüchtlinge in Einklang gebracht werden können". Einer Antwort dürfe nicht ausgewichen werden.
Wen, in was und wie integrieren?
Gänzlich frei von parteipolitischer Einfärbung ist der Aufruf trotzdem nicht. Gefordert wird darin ein großes Investitionspaket für Bildung, Wohnraum und Arbeit, was derzeit auch von der SPD geäußert wird. Auch der Forderung nach einem Aufweichen der Mindestlohnregeln für Flüchtlinge erteilte der DGB-Vorsitzende - ganz auf Linie der SPD-Arbeitsministerin Andrea Nahles - eine klare Absage. Ein Ausspielen von Langzeitarbeitslosen gegen Flüchtlinge dürfe es nicht geben.
Am weitesten nach vorn blickte wohl Olaf Zimmermann vom Deutschen Kulturrat bei der Pressekonferenz in der DGB-Zentrale in Berlin-Mitte. Gerade im Kulturbereich werde es wohl noch heftige Debatten darüber geben, "in was, wer und wie integriert" werden soll. "Gemeinsames sehen, ohne das Trennende aufheben zu wollen" - darauf müsse zukünftig wohl das Augenmerk bei der kulturellen Dimension von Integration gelegt werden. Noch aber befinde sich die Gesellschaft in einer Art Nothilfemodus - die Fragen seien deshalb noch fern. Die Allianz und der Aufruf zeigten nun schon einmal, in welche Richtung es gehen müsse.