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Breite Debatte über Corona-Impfpflicht

12. Januar 2021

Der bayerische Ministerpräsident Söder hat eine Debatte über eine Corona-Impfpflicht für Pflegekräfte angestoßen. Prompt formiert sich breiter Widerstand.

Corona-Bonus für Pflegekräfte in Kliniken
Pflegekräfte und Ärzte bei einer Corona-Dienstbesprechung im Uniklinikum EssenBild: picture-alliance/dpa/M. Kusch

Mit der Forderung nach einer Impfpflicht für Pflegekräfte ist Bayerns Ministerpräsident Markus Söder auf breiten Widerstand gestoßen. Söder begründete seinen Vorstoß damit, dass sich in Alten- und Pflegeheimen "zu wenige" Mitarbeiter impfen ließen, obwohl die Bewohner dort besonders durch das Coronavirus gefährdet seien. Söder sagte, es gehe ihm um den "Schutz der Älteren". Der CSU-Politiker verwies darauf, dass es bereits eine Impfpflicht für Masern zum Schutz von Kindern gebe: "Die Auswirkungen von Corona sind mindestens genauso schlimm wie die von Masern." Eine allgemeine Impfpflicht lehne er zwar ab; zugleich schlug er vor, den Deutschen Ethikrat mit der Erörterung einer Impfpflicht für das Personal in Krankenhäusern und Pflegeheimen zu befassen.

Mit seinem Vorstoß entfachte Söder eine lebhafte Debatte in den Parteien sowie bei Fachverbänden und Gewerkschaften, in der Kritik und Widerspruch überwogen. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus sprach sich dafür aus, Vorbehalte gegen die Impfung durch bessere Aufklärung abzubauen. Der CDU-Politiker forderte einen besonderen Schutz alter Menschen in den Heimen: "Es macht mich unheimlich traurig, wie das Sterben eingesetzt hat bei den Hochbetagten", sagte er.

SPD und Opposition widersprechen

Widerspruch kam von der SPD. So sagte Bundessozialminister Hubertus Heil: "Ich halte den Weg für richtig, dass wir keine Impfpflicht einführen." Bei Pflegekräften und Medizinern müsse man stattdessen mehr werben. Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil betonte: "Die Diskussion über einen Impfzwang für bestimmte Berufsgruppen bringt uns keinen Schritt weiter." Jetzt über einen Impfzwang zu räsonieren, löse eher mehr Misstrauen als mehr Impfbereitschaft aus.

Corona-Impfpflicht? Gespräch mit Andreas Lob-Hüdepohl, Mitglied des Ethikrates

03:38

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Linkenfraktionschef Dietmar Bartsch warnte, eine Debatte um Pflichtimpfungen für Pflegekräfte werde "das Gegenteil bewirken" und die Vorbehalte wachsen lassen. FDP-Chef Christian Lindner sagte: "Eine Impfpflicht auch für beruflich in der Pflege tätige Menschen halten wir aus verfassungsrechtlichen Erwägungen für hoch problematisch."

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte: "Was es braucht, ist eine sehr klare eindeutige Aufklärungskampagne, dass alle Pflegekräfte wissen, wie die Impfungen wirken." Auch AfD-Parlamentsgeschäftsführer Bernd Baumann sagte: "Hier müssen Argumente her, um die Leute zu überzeugen, und die Argumente gibt es ja."

Verdi lehnt Zwangsimpfung ab

"Die Impfung muss freiwillig sein; eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen darf es nicht geben", sagte Der Chef der Gewerkschaft Verdi, Frank Werneke. Er rief die Beschäftigten auf, sich impfen zu lassen. "Nach Abwägung aller Chancen und Risiken ist es schon aus Gründen des Selbstschutzes und des Schutzes der Angehörigen angeraten, sich impfen zu lassen, sofern nicht ernste gesundheitliche Gründe dagegen sprechen", sagt er.

Auch der Humangenetiker Wolfgang Henn, der dem von Söder angesprochenen Ethikrat angehört, äußerte sich skeptisch. "Ich bin zuversichtlich, dass wir das auf der freiwilligen Ebene hinkriegen werden", sagte er.

Aufklärung statt Verpflichtung

Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, lehnte eine Impfpflicht für Pflegeberufe ebenfalls ab. Er setze auf Aufklärung und eine freiwillige Entscheidung. "Immer da, wo ich mit Druck agiere, werde ich möglicherweise genau das Gegenteil damit erreichen", gab er zu bedenken und warnte, den Frust in der stark belasteten Berufsgruppe zu erhöhen.

Das Ziel von mehr Aufklärung statt gesetzlichem Zwang betonten auch Sozialverbände. Diakonie-Präsident Ulrich Lilie sagte, das Vertrauen in die Wirksamkeit und Sicherheit der Impfungen werde wachsen, "weil immer mehr geimpfte Pflegemitarbeitende ihre Kolleginnen und Kollegen ermutigen werden, sich auch impfen zu lassen".

Montgomery zeigt klare Kante

Zustimmung bekam Söder von Weltärztepräsident Frank-Ulrich Montgomery. "Wer Umgang mit vulnerablen Gruppen hat, muss immunisiert sein" - entweder durch eine überstandene COVID-19-Erkrankung oder durch eine Schutzimpfung, sagte er mit Blick auf Pflegekräfte. "Für Pflegekräfte und medizinisches Personal ist eine berufsspezifische Impfpflicht gegen Corona sinnvoll."

Langfristig will Montgomery eine verpflichtende Impfung aber nicht auf einzelne Berufsgruppen beschränken: "Auf Dauer brauchen wir eine allgemeine Impfpflicht gegen Corona." Dafür müssten jedoch genügend Erkenntnisse über langfristige Nebenwirkungen der Impfstoffe vorliegen.

Fast allein auf weiter Flur: Frank Ulrich Montgomery Bild: picture alliance/dpa/P. Seeger

Die Senioren-Union von CDU und CSU sprang Söder ebenfalls zur Seite: "Falls eine gesetzliche Impfpflicht nicht möglich sein sollte, gilt eine moralische Impfpflicht", sagte ihr Vorsitzender Otto Wulff.

Bisher wird in Deutschland bei den Corona-Impfungen auf reine Freiwilligkeit gesetzt. Allerdings ergab eine vergangene Woche veröffentlichte Umfrage, dass nur die Hälfte des Pflegepersonals zu einer solchen Impfung bereit ist.

kle/fab (afp, epd, dpa)   

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