jazzahead! 2012
23. April 2012Eine ganze Messe nur für den Jazz: Das ist weltweit einmalig. Als die jazzahead! in Bremen vor sieben Jahren zum ersten Mal stattfand, war das Ziel der Veranstalter vor allem, den Jazz aus der Intellektuellen- und Kultursubventionsnische herauszuholen. Gleichzeitig stand von Anfang an die Förderung speziell der heimischen Jazzmusik im Mittelpunkt. Beides gelingt der Messe inzwischen sehr gut.
Am ersten Messetag reichten sich gleich zehn deutsche Bands bei der "German Jazz Expo" den Staffelstab zu. Bei diesem Marathon von halbstündigen Kurzkonzerten bekam man einen kleinen, aber feinen Überblick über die aktuellen Jazzaktivitäten in Deutschland. Von der orientalisch beeinflussten deutsch-türkischen Band LebiDerya aus Mannheim über die Berliner Funkjazzer Mo'Blow und den Kölner Pianisten Florian Weber, von der brasilianisch wie französisch verbandelten Jazz-Chansonette Céline Rudolph bis hin zum derzeit in Düsseldorf lebenden Pianisten Omer Klein aus Israel. Stilistische Offenheit sei auf der jazzahead! von Anfang an oberstes Gebot, betonte Projektleiterin Sybille Kornitschky, vor allem wenn man bedenke, dass der Jazz im Grunde die erste Weltmusik überhaupt sei.
Willensstark und finanzschwach
Damit die "German Jazz Expo" alljährlich stattfinden kann, gilt es, immer wieder aufs Neue Fördergelder zu beantragen. Eine von Bremen aus geleistete Arbeit, die eigentlich auf Bundesebene passieren müsse, meint Kornitschky. Denn Jazzförderung wird in Deutschland nach wie vor stiefmütterlich behandelt.
Für derartige Anliegen und für Musikerinteressen ganz allgemein macht sich seit 1973 die "Union Deutscher Jazzmusiker" stark. Wortführer dieses aktuell von der Pianistin Julia Hülsmann und dem Gitarristen und Mo'Blow-Frontmann Felix Falk geleiteten Interessenverbunds trifft man am großen Stand namens "German Market" genauso wie einzelne Musiker und Bands, die ihre Aktivitäten vorstellen. Darunter auch den zwischen Jazz und Folk angesiedelten Gitarristen Andreas Brunn. Durch seine mit Nord- und Osteuropa assoziierten Projekte weiß er nur allzu gut um die Unterschiede in der Förderpolitik des Jazz in den diversen Ländern. Speziell auf Skandinavien können die deutschen Musiker nach wie vor neidvoll blicken, denn in Schweden und Finnland ist Jazzförderung Staatsaufgabe.
Vom Eurozentrismus zum Weltweitblick
Derartige Diskrepanzen beäugt und bespricht man bei diesem Branchentreff - genauso wie man die musikkulturelle Vielfalt gegenseitig bestaunt und verhandelt. Der bislang stark europäische Aktionsradius der jazzahead!, der mittlerweile fast alle Länder des Kontinents umfasst, erweitert sich langsam aber sicher auch gen "Übersee". So waren unter den Festival- und Labelbetreibern, Musikagenten und anderen Promotern des Jazz sowie aller nur denkbaren angrenzenden Musikkulturen auch Vertreter aus Indonesien, Australien oder Brasilien anwesend.
Selbst wer nicht beim angeschlossenen Konzertprogramm auftrat, machte sich also auf den Weg zu dieser offenbar immer wichtigeren Netzwerkgelegenheit. Größen der internationalen Jazzszene wie den Marokkaner Majid Bekkas oder den Norweger Karl Seglem konnte man in der Messehalle unweit des Bremer Bahnhofs sichten.
Von Partnern und Preisträgern
Die Idee, ein Partnerland zur jazzahead! einzuladen und dessen Musik zu fokussieren, wurde 2011 zum ersten Mal in die Tat umgesetzt: Damals fiel die Wahl auf die Türkei. Auch mit dem Nachfolger Spanien entschieden sich die Messemacher für eine weniger klassische, aber nicht minder interessante europäische Jazznation. Die präsentierte sich in der "Spanish Night"vielfältig und farbenprächtig - mit zappaeskem Free Jazz oder von iberischer Folklore beeinflussten Klängen.
Wie zu vermuten war, hatte bei den Konzerten der Flamenco-Jazz die Nase vorn, unter anderem mit einem Galakonzert des renommierten Flamenco-Gitarristen Tomatito. Musikalisch nicht minder verheißungsvoll wird es aller Wahrscheinlichkeit nach 2013, wenn Israel den Staffelstab von Spanien übernimmt.
Seit der ersten jazzahead! wird ein Award verliehen, der in diesem Jahr an Siggi Loch ging. Der Chef des vor 20 Jahren gegründeten deutschen Labels ACT wurde für seine besonderen Verdienste um das "Kulturgut Jazz" ausgezeichnet. In erbaulichen und amüsanten Dankesworten kündigte der einstige Hobbyschlagzeuger und Plattensammler an, das Preisgeld aus eigener Kasse zu verdoppeln und damit Nachwuchskünstler zu unterstützen.
Dieses vergleichsweise ungezwungene Zeremoniell bekam eine ganz besondere musikalische Umrahmung. Der Bassist Carles Benavent, der Saxofonist und Flötist Jorge Pardo und der Schlagzeuger Tino di Geraldo, die bereits bei der "Spanish Night" für Euphorie sorgten, rührten den Preisträger mit ihrem kleinen Ständchen ganz besonders: hatten die drei Flamenco-Jazz-Pioniere doch schon bei der CD "Jazzpaña", der ersten Veröffentlichung seines Labels, mitgewirkt.