Bei den meisten Parteien in den europäischen Ländern hat das britische Austrittsvotum blankes Entsetzen ausgelöst. Ganz anders bei Politikern, denen die ganze Richtung der EU nicht passt.
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Kommen jetzt Nexit, Frexit und Co?
Der Brexit schockiert Europa. Rechtspopulisten und EU-Kritikern gibt das "Leave"-Votum der Briten jedoch Rückenwind. Droht nun ein Dominoeffekt? Euroskeptiker von Frankreich bis in die Niederlande wittern ihre Chance.
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Großbritanniens UKIP: "Die EU scheitert, die EU stirbt"
Der britische UKIP-Chef Nigel Farage, einer der Brexit-Wortführer, ruft den 23. Juni auf Twitter zum britischen #IndependenceDay aus: "Die EU scheitert, die EU stirbt." Er fordert rasche Austrittsverhandlungen. "Ich hoffe, wir haben den ersten Stein aus der Mauer geschlagen. Ich hoffe, dies ist der erste Schritt hin zu einem Europa souveräner Nationen."
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Hollands Freiheitspartei: "Die Niederlande werden die Nächsten sein"
"Bye bye Brüssel", jubelt der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders: "Und die Niederlande werden die Nächsten sein!" Er fordert schon länger ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft seines Landes. Umfragen zufolge will eine Mehrheit der Niederländer über einen "Nexit" abstimmen.
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Frankreichs Front National: "Sieg für die Freiheit"
Auch die französische Rechte hofft, vom Brexit zu profitieren. "Sieg für die Freiheit", twittert Marine Le Pen, Frontfrau des Front National. "Wie ich es seit Jahren fordere, müssen wir jetzt ein gleiches Referendum in Frankreich und anderen EU-Ländern haben." Die Forderung eines "Frexits" könnte ihr im Wahlkampf neuen Schwung verleihen. 2017 will Le Pen Frankreichs Präsidentin werden.
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Deutschlands AfD: "Raus aus der EU-Sklaverei!"
AfD-Chefin Frauke Petry reagierte auf Twitter eher nüchtern: "Die Zeit ist reif für ein neues Europa". Schärfer formuliert Björn Höcke, AfD-Fraktionsvorsitzender in Thüringen. Er will auch in Deutschland ein EU-Referendum: "Ich weiß, auch das deutsche Volk will mehrheitlich raus aus der EU-Sklaverei", so Höcke. Die Briten hätten mit dem Brexit den "Weg des kollektiven Wahnsinns" verlassen.
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Dänemarks Volkspartei: "Die EU zahlt nun den Preis"
Kristian Thulesen Dahl, Dänemarks oberster Europaskeptiker und Chef der dänischen Volkspartei, gratuliert auf Facebook zum Brexit. Das Ergebnis sei klar, so der Chef der Dänischen Volkspartei: "Die EU hat die Skepsis der Bürger völlig unterschätzt. Die EU hat den Nationalstaaten ihre Macht genommen und zahlt nun den Preis." Auch er will die Dänen über einen Austritt aus der EU abstimmen lassen.
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Österreichs FPÖ: "Gegen Migrationswahn"
"Nach dem Brexit braucht es tiefgreifende EU-Reformen - und zwar ohne Schulz und Juncker!" twittert FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Auch Österreichs rechte Partei denkt über eine EU-Volksabstimmung nach. "Wir gratulieren den Briten zu ihrer wiedererlangten Souveränität", sagt Strache. Das Ergebnis sei eine Weichenstellung "gegen den anhaltenden Migrationswahn“, heißt es auf der FPÖ-Homepage.
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Ungarns Fidesz-Partei: Referendum zu EU-Flüchtlingsquoten?
Ungarns rechtskonservativer Premier Viktor Orban dürfte sich durch das Brexit-Votum in seiner Antiflüchtlingspolitik bestärkt fühlen. Er glaube an ein starkes Europa, aber Europa sei nur stark, wenn es Lösungen für "signifikante Probleme wie Einwanderung" gebe. Das Verfassungsgericht in Budapest hatte kurz vor der Brexit-Abstimmung grünes Licht für ein Referendum zu EU-Flüchtlingsquoten gegeben.
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Tschechiens Morgenröte: Antrag über "Czexit" vorerst gescheitert
Wenn es nach den tschechischen Rechtspopulisten geht, kommt nach dem Brexit nun der "Czexit". Als schärfster EU-Kritiker gilt Ex-Präsident Vaclav Klaus. Anfang Mai scheiterte jedoch ein Antrag der rechtspopulistischen Morgenröte (Usvit), über ein Austrittsreferendum im Abgeordnetenhaus in Prag zu beraten. Der EU-Hass der Rechten dürfte den tschechischen Parlamentswahlkampf 2017 dominieren.
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In Großbritannien selbst kennt die Freude von Nigel Farage keine Grenzen. "Die EU stirbt", sagte der Chef der Unabhängigkeitspartei, UKIP, der seit Jahren für einen Austritt seines Landes aus der Europäischen Union gekämpft hat. Jetzt sieht er sein Ziel erreicht. Aber er will, dass es nicht bei einem Brexit bleibt: "Wir hoffen, wir haben den ersten Stein aus der Mauer geschlagen. Ich hoffe, dies ist der erste Schritt zu einem Europa souveräner Nationen."
Sein niederländischer Gesinnungsgenosse Geert Wilders von der Partei für die Freiheit twitterte "Bye, bye, Brüssel" und forderte sofort eine Volksabstimmung auch in den Niederlanden. "Wir wollen unser eigenes Land kontrollieren, unser eigenes Geld, unsere Grenzen, unsere Einwanderungspolitik."
So sieht es auch Marine Le Pen vom französischen Front National. "Ein Sieg der Freiheit", twitterte sie. "Wir brauchen auch in Frankreich und anderen EU-Nationen so ein Referendum." FN-Vizepräsident Florian Philippot sprach von einem "absolut historischen Tag". Jetzt müsse man "auf die Völker hören, man kann nicht gegen sie vorangehen". Die Völker wendeten sich überall gegen "dieses chaotische europäische Abenteuer". Die jetzige EU sei "tot", so Philippot.
In Italien lobt Matteo Salvini, der Chef der Lega Nord, auf Twitter den "Mut freier Bürger" und sagte den Briten: "Danke, Vereinigtes Königreich, jetzt sind wir mit dem Ausstieg dran."
Die Schwedendemokraten twitterten ebenfalls kurz und bündig: "Jetzt warten wir auf den Swexit."
Der Chef der Dänischen Volkspartei, Kristian Thulesen Dahl, hatte bereits vor der britischen Entscheidung in der Zeitung "Jyllands-Posten" gesagt, im Fall eines Brexit-Votums "will ich eine Volksabstimmung haben, um zu klären, ob Dänemark sich so eine Lösung wünscht". Heute heißt es von der Partei süffisant: "Es ist wunderbar, dass die Anführer dieser Einschüchterungskampagne zurechtgestutzt worden sind."
"EU hat keine Antwort gegeben"
Der nationalkonservative ungarische Ministerpräsident Viktor Orban will zwar nicht aus der EU austreten. Er sieht sich aber in seinem Widerstand gegen Bundeskanzlerin Merkels offene Flüchtlingspolitik jetzt noch mehr bestätigt. Die Briten hätten auf eine Frage eine Antwort gesucht, wie man "die moderne Völkerwanderung" aufhalten und wie sie "ihre Insel erhalten" könnten. "Diese Antwort hat die EU nicht gegeben." Europa sei nur stark, wenn es auf so wichtige Fragen wie die Einwanderung Antworten geben können, "die Europa nicht schwächen, sondern stärken".
Der slowakische Abgeordnete Petr Mach von der Partei Svobodni ("Freiheit") schrieb auf seiner Facebook-Seite: "Ich gratuliere Großbritannien zu seiner Entscheidung - und insbesondere meinem Kollegen Nigel Farage, der sich jahrzehntelang bemüht hat, Großbritannien aus dieser sozialistischen EU zu befreien."
Die Freiheitliche Partei Österreichs, deren Kandidat kürzlich um Haaresbreite die Bundespräsidentschaft verpasst hat, will erst einmal abwarten, ob sie ein Referendum fordern will. Doch für FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wäre zum Beispiel dann eine Grenze erreicht, wenn die EU die Türkei aufnehmen würde. "Dann", so Strache, "ist auch für Österreich eine Abstimmung über den weiteren Verbleib in der EU eine politische Zielerklärung."
Auch Vertreter der Alternative für Deutschland (AfD) beglückwünschen sich. Die Europaabgeordnete Beatrix von Storch forderte EU-Kommissionspräsident Juncker und Parlamentspräsident Schulz zum Rücktritt auf und stellt fest: "Die Europäische Union als politische Union ist gescheitert."
AfD-Vize Alexander Gauland gab Bundeskanzlerin Merkel eine Mitschuld am Ergebnis des Referendums:
Björn Höcke, der Chef der AfD-Landtagsfraktion im Thüringer Landtag, sagte, mit ihrem Austrittsvotum hätten die Briten "den Weg des kollektiven Wahnsinns verlassen und sich für Demokratie und Volkssouveränität entschieden". Auch er forderte ein Referendum in Deutschland. Von Storch denkt offenbar bereits an ein Gläschen Schampus in ihrer Partei an diesem Freitag: "Ich denke, es wird Feiern geben."