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Politik

Brexit geht in die Verlängerung

Barbara Wesel
15. März 2019

Das britische Parlament hat für eine Verlängerung beim Brexit gestimmt, es fehlt allerdings eine Mehrheit für den Deal. Die Länge des Aufschubs hängt davon ab, ob das Abkommen im dritten Versuch angenommen wird.

England, London: Theresa May
Bild: picture-alliance/AP/M. Duffy

Theresa May hatte am Donnerstag schließlich ihre Argumente und ihre Stimme total erschöpft. Sie schickte nur noch ihre Minister vor, um die nächsten Schritte im großen parlamentarischen Brexit-Drama zu begleiten. Und am Ende gewann sie, nach langer Zeit zum ersten Mal, die entscheidende Abstimmung. Obwohl auch dieser Sieg wieder eine Niederlage enthielt. Immerhin ist jetzt klar, dass der Brexit in die Verlängerung gehen wird, nachdem die Abgeordneten einen harten Brexit ohne Abkommen zuvor eindeutig abgelehnt hatten.

Das Parlament verpasst seine Chance

Dies sollte eigentlich der große Tag der Opposition und der Brexit-Gegner werden. Aber schon am Nachmittag wurde beim Blick auf die eingebrachten Vorlagen klar, dass damit kein Blumentopf zu gewinnen wäre. Bis auf eine Ausnahme fehlte hier die überzeugende Bündelung von Interessen der Opposition und der pro-europäischen oder gemäßigten Tories.

So wurde etwa der Antrag für ein zweites Referendum nachhaltig abgeschmettert. Die Labour Party hatte entschieden, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt dafür sei. Das trug der Führung den Zorn vieler Parteimitglieder und Wähler zu, aber der Schlingerkurs der größten Oppositionspartei hat überhaupt viel dazu beigetragen, das gegenwärtige Brexit-Chaos hervorzurufen.

Das britische Parlament ist zum Dauer-Demo Platz gewordenBild: picture-alliance/dpa/AP/T. Ireland

Nur ganz knapp, mit zwei Stimmen, unterlag dann ein Antrag des Labour-Abgeordneten Hilary Benn, der dem Parlament Raum zur selbstbestimmten Debatte über weitere, weichere Optionen für den EU-Austritt gegeben hätte. Dies war der Moment, wo die Abgeordneten die Kontrolle über den Brexit hätten übernehmen können – und er schlug fehl.

Es gab dafür offenbar einige Unterstützung von gemäßigten Konservativen, wenngleich man sich fragt, warum das Parlament zwei Wochen vor Fristablauf erst auf die Idee kam, von sich aus gegen Theresa Mays rote Linien und ihre radikale Abkehr von der EU anzugehen. 

May gewinnt die Verlängerung

Blieb schließlich der Antrag der Regierung, die EU in der nächsten Woche um eine Fristverlängerung zu bitten. Nachdem am Vortag das Parlament einen No-Deal Brexit abgelehnt hatte, bot Theresa May diese Lösung an, um den viel beschriebenen Sturz über die Klippe abzuwenden.

Und nach längerer Zeit gab es wieder einen Abstimmungserfolg für die Premierministerin, denn sie gewann mit 413 zu 202 Stimmen. Allerdings enthielt der Sieg auch eine erneute Niederlage. Vorsorglich hatte sie das Votum vom Fraktionszwang befreit, und so sah man drei ihrer Minister aus der ersten Reihe des Kabinetts durch den Nein-Flur schreiten. Die charmant altmodische Form der Abstimmung erlaubt exakt zu beobachten, wer hier welche Entscheidung fällt. Handelsminister Liam Fox, Verteidigungsminister Gavin Williamson und Brexit-Minister Stephen Barclay verweigerten ihr die Gefolgschaft. Man weiß, dass sie alle Ambitionen auf Mays Nachfolge haben.

May gewann diese Abstimmung also mit den Stimmen der Opposition. Denn mehr als die Hälfte ihrer konservativen Abgeordneten votierten erneut gegen sie. Einmal mehr wurde klar, wie wenig Unterstützung sie in ihrer Partei und in ihrem Kabinett noch hat. 

Kurz oder lang?

Es soll eine kurze technische Verlängerung von maximal drei Monaten geben, wenn der Austrittsvertrag am nächsten Dienstag im dritten Anlauf angenommen wird. Theresa May wird ihn erneut im Parlament einbringen in der Hoffnung, dass die Hardliner in ihrer Partei sich dann endlich fügen, und lieber ihren Brexit wählen als möglicherweise das ganze Vorhaben aufs Spiel zu stellen. Erpressung ist hier Mays einzige Waffe.

Es ist unklar, wie gut ihre Chancen sind. Generalanwalt Geoffrey Cox wird wohl bearbeitet, seine Rechtsmeinung der politischen Notwendigkeit anzupassen. Dabei soll jetzt ein obskurer Paragraph der Wiener Konvention über internationale Verträge helfen. Juristische Experten halten den Versuch für untauglich.

DUP-Chefin Arlene Foster hatte zunächst kühn erklärt, jetzt sei der Zeitpunkt für einen echten Deal mit der EU gekommen, wenn man nämlich "das Weiße im Auge des Gegners sehen" könne. Darauf muss ihr wohl jemand gesagt haben, dass die EU weitere Zugeständnisse kategorisch ablehnt. Und so modifizierte sie ihre Anforderung dahin, dass die Gleichbehandlung von Nordirland und dem Rest des Königreichs nicht infrage stehen dürfe.

Hardliner Steve Baker ist auch mit dem jüngsten Deal nicht einverstandenBild: Reuters/P. Nicholls

Eine Reihe von Brexiteers haben schon angekündigt, sie würden nächste Woche die Kröte von Mays verhasstem Austrittsvertrag schlucken und dafür stimmen. Andere, wie der Vormann der Hardliner Steve Baker, zeigten sich weiter widerspenstig: Der Deal sei so schlecht, er würde ihn niemals akzeptieren. 149 Stimmen fehlten Theresa May beim letzten Mal zur Mehrheit, ob sie die bis nächsten Dienstag alle einsammeln kann, ist völlig ungewiss.

Und wenn der Deal durchfällt? Dann hat May versprochen, am Donnerstag beim EU-Gipfel um einen längeren Aufschub zu bitten. Am Tag zuvor müsste dann im Parlament bestimmt werden, worfür er verwendet wird. Neuwahlen, ein neues Referendum, einen weicheren Brexit – wer weiß es.

Klar ist nur, dass die EU in jedem Fall jede Verlängerung einstimmig genehmigen muss. Und da die Laune in Brüssel verdorben ist und viele frustriert sind über das britische Brexit-Theater, wird das vielleicht nicht einmal ganz einfach. In jedem Fall gibt es eine lange Nacht voller Spannung in der europäischen Hauptstadt und möglicherweise Theresa Mays letzten Auftritt bei einem europäischen Gipfeltreffen.

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