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Politik

Brexit: Kommt jetzt die Fristverlängerung?

Barbara Wesel London
16. Januar 2019

Großbritannien wird Zeit brauchen für einen Weg aus der Brexit-Krise. Theresa May hat das Misstrauensvotum überstanden. Politisch ist sie jedoch weiterhin geschwächt. Wie geht es jetzt weiter in London?

England Brexit Theresa May
Bild: picture-alliance/dpa/House Of Commons

Der Sturzversuch von Oppositionsführer Jeremy Corbyn schlug fehl: Sein Misstrauensantrag gegen die britische Premierministerin Theresa May und ihr Kabinett ist am Mittwochabend abgeschmettert worden. May hat überlebt, und nun?

Plan B: Die Premierministerin hat nach dem Scheitern ihres Brexit-Deals bis Montag Zeit, um dem Parlament neue Vorschläge vorzulegen. Sie hat angekündigt, Gespräche mit Oppositionspolitikern abzuhalten, um Gemeinsamkeiten zu finden. Gleichzeitig allerdings ließ sie erklären, sie beharre auf ihrer roten Linien: Das heißt, sie schließt den Verbleib in der Zollunion oder im Binnenmarkt weiter aus. Womit also will sie die Gegenseite locken? 

Oppositionsführer Jeremy Corbyn ist am Mittwoch mit seinem Misstrauensvotum gescheitertBild: Reuters/P. Noble

Es gilt allerdings als wahrscheinlich, dass die Premierministerin in der kommenden Woche mit demselben Austrittsabkommen vor das Parlament tritt und Änderungen verspricht, die sie dann Brüssel erneut versuchen will abzuringen. Sie will nicht unmittelbar, sondern erst nach dem neuen Auftritt im Unterhaus, nach Brüssel reisen, um für entscheidende Änderungen - vor allem beim sogenannten irischen Backstop - zu kämpfen. Die Aussichten, dass sie damit den Deal durch das Parlament bringen kann, sind allerdings äußerst unsicher.

EU-Reaktionen: Brüssel verweist darauf, dass nach der Abweisung des "fairen und ausgewogenen" Austrittsvertrages nun der Ball im Feld Londons liege und man auf einen neuen Vorschlag warte. Ratspräsident Donald Tusk ging einen Schritt weiter und deutete an, dass er ein zweites Referendum für den besten Ausweg aus der Krise hielte. Gleichzeitig warnen alle EU-Spitzen, ein No-Deal Brexit sei mit Mays Niederlage bedrohlich näher gerückt. 

Aus Paris kommt eine eher harte Linie, in der Tradition der bisherigen Brexit-Verhandlungen. Ein Sprecher von Präsident Macron erklärte, es wäre falsch, von der EU jetzt eine schwache und hektische Reaktion zu erwarten. Man werde die gemeinsamen Grundsätze nicht aufgeben. Und um eine Fristverlängerung zu gewähren, brauche man einen konkreten Plan mit Erfolgsaussichten.

Angela Merkel erklärte am Mittwoch am Rande einer Sitzung:"Wir glauben dass es jetzt an der britischen Seite ist (…), uns zu sagen wie es weitergeht." Und sie fügte kryptisch hinzu, es sei noch "Zeit zu verhandeln". Worüber - das ließ sie allerdings offen.

Die irische Regierung in Dublin betont, dass die EU eine klare Position zum sogenannten "irischen Backstop", der Rückversicherung gegen eine harte Grenze zwischen der Republik und Nordirland habe, die nicht neu verhandelt werden könne. London müsse nun sagen, wie es weiter gehen soll.

Wird es ein zweites Referendum geben?Bild: picture alliance/AP Photo/F. Augstein

Erz-Brexiteer Boris Johnson hatte bereits nach der Abstimmungsniederlage vom Dienstag gefordert, man solle sich nun mit "mehr Begeisterung" auf einen harten Brexit vorbereiten. Es ist kein Geheimnis, dass er und weitere Hardliner bei den Konservativen seit Wochen einen harten Brexit als guten Ausgang sehen, der Großbritannien befreien könne und eine goldene Zukunft bringen werde.

Allerdings ist eine Mehrheit im Parlament und sogar innerhalb der Tories dagegen, das Land über die ökonomische und politische Klippe stürzen zu lassen. Möglich ist sogar ein Unterhausbeschluss, um dieses Ergebnis abzuwenden.

Im britischen Unterhaus ist es schwieriger als erwartet, eine gemeinsame Schnittmenge für eine Einigung im Parlament festzustellen. Die Führung der Labour-Party weigert sich vorerst, auf ein zweites Referendum umzuschwenken. Rund 100 Labour-Abgeordnete haben allerdings bereits eine solche zweite Abstimmung gefordert, die Mehrheit der Parteibasis ist dafür. Sie werden unterstützt von einer Handvoll EU-freundlicher Tories. Aber erst wenn die gesamte Opposition ihr Gewicht dort hinein wirft, wäre eine Mehrheit denkbar.

Möglich ist, dass die Abgeordneten in der nächsten Woche eine Reihe von gesonderten Abstimmungen über einzelne Vorschläge zur Form des Brexit abhalten: etwa über eine Norwegen-Lösung mit Verbleib im Binnenmarkt, über den Verbleib in der Zollunion, über eine Mischung aus beidem und vor allem über die Bitte um Fristverlängerung. Die Premierministerin hat dieses Verfahren zwar erneut abgelehnt, aber das Parlament glaubt, es habe jetzt im Machtkampf mit ihr die Oberhand. Schon am kommenden Montag könnte es sich hier gegen May durchsetzen.

Die Fristverlängerung: Der Prozess der Mehrheitsfindung hätte natürlich am Anfang der Brexit-Verhandlungen stehen müssen statt an ihrem Ende. Mehr Zeit als die Frist bis zum 29.3. scheint also in jedem Falle nötig zu werden. Die EU hat schon angedeutet, dass drei weitere Monate bis Ende Juni möglich seien.

Forderungen wie die des konservativen MP Nick Boles, die Brexit-Frist solle bis Ende des Jahres verlängert werden, um dem Parlament mehr Zeit zu geben, stoßen zunächst auf Widerstand in Brüssel. Dort will man die Europawahl im Mai lieber ohne Beteiligung der Briten auf der Wartebank abhalten. Außerdem gibt es bei anderen EU-Chefs wenig Neigung, das Brexit-Drama endlos auszudehnen.

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