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Politik

Der Brexit und seine Körpersprache

Barbara Wesel
25. September 2017

Die Brexit-Verhandlungen sollen nach Theresa Mays Rede endlich Fortschritte machen. Aber wie groß sind die Erfolgschancen der beiden Chefunterhändler wirklich? Brüssel-Korrespondentin Barbara Wesel schaut genau hin.

Brüssel Brexit-Verhandlungen, David Davis & Michel Barnier
Bild: Reuters/Y. Herman

In Brüssel werden an diesem Montag die Brexit-Verhandlungen fortgesetzt. Bisher haben sie noch keine nennenswerten Ergebnisse gebracht, jedenfalls wenn man der Darstellung der EU-Seite durch Unterhändler Michel Barnier folgt. Sein Gegenüber David Davis behauptet das Gegenteil. Und auch Theresa May hat in ihrer Grundsatzrede zum Brexit am Freitag in Florenz von solchen Fortschritten gesprochen.

Lügt hier jemand oder ist das einfach Verhandlungstaktik? Jedenfalls sollte Mays Rede den Gesprächen neuen Schwung verleihen, damit die Kontrahenten von den Modalitäten der Scheidung schnell dazu übergehen könnten, ihr künftiges Verhältnis zu erörtern. Die Europäer nahmen die Angebote der britischen Premierministerin mit freundlicher Zurückhaltung auf. Der Fortschritt muss am Verhandlungstisch erzielt werden, zwischen Barnier und Davis.

Experte für Körpersprache: Alain VerbekeBild: DW/B. Wesel

"In der Deutung von Körpersprache sind viele Scharlatane unterwegs", sagt Professor Alain Verbeke von der Universität Leuven. Man könne eben nicht so einfach feststellen, ob ein Mensch lügt oder sich verstellt. Schaut man sich die beiden Verhandlungsführer der Brexit-Gespräche an, ließe sich allenfalls erkennen, wie weit sich ihre Körpersprache mit ihren Aussagen deckt.

Alain Verbeke ist Jurist und Spezialist für Verhandlungsführung. Was rät er seinen Schülern, wenn er sie zu Profis auf diesem Feld ausbildet? "75 bis 90 Prozent einer jeden Botschaft bestehen aus dem Verhalten, der Körpersprache und der Tonlage. Der Rest ist das gesprochene Wort. Also geht es um Transparenz und Übereinstimmung." Das Gesagte müsse sich im körperlichen Ausdruck widerspiegeln. Und wie schneiden sie dabei ab, unsere beiden Chefunterhändler des Brexit? Schließlich sind beide hervorragend ausgebildete Profis, sie spielen unter hohem Druck ihre Rolle in der Öffentlichkeit.

Mit Dokumenten bewaffnet: die EU-Seite (links). Papierlos: die Briten (rechts)Bild: Getty Images/T.Charlier

Hier gab es ein Missverständnis

Das Foto von der Gesprächsrunde im Juli, bei der die EU-Seite mit ihren Aktenstapeln am Verhandlungstisch erschien und die Briten mit leeren Händen gekommen waren, ging durch die Presse. Und es wurde durchweg als Zeichen dafür gewertet, dass Davis keine konkreten Vorschläge aus London mitgebracht habe. Michel Barnier hatte schließlich geklagt, es fehle der anderen Seite an ordentlichen Vorlagen und Details.

Experte Alain Verbeke hält diese Interpretation für Unsinn. "Ich habe auch keine Akten in der Hand, wenn ich in eine Verhandlung gehe. Damit zeige ich, dass ich die wesentlichen Punkte im Kopf habe und gut vorbereitet bin. Für die Einzelheiten gibt es dann die Experten in meinem Team", sagt der Jurist. Es könne also gerade Überlegenheit signalisieren, wenn jemand sich nicht an einem Haufen Papier festhalte.  

Ziemlich beste Freunde? Michel Barnier (links) und David Davis (rechts)Bild: EU/Mauro Bottaro

Können Barnier und Davis überhaupt miteinander?

Sie lächeln, was das Zeug hält, sie berühren sich am Arm, legen dem anderen die Hand auf die Schulter, neigen die Köpfe zueinander. Ist das alles Theater? Verbirgt sich hinter dieser überdeutlich dargestellten Verbundenheit zwischen zwei Männern ähnlichen Alters, aber unterschiedlicher Nationalität und Aufgabenstellung, eine echte Freundlichkeit? Oder können sie einander vielleicht insgeheim nicht leiden?

"Die beiden können schon miteinander", urteilt Alain Verbeke und zieht eine  Aufnahme heran, auf der Barnier und Davis vor dem Sitzungsraum zusammenstehen. Wir müssten uns die Füße der beiden anschauen, sie seien unverkrampft und einander zugewandt. "Die Füße zu beherrschen, ist fast unmöglich, weil sie so weit vom Kopf und dem Gehirn entfernt sind." Man könne lernen, die Augen, die Mundwinkel und die Hände in einem gewissen Maß zu kontrollieren, aber die Füße verrieten häufig, was in einem Menschen wirklich vorgehe. Fazit: Keine verborgene Abneigung Barnier gegen Davis. 

"Ich bin nicht frustriert!" Michel BarnierBild: Reuters/F. Lenoir

Michel Barnier lässt Sorgenfalten sehen 

"Seine Haltung ist offen und konstruktiv, aber er zeigt auch durchaus Vorsicht", deutet Experte Verbeke das Auftreten von Michel Barnier. "Hier sehen wir einen Profi, der auch Besorgnis ausdrückt." Er hält den Franzosen für glaubwürdiger als seinen britischen Gegenspieler, denn der EU-Unterhändler zeige auch schon mal Nervosität. In der letzten Pressekonferenz vor der Sommerpause etwa habe Barnier darüber geklagt, dass die Gespräche faktisch zum Stillstand gekommen seien. Dazu zeigt der EU-Verhandler sein ernstes Gesicht, drückt mit dem ganzen Körper Sorge aus. "Ausdruck und Worte decken sich." Erst als ein Journalist Michel Barnier nach seiner "Frustration" über die schleppenden Gespräche fragt, verliert er die Fassung: "Ich bin nicht frustriert, ich bin ungeduldig!" Dabei sieht der Franzose aus wie der personifizierte Frust. Erwischt, das passiert sogar Profis. 

Lächeln für Großbritannien: David DavisBild: picture alliance/dpa/PA Wire/Y. Mok

Warum ist David Davis so ungeheuer fröhlich?

Wann immer er in Brüssel auftritt, David Davis lächelt, strahlt und grinst für Großbritannien. "Er stellt durchgehend den jolly good fellow dar, den total netten Kerl", analysiert Verbeke das Auftreten des britischen Verhandlungsführers. Dahinter stecke die Strategie, den Brexit mit dem größten Optimismus zu verkaufen. "Wir werden ein gutes Ergebnis erzielen, das ist seine Botschaft." Davis spiele eine Rolle, aber er mache das außergewöhnlich gut, bis in die Körpersprache hinein. Die Briten spielten in den ersten Verhandlungsrunden strategisch nach der Devise: Wer zuerst blinzelt, hat verloren.

Am Ende gebe jedoch derjenige nach, der etwas brauche, fasst der Verhandlungsexperte zusammen. Und nachdem Premierministerin May in Florenz den berüchtigten Satz vom Tisch gewischt hat: "Kein Deal ist besser als ein schlechter Deal", könnte David Davis seine Position ändern. Die britische Wirtschaft hatte den Sommer über ihre Forderung verstärkt, auch nach dem Brexit so viel Zugang zum EU-Binnenmarkt zu erhalten wie möglich. Nun will May die Austrittsgespräche erst einmal um zwei Jahre verlängern, um Spielraum und Zeit zu gewinnen. Der britische Brexit-Minister kann sich also in Brüssel schon mal ein Apartment nehmen. Jedenfalls hat seine Seite zuerst geblinzelt. 

Und übrigens: Wen von den beiden findet Alain Verbeke denn vertrauenswürdiger? "Michel Barnier wirkt ehrlicher als David Davis." Der übertreibt offenbar seine Rolle als Strahlemann des Brexit.

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