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Politik

Brexit: Bald ist Schluss

Barbara Wesel
28. November 2017

Theresa May bleibt nur wenig Zeit, um der EU eine gangbare Ausstiegsfinanzierung vorzulegen. Barbara Wesel berichtet über den Kampf Irlands um offene Grenzen und die Rückkehr eines roten Doppeldecker-Busses.

Belgien Ost-Gipfel in Brüssel
Bild: picture alliance / Christian Hartmann/REUTERS POOL/AP/dpa

Vielleicht sollte man die Brexit-Gespräche beim Wettbewerb um die schlechtesten Sex-Szenen im Journalismus anmelden. Immer wenn beide Seiten sich in Brüssel treffen, steigen die Erwartungen, erhitzt sich die Phantasie, glauben Beobachter an eine Annäherung, einen Höhepunkt noch im Laufe des Abends - und dann passiert wieder nichts und alle gehen frustriert nach Hause.

Hinter dem Lächeln von Donald Tusk und Theresa May in dieser Woche verbergen sich kalte Herzen und leere Hände. Sie hat ihr Scheckbuch nicht mitgebracht? Dann kann Donald nichts für sie tun. Wenn die Premierministerin nicht genug Geld für das Scheidungsverfahren aufbringt, dann behält die EU die silberne Teekanne, die Plattensammlung und den gemeinsamen Hund. May schwärmte nach dem Treffen, sie habe "so ein positives Gefühl", dass beide Seiten gemeinsam voran gehen wollten. Aber ihr Ex-Partner in spe zeigte sich ungerührt: Es blieben "gewaltige Herausforderungen". Das klingt nicht nach Liebe, es klingt nach Abbruch der Beziehung.

Und Donald Tusk setzte eine letzte Frist: Du hast noch zehn Tage, erklärt er Theresa May. Das war, nachdem Michel Barnier zuvor David Davis zwei Wochen Zeit gegeben hatte. Aber diesmal ist es ernst: Wenn die Premierministerin am 4. Dezember nicht den größten Teil der Brexit-Rechnung zu zahlen verspricht und eine Lösung für die Grenze in Irland mitbringt, dann ist es vorbei. Dann gibt es keinen hinreichenden Fortschritt beim Dezember-Gipfel, und die Gespräche über die Zukunft stecken fest. Ein düsterer Start ins Jahr 2018.

Die irische Küste ist stürmisch, die Stimmung in der irischen Regierung auch Bild: picture-alliance/ZB/F.Baumgarten

Die Iren kämpfen, wieder einmal

Außenminister Simon Coveney hat in den letzten Wochen harte Kante gezeigt: "Irland wird sich in den Brexit-Verhandlungen nicht ignorieren lassen". Der einzige Weg aber, um eine harte Grenze zwischen der Republik und Nordirland zu vermeiden wäre eine  "Vergleichbarkeit der Regelungen", so heißt es in einem Vorschlag der Iren. Das hieße, Nordirland müsste in der Zollunion bleiben oder eine Sonderwirtschaftszone werden, wie Hongkong, damit weiter zwischen beiden Teilen der Strom fließt, die Schafe hüben und drüben weiden und die Lastwagen ungehindert rollen können.

Die Konservativen in London und die Unionistische nordirische DUP, Mehrheitsbeschafferin der Regierung, heulten auf: Das sähe ja aus wie der Beginn einer irischen Wiedervereinigung und müsse eine Verschwörung von Sinn Fein sein. Die anti-englische Partei hat bekanntermaßen vieles auf dem Kerbholz, aber die Folgen des Brexit gehören bestimmt nicht dazu.

Inzwischen ist die Lage für die Regierung in Dublin ernst geworden, weil sie wegen eines alten Polizeiskandals um ihr Leben kämpfen muss. Sie könnte bis zum Dezember-Gipfel schwer geschwächt sein. Aber es gibt eine eiserne Entschlossenheit, sich vom Brexit nicht platt rollen zu lassen. Die selbstbewussten Iren stellen sich auf die Hinterbeine und die Geschichte zeigt, dass sie Kämpfer sind.

Es soll EU-Länder geben, die Boris Johnson nicht beeindruckend finden Bild: Reuters/T. Melville

Chaos? Welches Chaos?

Um die langweiligen Gespräche in Brüssel ein bisschen zu würzen, haben irische Diplomaten ein Papier mit unfreundlichen Details über die mutmaßliche Unfähigkeit der britischen Unterhändler gestreut. So soll Brexit-Minister David Davis nach Paris gefahren sein, um dort französische Widerstände zu überwinden. Dann erwähnte er aber in dem Treffen mit Kollegen den Brexit gar nicht, redete über das Wetter, Außenpolitik und den Milchpreis. Die Franzosen waren verblüfft.

Ein paar osteuropäische Länder wiederum gaben zu Protokoll, dass sie Boris Johnson "wenig beeindruckend" finden, andere glauben, die Regierung in London sei chaotisch und das Land zerrissen. In Lettland findet man, das ganze Königreich mache einen schlechten Eindruck. Und so weiter und so peinlich.

Dieser Wahlkampf-Bus soll das Brexit-Referendum entschieden haben Bild: picture-alliance/empics/S. Rousseau

Es gibt einen neuen roten Bus

Meinungsforscher sagen, der berüchtigte rote Doppeldecker-Bus aus der Referendums-Kampagne, mit dem 350 Millionen pro Woche für das staatliche Gesundheitssystem NHS versprochen wurden, hätte die Wähler im vorigen Jahr entscheidend beeinflusst. Das Geld sollte statt als EU-Beitrag (Fake News, die Summe ist weit niedriger) an das eigene Gesundheitssystem gezahlt werden.

Jetzt ist der rote Bus wieder da, aber mit einer anderen Botschaft. Finanzminister Philip Hammond kündigte in seinem Haushalt drei Milliarden Pfund für Brexit-Vorbereitungen an. Zusätzlich zu den 700 Millionen, die schon für neue Grenzbeamte, einen Riesenparkplatz für Laster in Dover und sonstiges eingestellt sind. Das ewig bedürftige Gesundheitssystem bekommt im nächsten Jahr nur 1,8 Milliarden mehr, ein Zehntel der Summe, mit der die Brexiteers Stimmung gemacht hatten. War es wirklich das, wofür die Leute gestimmt hatten?  

Milton Keynes gilt als eine der langweiligsten Städte GroßbritanniensBild: picture-alliance/Mary Evans Picture Library/A. Warren

Milton Keynes als Europäische Kulturhauptstadt, echt?

Der konservative Abgeordnete für Milton Keynes war wütend: "Wir wenden uns nicht von Europa ab, aber es sieht so aus, als drehten sie uns den Rücken zu". Gibt es da ein grundlegendes Missverständnis über den Brexit  - und was ist in Milton Keynes passiert? Die Stadt hatte sich, gemeinsam mit Nottingham, Dundee und Leeds, als Europäische Kulturhauptstadt 2023 beworben.  Die Gemeinden hatten tolle Programme, coole Websites und scharfe Slogans entworfen. Aber die EU-Kommission erklärte kühl, sie könnten leider nicht mehr mitmachen, weil Großbritannien im Jahr 2023 aus der EU ausgestiegen sei.

Die Regierung in London protestierte. Istanbul und Reykjavik wurden ins Spiel gebracht, die schon Kulturstädte waren. Aber Brüssel verwies auf die Regeln, wonach nur Mitglieder, EFTA-Staaten wie Island oder Kandidatenländer wie die Türkei mitmachen dürfen. Alles unwahrscheinlich in Bezug auf das Königreich im Jahr 2023.

Auch der Labour Abgeordnete Tom Watson war enttäuscht: "Die Regierung muss nun sicherstellen, dass uns der Brexit nicht kulturell von Europa isoliert". Vielleicht sollte man ja eine Organisation erfinden, die alle europäischen Länder verbindet? Die nennt man Europäische Union? Dann ist es schade, dass Brexit wirklich Brexit meint.

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