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Politik

Brexit-Tagebuch 24: Es steht ein Elefant im Raum

Barbara Wesel
15. Januar 2018

Nigel Farage erkennt den Elefanten im Raum, Philip Hammond hat Probleme beim Tangotanzen, Boris hält den Brexit für Zeitverschwendung und alle sollen sich entscheiden.

Tier Nase - Elefant
Bild: picture-alliance/Mary Evans Picture Library/P.Leeson/ardea.com

Nichts ist leichter, als den Elefanten im Raum zu ignorieren. Man kann um ihn herum rennen, auf die Leiter steigen und oben drüber gucken oder vielleicht unten durch, wenn man das Tier nicht zur Kenntnis nehmen will.

Nun begab es sich, dass ein gewisser Nigel F. plötzlich verkündete: "Da steht ein Elefant!". Deshalb muss man leider schon wieder über ihn reden. Jedenfalls bebte in Großbritannien kurz die Welt, als Farage ganz unerwartet erklärte: "Also vielleicht, nur vielleicht, komme ich an den Punkt, dass wir ein zweites Referendum über die EU-Mitgliedschaft abhalten sollten."  Natürlich nur, um den lähmenden Streit über den Brexit ein für alle Mal und für Generationen zu beenden.

Seine Freunde waren verwirrt. Warum fällt ihnen Nigel plötzlich in den Rücken, der stolze Chefpropagandist der EU-Hasser? Dafür gibt es zwei mögliche Erklärungen: Nigel sucht ganz dringend mediale Aufmerksamkeit, weil sein letzter Auftritt in Brüssel nicht so der Renner war. Oder er hat einen sicheren Instinkt dafür, sich auf die Seite der Gewinner der Geschichte zu schlagen. Ein zweites Referendum wird nämlich plötzlich überall als möglich, ja sogar als wahrscheinlich angesehen. Die harten Brexiteers haben keine Mehrheit im Parlament, das Abkommen mit der EU könnte kläglich scheitern, da bietet sich eine zweite Volksbefragung als Ausweg aus verfahrener Lage an.

Farage übrigens bekommt jetzt die Rache des EU-Parlaments, dass er seit Jahren runter macht aber trotzdem abzockt, am eigenen Portemonnaie zu spüren. 40.000 Euro, die er für einen Assistenten ausgegeben habe, der eigentlich für seine Ukip-Partei tätig war, werden ihm jetzt vom Gehalt abgezogen. Schadenfreude? Ach was, das hat mit Schadenfreude nichts zu tun.

Beim Tango geht es um Verführung - ist Philip Hammond da in der richtigen Rolle? Bild: DANIEL GARCIA/AFP/Getty Images

Man braucht zwei für einen Tango

Der britische Schatzkanzler fuhr nach Berlin, um dort bei Wirtschaftsleuten Unterstützung zu suchen. Der Finanzplatz London sei so wichtig, die EU solle doch nicht dumm sein und sich von ihm abschneiden, erklärte Philip Hammond. Notfalls werde man für Zugang zum EU-Markt auch zahlen. Das wurde allerdings in London gleich wieder dementiert. Und unbedingt müsse ein Brexit-Abkommen die Tür für Dienstleistungen öffnen, denn schließlich stehen sie für den größten Teil der britischen Wirtschaftsleistung. Das Gerede von einem Freihandelsabkommen à la Kanada sei einfach nur engstirnig.  

Und überhaupt: Die EU solle doch aufhören so "paranoid" zu sein und die Briten wegen ihres EU-Austritts bestrafen zu wollen. Es sehe doch gar nicht so aus, als ob andere Länder dem britischen Beispiel folgen wollten. Wollte er sagen, sie sind nicht so blöd?

Großbritannien aber will mehr, erklärt der Finanzminister: eine besondere, tiefe und enge Partnerschaft mit der EU. Genau, so etwas nennt man Mitgliedschaft. Wollen sie nicht mehr? Dann vielleicht das Norwegen-Modell? Wollen sie auch nicht? Dann kann man wohl nichts machen.

Ach ja, die EU solle doch nicht so phantasielos sein und den Briten endlich ein Angebot für ein Abkommen machen. Man brauche schließlich zwei zum Tango tanzen, sagte Hammond. Hatte er dabei etwa an Angela Merkel gedacht? Und hält er sich für einen so begnadeten Verführer, dass er glaubt die Bundeskanzlerin würde ihm so einfach auf's glatte Parkett folgen? Wenn in der EU überhaupt getanzt wird, dann nur zu 27, und das wird dann eher eine Art Polonaise.

Es ist zum Haare raufen - selbst Boris Johnson hat jetzt Zweifel am BrexitBild: Reuters/T. Melville

Kann denn Brexit eine Zeitverschwendung sein?

Boris Johnson macht sich Sorgen. Da geht es ihm ganz ähnlich wie Nigel F. Irgendwie läuft das Ganze nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte. Nicht reibungslos, glorreich, heldenhaft und von Lorbeer gekrönt. Stattdessen schleppt sich der Brexit zäh wie Kleister um die Ecke, von einem Hindernis zum nächsten. Und das Ergebnis sieht zunehmend nach einem windschiefen, mühsam zusammen genagelten Kompromiss aus.

"Wenn am Ende Großbritannien weiter der EU unterworfen bleibt, dann war der Brexit eine totale Zeitverschwendung", soll der Außenminister jetzt im Freundeskreis gesagt haben. So berichtet es jedenfalls die Zeitung "The Sun". "Dann würde ich lieber drin bleiben als so raus zu gehen."

Donnerschlag, Boris Johnson hat endlich das Problem verstanden. Er hat weder im Parlament noch in der Bevölkerung eine Mehrheit für einen harten Brexit. Das wäre der Sturz über die Klippe, egal was kommt. Ökonomisch wäre es der selbstmörderische  Knall-auf-Fall Ausstieg aus der EU, der allein Boris Ansprüchen von nationaler Großartigkeit genügen könnte.

Aber da die EU nicht bereit ist, den Briten beim Brexit noch zu helfen und ihnen die Wohltaten hinterher zu werfen, kann am Ende bestenfalls ein politisches Gewürge stehen. Und das fängt mit der zweijährigen Übergangsfrist an, in der sich zunächst einmal gar nichts ändert, außer dass London kein Stimmrecht in Brüssel mehr hat. Das alles kann man durchaus eine Zeitverschwendung nennen. Aber das hätten wir Boris auch schon vorher sagen können. 

Bald will Theresa May wieder eine Rede über die Zukunft halten - seit der letzten sind wir wenig voran gekommenBild: picture-alliance/AP Photo/J. J. Mitchell

Was für einen Brexit hätten sie denn gern?

In dieser Woche sollen sich Theresa Mays Minister, diesseits und jenseits des Brexit-Grabens, endlich entscheiden was für eine Art Ausstieg sie wollen: mit oder ohne Zollunion, Binnenmarkt, Übergangszeit, vertiefter Kooperation und so weiter. Voraussichtlich wird dabei wieder viel "Cake-Havery" vorkommen, ein feines Wort, das aus "Kuchen haben und essen" entstanden ist und das Problem des britischen Kabinetts aufs Schönste beschreibt. Welchen Brexit hätten sie denn gern? Die Antwort kennt nur der Wind. Aber die Premierministerin wird im Februar wieder eine Rede dazu halten.

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