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Politik

Wenn das Oberhaus zum Schlag ausholt

Barbara Wesel
17. April 2018

Oberhaus gegen Theresa May, aber für die europäische Zollunion; das Commonwealth wird den Brexit nicht retten; lasst uns über die Zukunft reden - und warum der Brite Boris den Ungarn Victor liebt.

UK House of Lords
Bild: Getty Images/AFP/C. Court

Vielleicht geht Theresa May in dieser Woche einer Niederlage entgegen. Nach vielen Stunden erschöpfender Debatte über das Brexit-Gesetz sieht es so aus, als ob das Oberhaus zum Schlag gegen die Premierministerin ausholt. Die Lords werden vermutlich einem Antrag zustimmen, wonach die Regierung in einer Zollunion mit der EU bleiben soll. Nur eines der Argumente ist, dass damit auch die Frage der Grenze zwischen Nord- und Republik Irland, zwischen Vereinigtem Königreich und der EU, zumindest teilweise gelöst würde.

Aber damit werden Theresa Mays rote Linien überschritten; für sie heißt "raus" eben "raus" - außer bei den Verträgen und Organisationen, die die Briten inzwischen als lebenswichtig erkannt haben. Und manche werden es besonders unterhaltsam finden, dass ausgerechnet die Lords gegen die Regierung aufstehen. Wie oft wurde schon das Oberhaus in den letzten Jahren als überflüssig bezeichnet, eine Tagesstätte für tatterige Gestrige, die längst hätte abgeschafft werden müssen. Jetzt sieht es so aus, als ob die Alten mehr unabhängigen Geist und Vernunft zeigen als erwartet.

"Raus" heißt "raus", außer wenn es den Briten nützt: Theresa May Bild: Reuters/H. McKay

Ein Votum im Oberhaus kann natürlich im Unterhaus überstimmt werden. Aber: Stimmen die Zahlen für die Premierministerin mit ihrer knappen Mehrheit? Labour hat inzwischen die Meinung gewechselt und will auch in der Zollunion bleiben. Dann nehme man noch ein paar Tory-Rebellen dazu - und fertig ist das Debakel für May. Allerdings wird sie nicht vor den Regionalwahlen abstimmen lassen, wo die Tories aller Vorraussicht nach viele Stimmen verlieren werden. Der Brexit erweist sich nicht nur als die größte Selbstverstümmelung der Briten, wie die Remainer immer behaupten, sondern wird auch immer chaotischer. Auf jeden Fall hält er die Regierung in London auf Trab.

Das Empire wird's nicht bringen

Das wird wieder einer dieser glorreichen britischen Events. Flaggen und Trompeten, die Königin und Diamanten: Der ganze imperiale Pomp wird das Treffen der Commonwealth-Regierungschefs begleiten. Zum ersten Mal seit 20 Jahren ist London Gastgeber der Delegationen aus 53 Ländern, die wenig gemeinsam haben außer dass sie einmal britische Kolonien waren. Geredet wird dabei über dies und jenes.

Denn was tut eigentlich das Commonwealth? Diese wichtige Frage brachte Professor Philip Murphy, Direktor des Instituts für Commonwealth-Studien, kurz nach seiner Ernennung ziemlich aus dem Konzept, als er Gast einer Radio-Talkshow war. "Na ja, es tut nicht sehr viel, aber es kostet auch nicht viel", habe er geantwortet, so gibt Murphy zu.

Pomp and circumstance: Das Commonwealth versammelt sich in LondonBild: Reuters/S. Dawson

Das Commonwealth scheint aus Cocktail-Partys und Konferenzen zu bestehen. "Es ist wie die Standuhr vom Großvater, die seit Jahrzehnten in Besitz der Familie ist. Sie hat schon lange keine korrekte Zeit mehr gezeigt, aber keiner traut sich, das Erbstück auf den Müll zu werfen", erklärt Murphy. In dieser Woche erscheint sein Buch "Mythos Commonwealth".

Die Brexiteers aber setzen alles auf die Karte ihrer imperialen Vergangenheit: Wir brauchen die EU nicht, weil wir ja das Commonwealth haben, mit dem wir jede Menge Handelsverträge abschließen können. Außenminister Boris Johnson hofft deshalb, das Treffen werde "eine großartige Gelegenheit, alte Freundschaften zu pflegen - mit einigen der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt". Viel Spaß dabei.

Indien nämlich zeigte Theresa May die kalte Schulter bei ihrem Besuch im vorigen Jahr, als sie Zustimmung zu einem baldigen Handelsvertrag suchte. Delhi gibt der EU Vorrang und will dann erst mit den Briten reden. Und außerdem will die indische Regierung freien Reiseverkehr nach Großbritannien. Das könnte Probleme schaffen, wenn es dann um Zuwanderung und Bewegungsfreiheit geht. Die EU hat, ohne die Briten, rund 450 Millionen Einwohner, von denen die meisten nicht wirklich ins Königreich umziehen wollen. Indien hat 1,3 Milliarden Einwohner, von denen drei Viertel sich ein Leben in Großbritannien gut vorstellen könnten. Irgendjemand hat da etwas nicht durchdacht.

Reden wir über die Zukunft

In dieser Woche gehen die Brexit-Verhandlungen weiter, und zum ersten Mal geht es dabei um das künftige Verhältnis. Brexit-Minister David Davis aber hatte einen tollen Plan. Er wollte Brüssel mit 300 britischen Beamten fluten, die blitzschnell alle juristischen und organisatorischen Einzelheiten des neuen EU-UK-Vertrages klären würden, so dass er im Herbst schon einen fix und fertigen Vertrag auf den Tisch legen könnte. Aber wie so häufig hat er die Rechnung ohne Michel Barnier gemacht.

David Davis (l.) hat einen Plan, Michel Barnier (r.) hat andere VorstellungenBild: picture-alliance/AP Photo/V. Mayo

Der Franzose hält sich an die Verfahren. Und die EU-Regierungschefs haben ihm nur den Auftrag gegeben, bis Oktober ein politisches Grundsatzabkommen vorzubereiten. Die Einzelheiten sollen dann in der Übergangsphase ausgearbeitet werden. London aber befürchtet, dass man im Herbst dem Parlament nichts Handfestes vorzulegen hat, wenn man so verfährt. Worauf Brüssel nur die Schultern zuckt und den ewig gleichen Satz wiederholt: "Ihr wollt doch austreten…"

In der Zwischenzeit gab es keinen Fortschritt in der Frage der Grenze zu Irland. Mehr dazu in der nächsten Woche, wo es auch wieder keinen Fortschritt geben wird.

Boris und die Männerfreundschaft mit Victor

Boris Johnsons Glückwünsche nach der Wiederwahl an Viktor Orban und seine Fidesz-Partei schienen wirklich von Herzen zu kommen. "Wir freuen uns darauf, mit unseren ungarischen Freunden zusammenzuarbeiten und unsere enge Partnerschaft weiterzuentwickeln." Keine Erwähnung des Antisemitismus in der Wahlkampagne, der Fremdenfeindlichkeit von "Victor", die Zerstörung der freien Presse durch ihn, die Ungleichheit bei der Wahlfinanzierung und das Klima der Einschüchterung, das die internationalen Beobachter feststellten. Darüber zu reden wäre nicht höflich.

Nachvollziehbare Beweggründe: Männerfreunde Johnson und Orban

Seine Kritiker beschuldigten den britischen Außenminister des offenen Opportunismus, weil er sich so deutlich bei dem bekennenden illiberalen Nationalisten Orban einschleimte. Er wollte ihn nur bei den Brexit-Verhandlungen auf seine Seite ziehen, so der Vorwurf. Das ist nicht schön, aber man kann die Beweggründe irgendwie nachvollziehen.