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Politik

Welche Zollunion darf's denn sein?

Barbara Wesel
24. April 2018

Kurskorrekturen bei der Zollunion, ein Aufstand im Oberhaus gegen Theresa May, Michel Barnier und die Zeichen an der Wand - und ein herzliches Willkommen für Jürgen Klopp im Club der Europa-Erklärer.

UK Brexit - Oberhaus
Bild: picture-alliance/empics

Eine Mogelpackung, ein Königreich für eine Mogelpackung! Es sind harte Zeiten für Theresa May, weil sie wieder von allen Seiten unter Druck steht. Moderate Tories wollen, dass Großbritannien in der Zollunion mit der EU bleibt, weil das die einfachste Lösung ist, um komplizierte und teure Grenzkontrollen am Ärmelkanal zu verhindern. Das würde allerdings bedeuten, dass die Briten künftige Verträge der Europäer mit Dritten akzeptieren müssten, ohne Mitsprache zu haben. Andererseits würde Dover dann nicht in einen riesigen LKW-Parkplatz verwandelt. 

Das Oberhaus jedenfalls hat für den Verbleib in einer Zollunion gestimmt. Und die Softies in London meinten, May könnte ja ihre rote Linie vergessen und einfach drinbleiben. Dann müsste sie auch nicht ihre schwache Mehrheit im Unterhaus testen, die einen harten Brexit ablehnt, um wiederum das Oberhaus zu überstimmen. Die Regierung "würde nicht in ihr Bier weinen", hatte ein Mitarbeiter vorlaut erklärt, wenn das Parlament in Sachen Zollunion die Zügel übernehme. 

Danach aber musste May in ihren Whisky weinen. Denn sie kann ihre Rechnung nicht ohne die Brexiteers machen. Boris Johnson und Liam Fox drohten, sie würden sich die Premierministerin zur Brust nehmen und faule Kompromisse verhindern. May schickte also sofort Dementis raus, um die politischen Wogen zu glätten. Natürlich würde Großbritannien die Zollunion mit der EU verlassen - um dann wieder in eine Zollunion mit der EU einzutreten, stammelte der Tory-Abgeordnete Stephen Kerr auftragsgemäß in den TV-Nachrichten. Das wäre dann also nicht dieselbe Zollunion? Äh, ja und nein, eine andere, aber ähnlich. Das sind die Freuden, wenn einer komplizierte Dinge in zwei Minuten erklären muss, von denen er nichts versteht.

Familientreffen mit den Regierungschefs des Commonwealth - aber die können beim Brexit überhaupt nicht helfen Bild: Getty Images/AFP/H. Nicholls

Was die Brexiteers dagegen wollen, nennen sie "max-fac", maximal erleichterte Grenzkontrollen ohne Zollunion. Alles andere sei ein "byzantinischer Plot, um den Brexit erst zu verlangsamen und dann abzuwürgen". Nie und nimmer würden Tory-Abgeordnete dem zustimmen. Anderseits würde die EU nie und nimmer max-fac zustimmen. 

Die nächste Chance zu erfahren, wer im Unterhaus tatsächlich wofür stimmt, kommt an diesem Donnerstag. Aber das Votum ist nicht bindend, und Theresa May hat noch Zeit bis zum Sommer, das Brexit-Gesetz irgendwie zurechtzukneten, bis es tatsächlich zur Abstimmung kommt.

Noch eine Niederlage für Theresa May

In jüngster Zeit vergeht kein Tag, ohne dass die Regierung vom Oberhaus Ohrfeigen erhält. Innerhalb von einer Woche musste sie fünf Niederlagen in punkto Brexit einstecken. Was denken die sich? Die Brexiteers toben und drohen den Lords umgehend mit ihrer Abschaffung. Sie wollen schon 100.000 Unterschriften dafür gesammelt haben. Hat Cambridge Analytica dabei geholfen?

Der Hafen von Dover würde sich nach dem Ende der Zollunion in einen riesigen LKW-Parkplatz verwandelnBild: Imago/Manngold

Aber das Oberhaus ist in Fahrt. Nachdem die Lords die Regierung an den Nutzen der Zollunion erinnert hatten, stimmten sie auch noch dafür, die Europäische Menschenrechts-Charta nach dem Brexit beizubehalten. Sie garantiert Millionen EU-Bürgern grundlegende politische, soziale und wirtschaftliche Rechte. Der parteilose Lord Pannick begründete das Votum: "Ich fürchte, dass die Regierung die Rechte aus der Charta los werden will, weil sie den Grundrechten misstrauisch gegenüber steht." Pannick ist Anwalt und Spezialist für Menschenrechte und hat wohl Gründe für seine Befürchtungen. 

Von der anderen Seite des ideologischen Grabens schlug Lord Keen von Elie zurück. In dieser Form "fremdes Recht" zu übernehmen, wäre eine "der größten konstitutionellen Ungeheuerlichkeiten seit 1689"; damals wurde - ungeheuerlich? - die "Bill of Rights" verabschiedet, die die Rechte des Parlaments gegenüber dem Monarchen festlegte. Es ist immer gut, an den ganzen Lauf der Geschichte zu erinnern - sogar wenn man dafür zurückgeht bis zur Bill of Rights und dem guten König Wilhelm III, der sie akzeptieren musste. Der war übrigens ein Spross aus dem königlichen Haus Oranje aus den Niederlanden - klassischer Fall eines EU-Arbeitnehmers. Aber damit soll ja nach dem Brexit Schluss sein.

Lest die Zeichen an der Wand!

Ein Turnschuh für Angela MerkelBild: picture-alliance/dpa/P. Steffen

Um die Brexit-Verhandlungen in Brüssel war es in letzter Zeit verdächtig still. Keine Erklärungen und Pressekonferenzen - einfach Ruhe. Das kann ein gutes Zeichen sein - wenn sie mit professioneller Verschwiegenheit geführt werden. Oder es ist ein schlechtes Zeichen, weil einfach nichts passiert. Letzteres trifft eher zu.

Aber wer die essigsauren Erklärungen von Chef-Unterhändler Michel Barnier vermisst, der konnte ihm jetzt nach Hannover folgen. Auf der großen Industriemesse demonstriert Deutschland seine jüngsten Erfolge mit Künstlicher Intelligenz durch eine Maschine, die ohne menschliche Mitwirkung einen maßgefertigten Laufschuh für die Bundeskanzlerin produziert hat. Wer Angela Merkel kennt, mag dies für ein sinnloses Produkt halten.

Barnier nutzte die Gelegenheit, vor den versammelten Industriebossen die Vorzüge des Binnenmarkts zu preisen. Er würde auch nach dem Brexit erhalten bleiben, denn in diesen "Grundsatzfragen" könne es keine Kompromisse geben. Abgesehen davon gebe es zwar gute Fortschritte bei der Scheidungsvereinbarung, aber: "Sicherheit in Fragen der Übergangsphase wird es erst geben, wenn die Trennung umfassend  vereinbart ist." Und an dem Punkt sei man noch nicht, unter anderem wegen der irischen Grenze. "Das bedeutet: Unternehmen dürfen keine Zeit verlieren und müssen sich auf alle Szenarien vorbereiten". Lest die Zeichen an der Wand!

Und die Zukunft? Der Umriss für ein künftiges Freihandelsabkommen von Seiten der EU liegt auf dem Tisch. "Jetzt muss Großbritannien eine eigene Vision der Zukunft vorlegen, die entweder den roten Linien entspricht oder sie entsprechend anpasst". Also, Theresa May, was soll es denn sein: Raus aus der Zollunion, rein in die Zollunion?

Jürgen Klopp bewirbt sich um einen Job als Europa-ExperteBild: picture-alliance/dpa/PA Wire/R. Sellers

Willkommen, Jürgen Klopp, im Kreise der Politik-Erklärer

Er hat seinem Team einen Platz unter den Großen versprochen. Und anlässlich Liverpools historischer Chance bei der Begegnung mit AS Rom im Halbfinale der Champions League (die Liverpool dann deutlich mit 5:2 nutzte) zeigte Jürgen Klopp die Mischung aus Bescheidenheit und Ehrgeiz, die ihn unter den britischen Fußballtrainern so beliebt macht: "Viele Mannschaften können den Titel gewinnen, aber für uns geht es darum, unser Bestes zu geben. Auch wenn es am Ende nicht reicht, wir müssen es zeigen".

Dann machte er noch einen Ausflug zum Thema Brexit und zeigt ein bemerkenswertes Maß an Einsicht und gesundem Menschenverstand: "Die EU ist nicht perfekt, wird nie perfekt sein, aber sie war unsere beste Idee. Historisch ging es immer gut, wenn die mächtigen Länder zusammen geblieben sind. Wenn wir auseinandergehen, gibt es Probleme. Ich habe Cameron nicht verstanden… Schon durch die Frage allein hat man das Land gespalten. Das ist gegen jede Vernunft… Ich glaube, wenn wir als Europäer zusammen bleiben, bekommen wir die Probleme der Zukunft hin".

Hat jemand einen Job für einen politischen Berater, Chef-Kommentator oder EU-Experten? Am besten halbtags, weil Klopp sich ja auch noch um Liverpool kümmern muss.

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