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Politik

Viel Lärm um wenig, mal wieder

Barbara Wesel
13. Juni 2018

Ein Tag der Entscheidung im Unterhaus in London, David Davis tritt zurück vom Rücktritt, Boris Johnson sagt laut, was er denkt, und denkt vielleicht leise an Churchill, und: die Hand Putins beim Brexit.

UK Brexit-Votum |  Anti-Brexit-Demo vor Unterhaus in London
Bild: Reuters/S. Dawson

Es ging dann noch glimpflich aus für Premierministerin Theresa May: Am Dienstagabend stimmte das Unterhaus über eine Gesetzesvorlage aus dem House of Lords zur Änderung des EU-Austrittsgesetzes ab. Es ging um das Recht der Abgeordneten auf eine Schlussabstimmung zum Brexit-Vertrag. Und angesichts der Zahl der Zweifler in den eigenen Reihen war die Situation für die Premierministerin brandgefährlich.

May hatte gerade eine weitere quälende Woche überlebt. Ihr Kabinett kann sich einfach nicht darauf einigen, welche Form von Zollabkommen mit der EU man künftig will. Und daher ist auch die irische Grenzfrage weiter offen. Ihr Brexit-Verhandlungsführer David Davis drohte wieder einmal mit Rücktritt, und schließlich ignorierte Donald Trump beim G7-Treffen die britische Premierministerin komplett. Man fragt sich, wie viel Folter May eigentlich aushalten kann.

Inzwischen aber kam die Stunde der Entscheidung in London. Der Rücktritt eines Tory-Staatssekretärs im Justizministerium erhöhte noch die Spannung. Philip Lee outete sich als weiterer Brexit-Rebell unter den Konservativen und sagte in seiner Begründungsrede zumindest einen denkwürdigen Satz: "Künftig werden die Länder überleben, die Verbündete haben." Das sollten sich die Brexiteers in Stein meißeln lassen und in ihren Vorgärten aufstellen.

Begeisterung sieht anders aus: Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses im UnterhausBild: picture-alliance/empics

Am Ende überlebte Theresa May den Tag ohne vernichtende Abstimmungsniederlage, weil sie ihren Abgeordneten weitreichende Zugeständnisse machte. "Sie hat ihnen den Aufstand abgekauft", hieß es im Unterhaus. Die Tory-Rebellen enthielten sich oder stimmten mit der Regierung, weil die Premierministerin ihnen eine "bedeutsame Stimme im Brexit-Prozess" versprach. Sie tat das allerdings nur mündlich. Schon am Tag danach wurde gestritten, was May nun wirklich zugesagt hatte. Kommentatoren folgern, ein Crash oder harter Brexit sei jetzt vom Tisch. Aber der nächste Streit darüber scheint schon programmiert, und die Brexiteers fühlen sich über genau diesen Tisch gezogen.

Ist David Davis eine Drama Queen?

Wäre er in der vergangenen Woche zurück getreten, hätte er seine große Stunde im Parlament verpasst, wo Brexit-Minister Davis dagegen argumentieren durfte, dem Parlament eine Stimme zum Brexit-Vertrag zu geben. So eine Abstimmung würde die Verhandlungsposition der Regierung in Brüssel unterminieren, erklärte er. Als ob sie bei der EU keine englischen Zeitungen läsen und nicht wüssten, wie heillos zerstritten Mays Truppen sind. Außerdem sei es Aufgabe der Regierung und nicht des Parlaments, Verträge auszuhandeln. Also sollten die Abgeordneten jetzt brav sein und sich wieder hinsetzen.

Rücktritt vom Rücktritt: David DavisBild: picture-alliance/Photoshot/J. Ng/Retna

Was aber hatte ihn geritten, als er den Dauerzank um die Lösung für die irische Grenzfrage zum Anlass nahm, mit seinem Rücktritt zu drohen? Theresa May hatte versucht, aus dem sogenannten Backstop, der Rückfallposition der EU für Irland und Nordirland, eine für ganz Großbritannien geltende Regelung zu machen. Man würde einfach in Teilen der Zollunion mit der EU bleiben, um einen reibungslosen Handel an den Grenzen zu gewährleisten und gleichzeitig das Irlandproblem lösen.

Dieser Vorschlag erwischte David Davis auf dem falschen Fuß. Er fürchtet einen "Hotel-California"-Brexit, wo die Briten zwar auschecken, den Laden aber nie wirklich verlassen könnten. 24 Stunden lang versetzte er also Westminster in Panik mit seiner Drohung, die Lappen hinzuschmeißen, denn es stand zu befürchten, Davis würde Theresa May mit in den Bach reißen. Flugs beruhigte Theresa die aufgewühlten Wellen: Diese spezielle Zollunion sei nur vorübergehend, würde höchstens bis Ende 2021 bestehen, so etwa. Und schnell trat Davis vom Rücktritt wieder zurück. Der Brexit-Minister als Drama Queen, der Spaß an einem Panikanfall in London zu haben scheint. 

Der Brexit, wie ihn Ivan Rogers sieht

Der frühere britische Botschafter bei der EU war schon im Januar 2017 von seinem Amt in Brüssel zurückgetreten, noch vor Beginn der Brexit-Verhandlungen. Er befürchtete, dass seine Regierung die Komplexität der Probleme total unterschätzte. Wann immer also jemand in London jetzt hören will, wie schwierig die Verhandlungen wirklich sind, lädt er Ivan Rogers ein. Und der enttäuscht nie. Beide Lösungen für einen reibungslosen Handel nach dem Brexit, wegen derer die Regierung völlig zerstritten ist, sind für die EU nicht akzeptabel, sagte er jetzt einem Parlamentsausschuss. 

Mit Farbe nicht zu lösen: Das Problem der EU-Grenze in IrlandBild: picture-alliance/empics/N. Carson

"Wie immer die technische Überwachung der Grenze aussieht, es bleibt doch eine Grenze." Die EU könnte den Briten keinen offenen Grenzverkehr in dieser Form gewähren. Und das gleiche gelte für die von Theresa May bevorzugte Zoll-Partnerschaft. Die Briten würden "eine aufwendige Maschinerie brauchen, um an die EU die für sie eingenommenen Zölle auszuzahlen"; das sei "komplex, um es vorsichtig zu sagen".

Wenn also beide britischen Vorschläge für künftigen reibungslosen Grenzverkehr nicht funktionierten, dann gehe man auf "einen größeren Krach zu". Und Rogers, der lange genug in Brüssel war, um EU-Regeln zu erstehen, fügt hinzu, dass er nicht obstruktiv sein wolle: "All das wird verdammt schwierig umzusetzen."

Boris sagt, was er denkt - wieder einmal

"Wir müssen gegen die EU den Kampf aufnehmen", forderte Boris Johnson bei einem privaten Abendessen, das öffentlich wurde, weil ein Teilnehmer den Aufnahmeknopf an seinem Handy betätigt hatte. Das klingt verdächtig nach Winston Churchill, der im zweiten Weltkrieg den Deutschen gedroht hatte: "Wir werden auf den Stränden (gegen sie) kämpfen." Boris liebt einen Hauch Historie, auch wenn der Kontext nicht ganz stimmt. Aber er macht doch ziemlich klar, was er von den Partnern in Brüssel denkt.

Zack, peng, bumm: Boris Johnson zieht Donald Trump der eigenen Chefin vorBild: picture-alliance/NurPhoto/A. Pezzali

Boris hätte auch lieber Donald Trump als Vertreter bei den Brexit -Gesprächen statt Theresa May. Der britische Außenminister liebt Twitter als politische Waffe und ist Anhänger der "Zack, peng, bumm"-Schule der Verhandlungsführung. Irgendwie fehlt ihm derzeit die Größe beim Brexit, das Heroische. Und das Schlimmste für Boris wäre wie für seinen Kollegen David Davis, "wenn wir in einer Art Vorraum zur EU endeten, in einer Umlaufbahn um die EU, in einer Zollunion". Das wäre in der Tat furchtbar, weil wirklich unnötig.

Die Hand Putins

Den Verdacht gab es schon eine Weile, dass die Hand Putins beim Brexit-Referendum mitgespielt hatte. Und dabei ging es nicht nur um die dunklen Künste des Trollens, des Tweetens und der Desinformation, sondern auch um Geld. Und hier kommt einer der selbsternannten "Bösen Jungs des Brexit" ins Spiel. Multi-Millionär Arron Banks, dessen Vermögen aus ungeklärten Quellen stammt, gab der Leave. EU-Kampagne ungefähr 12 Millionen Pfund und fachte die anti-europäischen Feuer unter anderem  durch besonders fiese Propaganda gegen Migranten an.

Arron Banks: "Ein besoffenes Mittagessen"Bild: Reuters/S. Dawson

Jetzt stellte sich heraus, dass Banks doch mehr Treffen mit dem russischen Botschafter in London hatte als das eine "besoffene Mittagessen", das er immer zugab. Es waren eher drei Essen und weitere Treffen mit russischen Vertretern, von denen ihm einer dann sechs Goldminen in Russland zur kommerziellen Verwertung anbot. Aber das war natürlich nichts als Bruderliebe.

Es gibt bisher keine handfesten Beweise, dass der russische Präsident und seine Vertrauten eigenhändig und aktiv das Auseinanderbrechen der EU unterstützten. Aber die Geschichte über Banks russische Verbindungen schürt doch den Verdacht - selbst wenn er das Ganze "Müll" nennt. Aber wir reden hier nicht über Müll, sondern über den Brexit, mit freundlichen Grüßen aus Moskau.

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