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Politik

Die Muppet Show geht weiter

Barbara Wesel Brüssel
22. August 2018

Das Treffen der Unterhändler, Angst und Schrecken durch Brexit-Pläne in London, kein Deal ist kein Problem und die unvermeidliche Rückkehr des Nigel Farage - die Briten zeigen sich zunehmend genervt.

Belgien | Brexit-Minister-Besuch in Brüssel
Bild: picture-alliance/dpa/AA/D. Aydemir

Michel Barnier und Domic Raab kamen nach ihrem kurzen Treffen in Brüssel höflich heraus zu der wartenden Presse und erklärten, dass sie nichts zu sagen hätten. "Wir brauchen rechtlich verbindliche Festlegungen zur Grenzfrage in Irland", sagte EU-Unterhändler Barnier. "Wir werden von jetzt ab ununterbrochen weiter verhandeln", erklärte sein britischer Kollege. Und beide sind sich einig, dass die Gespräche über Sicherheit und Außenpolitik viel weiter seien als über Fragen der Wirtschaft.

Die beiden Männer sind in ihrer Rolle gefangen. Der sogenannte Chequers-Vorschlag der britischen Regierungschefin Theresa May, ihr letztes Verhandlungsangebot, ist für die EU nicht akzeptabel. Aber weder Raab noch Barnier können Kompromisse schließen, um die Kluft zu überbrücken. Das kann nicht einmal die Premierministerin selbst, weil ihre Partei schon wieder unruhig wird.

Die Dinge stehen nach der Sommerpause genau da,  wo sie vor der Sommerpause waren. Manche mögen das Kontinuität nennen, andere halten es für ein schlechtes Omen und erwarten ein Scheitern der Gespräche. Aber bis die Regierungschefs in der Europäischen Union oder in London den Stöpsel ziehen, wird die Muppet Show der Unterhändler weiter gehen. 

Angst und Schrecken in London

Am Donnerstag will die Regierung in London ihre Kampagne zur Verbreitung von Angst und Schrecken starten. In 84 Einzelpapieren sollen die Vorbereitungen für einen No-Deal-Brexit erläutert werden. Sie reichen vom Horten von Medikamenten und Impfstoffen, der Zertifizierung von Seeleuten oder der Tierzucht bis zu wirtschaftlichen Details, von denen Brexit-Wähler nie geträumt hatten.

Die britische Regierung will unter anderem Lebensmittel für den Notfall nach dem Brexit lagern lassenBild: Getty Images/D. Kitwood

Es soll auch um die Lagerung von Notfall-Lebensmitteln gehen und am Ende um einen riesigen LKW-Parkplatz am Fährhafen Dover - nur für den Fall, dass der reibungslose Grenzverkehr mit Europa am 29. März 2019 endet.

Die Manager des Flughafens Heathrow haben inzwischen einen Kredit von einer Milliarde Pfund aufgenommen. Als Notfallpuffer und solange der Finanzmarkt noch funktioniert. Damit könne man bis zu zwei Monate überleben, heißt es, wenn die Einnahmen stocken sollten. Man weiß, was das bei einem Airport bedeutet: Der Flugverkehr liegt still.

Gleichzeitig soll Brexit-Minister Dominic Raab mit einer Rede die Öffentlichkeit beruhigen. Obwohl die Regierung weiter an einen Deal mit der EU glaube, müsse man doch vorbereitet sein, so die Linie der Regierung. Also bitte keine Panik, hier gibt es nichts zu sehen.

Das britische Gesundheitssystem fürchtet um den Nachschub an Pillen Bild: Colourbox

Aus der Führungsetage des öffentlichen Gesundheitswesens (NHS) kommt die Warnung, dass ein harter oder No-Deal-Brexit unmittelbar die Versorgung mit Medikamenten gefährden würde. Außerdem fürchtet das NHS, zunehmend seine EU-Mitarbeiter zu verlieren. Immer mehr Ärzte und Krankenschwestern aus Europa verlassen Großbritannien. Insgesamt haben in den vergangenen zwölf Monaten 86.000 Arbeitnehmer aus der EU dem Königreich den Rücken gekehrt, die größte Abwanderung jemals. 

Theresa May bietet deshalb jetzt den drei Millionen EU-Bürgern das bedingungslose Recht an, nach dem Brexit in Großbritannien zu bleiben. Egal was in Brüssel passiert. Ihre Berater verkaufen den Vorstoß als Geste moralischer Überlegenheit. Tatsächlich will die Premierministerin die Wirtschaft vor einer Katastrophe bewahren. 

Kein Deal ist kein Problem

Bei der Hitzewelle in Großbritannien konnten alle möglichen Krabbeltiere wie Motten, Wespen und Mücken besonders gut gedeihen. Und die bösen Buben des Brexits, Jacob Rees-Mogg & Freunde, nutzen die Sommerpause zum Schmieden von Komplotten. Sie wollen Mays Kompromissvorschlag, den die Premierministerin auf ihrem Landsitz in Chequers ausgebrütet hatte, mit einem Gegen-Pamphlet angreifen, das Anfang September erscheinen soll.

Der Sommer brachte eine Mückenplage und neue Brexit-Komplotte bei den ToriesBild: picture-alliance/imageBROKER/E. Biggi/FLPA

Im Mittelpunkt steht dabei eine positive Vision vom Brexit und ein radikaler Bruch mit der EU. Darüber hinaus heißt die Botschaft: Kein Deal ist kein Problem. Es werde keinen Sturz von der Klippe geben und die Märchen von gestrandeten Flugzeugen und Lastwagen mit verrottendem Gemüse seien schwer übertrieben. Großbritannien könne mit der EU schließlich einfach nach WTO-Regeln Handel treiben.

Einer der Brexit-Brüder, Ex-Minister Lord Lilley verlautbarte, die Europäer müssten dem Königreich die gleichen Bedingungen wie ihrem meistbegünstigten Partner in der Welthandelsorganisation gewähren. Die Frage aber, warum dabei so viele Länder unbedingt Handelsabkommen mit den Europäern abschließen wollen, bleibt unbeantwortet.

Der Kampf gegen Theresa May und ihren Chequers-Vorschlag ist bereits in vollem Gange und spätestens auf dem Parteitag von Mays Konservativen Anfang Oktober kommt es zum Knall. Die Premierministerin hatte vor der Sommerpause versucht, ihr Kabinett auf eine Kompromisslösung einzuschwören. Sie will die EU-Regeln für Waren weiter anerkennen und eine Art Pseudo-Zollunion vereinbaren. Unter Protest traten Boris Johnson und David Davis zurück. Seitdem schreien die Brexiteers "Verrat" und die Meuterei nimmt ihren Lauf.

Nigel Farage als trojanisches Pferd des Brexit

Hatte wirklich jemand geglaubt Nigel Farage sei weg? Das wäre doch zu einfach. Farage hob sein Haupt aus dem Sommerloch und versprach eine Rückkehr auf die politische Bühne. Er ist wie der Terminator auf Steroiden, springt unentwegt auf und nieder und droht: "Ich komme zurück". Farage übt sich in der Kunst der immerwährenden Abschiedstournee. 

Achtung, in diesem Holzpferd versteckt sich der Aufrührer und Ober-Brexiteer Nigel FarageBild: picture-alliance/ZB/B. Wüstneck

Gemäßigte Tory-Abgeordnete nennen ihn einen "Aufrührer ohne Mandat". Aber das beeindruckt den EU-Hasser kein bisschen. Farage kennt keine Scham und plant eine neue Tour mit einem roten Doppeldecker, um seine Version eines Brexits ohne Wenn und Aber unters Volk zu bringen. Es ist nur noch nicht sicher, was drauf stehen soll. Wie wär's mit: "Brexit ist kein Ponyhof". Schließlich hat Brexiteer Ress-Mogg inzwischen eingeräumt, es könne 50 Jahre dauern, bis sich die Vorteile sich zeigen würden.

Als echte Drohung aber betrachten die Konservativen Gerüchte, dass frühere Mitglieder von Farages Ukip massenhaft ihrer Partei beitreten könnten. Sie fürchten eine Art feindlicher Übernahme: "Wir könnten von Neuzugängen überschwemmt werden" schrieb der frühere Außenminister William Hague, man müsse mit internen Abstimmungen etwa über eine neue Führung sehr vorsichtig sein. Und wer, wenn nicht Ex-Ukip-Parteichef Nigel Farage könnte dabei sein Händchen im Spiel haben? Das Enfant terrible der britischen Politik könnte noch zum Trojanischen Pferd bei den britischen Konservativen werden.

Eine Spende für die gute Sache

Julian Dunkerton, der Eigentümer der Modemarke "Superdry", hat jetzt eine Million Pfund für die "People's vote" Kampagne gespendet, die neuerdings Fahrt aufnimmt. Es ist der späte Versuch der "Remainer", ein zweites Referendum über das Ergebnis der Brexit-Verhandlungen abzuhalten in der Hoffnung, dass eine Mehrheit es ablehnen würde. Und Dunkerton, der König der coolen T-Shirts, bekennt sich zu diesem Kampf gegen den Brexit, den er ein Desaster nennt.

Die Kampagne für ein zweites Referendum ist erst spät in Fahrt gekommen Bild: Getty Images/AFPN. Hallen

Aber da kennt die Gegenseite kein Pardon und überschüttete den Geschäftsmann mit Gift und Galle. Er wolle das Referendum kippen und würde dafür Geld verwenden, das er auf dem Rücken ausgebeuteter Arbeiter in Indien verdient habe. Aber es scheint andererseits völlig in Ordnung, wenn die Brexit-Kampagne sich von einem windigen Geschäftsmann wie Aron Banks finanzieren lässt, dessen dunkle Beziehungen zum Kreml erst jüngst offen gelegt wurden. So was nennt man zweierlei Maß. 

Brexit-Zitate der Woche

"Wir stecken bis zum Hals im Br-Exkrement", beschrieb der Journalist und Autor Gavin Esler jüngst die Lage, als er für ein zweites Referendum warb. Der Brexit spornt jedenfalls Gegner und Befürworter zu immer größerer sprachlicher Kreativität an.   

Eine Umfrage zeigte jetzt, dass der Satz "Ich bin total gelangweilt vom Brexit" über alle Alters- und Wählergruppen in Großbritannien hinweg die meiste Zustimmung findet. Ist ja auch wirklich ziemlich öde.

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