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Politik

Brexit und der Highway to Hell

Barbara Wesel
12. Februar 2019

Theresa May ist Weltmeisterin im Aufschieben, Brexit auf dem Highway to Hell, evakuiert und rettet die Queen, wenn Gänse für Weihnachten stimmen und wie Briten wieder Helden werden.

Albtraum Brexit, Brexit Diaries
Bild: gemeinfrei

"Wir müssen jetzt alle die Nerven behalten, um die Änderungen zu bekommen, die das Parlament will", erklärte die Premierministerin am Dienstag im Unterhaus. Am Ende werde man die EU zum Nachgeben zwingen. Theresa May ruft die Mannschaft auf ihrer Titanic einmal mehr zum Aushalten auf. Wenn der Kapitän und seine Matrosen den Eisberg nur lange genug anstarren, wird er schon ausweichen, garantiert.

45 Tage vor dem Brexit-Datum ist das bestimmt eine gute Taktik. Theresa May ist nämlich auf bestem Wege, eine Goldmedaille in "fortgeschrittenem Prokrastinieren" zu gewinnen und schiebt eine Entscheidung einfach weiter auf. Richtig dringend wird der Brexit schließlich erst ein paar Tage vorher und bis dahin ist noch Zeit. 

"Irgendwo muss nachgegeben werden", hatte EU-Unterhändler Michel Barnier am Montag gefordert. Aber von der Premierministerin hat er da vorerst nichts zu erwarten.

Theresa May konnte kein Kaninchen aus ihrem Hut ziehen, zauberte aber die Rückversicherung für die irische Grenze weg Bild: Fotolia/festiven

Früher in dieser Serie…

Wenn sonst nichts geht, bleibt immer noch magisches Denken. Nachdem Theresa May im Januar ihre erste Abstimmung über das Austrittsabkommen so dramatisch verloren hatte, musste sie kreativ werden, um die Abgeordneten auf ihre Seite zu ziehen. Und so landete sie direkt in der gegenwärtigen Sackgasse. Denn sie hatte zwar einen Zauberhut, aber kein Kaninchen.

Was May nämlich vorschlug, war ein imaginärer Brexit-Deal. Wären die Abgeordneten bereit für ein Abkommen zu stimmen, das keine Rückversicherung für die irische Grenze enthalten würde?  Würden sie Ja sagen, wenn der berüchtigte "Backstop" wie durch Zauberhand verschwände und durch "alternative Maßnahmen" ersetzt würde?

Das Beste dabei ist natürlich, dass sich unter "alternative Maßnahmen" jeder etwas anderes vorstellen kann. Es war eine prima Strategie, und die Premierministerin gewann ihre Abstimmung. Ganz beflügelt versprach sie, umgehend nach Brüssel zu fahren und dort die versprochene Änderung zu fordern. Nichts einfacher als das.

Die Hardrocker von AC/DC und der Highway to Hell Bild: picture-alliance/United Archiv

Brexiteers auf dem Highway to Hell

In der europäischen Hauptstadt vergiftete der Präsident des europäischen Rates unterdessen das diplomatische Wasser. Welcher Teil der Hölle wohl für Brexiteers vorgesehen wäre, die ohne Plan die EU verlassen wollten, grübelte Donald Tusk vor der Presse.

Bei den Briten brach darauf die Hölle los und Tory Politiker empörten sich über die unerhörte Beleidigung. Dabei ist es für einen polnischen Katholiken wie Tusk gar nicht so ungewöhnlich, hin und wieder über Himmel und Hölle nachzudenken. Vielleicht hatte er vor dem Einschlafen ja Dante gelesen und war auf den Höllenkreis des ewigen Eises gestoßen, der für "Verräter des Vaterlandes" vorgesehen ist.

Jedenfalls war der kühle Ton für das Treffen mit Theresa May gesetzt. Die beiden EU-Chefs in Kommission und Rat fanden für sie nur ein Wort: "Nein". Nein, das Austritts-Abkommen wird nicht mehr aufgeschnürt. Nein, der irische Backstop wird nicht gestrichen. Nein, es gibt auch keinen einseitigen Austritts-Mechanismus. Wo bleibt das magische Denken, wenn man es dringend braucht.

Die Queen und ihre Familie sollten bei Unruhen wegen des Brexit an einen sicheren Ort gebracht werden Bild: Reuters/A. Grant

Gott rette - und evakuiere - die Königin

Beim Brexit muss man sich auf alles vorbereiten. Deswegen reagierte man im Königlichen Haushalt auch nervös auf die Nachricht,  es könne wegen Knappheit von Lebensmitteln und Medikamenten nach dem EU-Ausstieg zum Aufruhr kommen. Ausschreitungen auf den Straßen Londons aber würden die Königin in Gefahr bringen. Die Geschichte zeigt, dass wütende Massen dazu neigen, Paläste zu stürmen.

Die Hofbeamten staubten daher die alten Evakuierungspläne ab, die noch aus dem kalten Krieg bereit lagen. Man müsste sie nur modernisieren, um im Zweifelsfall die Königin an einen sicheren Platz außerhalb der britischen Hauptstadt zu bringen.

Bleibt nur die Frage nach dem Transportmittel. Die Originalpläne hatten auf die königliche Yacht gesetzt und einen langsamen Trip zu den Schottischen Inseln. Leider war die "Britannia" schon 1997 stillgelegt worden. Der Sonderzug der Royals käme nicht infrage, weil der Zugverkehr schon in guten Zeiten unzuverlässig ist. Und eine Fahrzeugkolonne auf der Autobahn nach Norden, zumal mit Prinz Philip am Steuer, wäre auch keine Lösung. Bleibt nur noch ein Flieger der königlichen Luftwaffe, um Elisabeth II. vor dem Zorn ihrer Bürger zu schützen. Wahrscheinlich bedeutet das begrenztes Handgepäck und nicht alle Kronen könnten mit.

Das Nissan-Werk in Sunderland, wo 20016 eine starke Mehrheit für den Brexit stimmteBild: Getty Images/AFP/O. Scarff

Wenn Gänse für Weihnachten stimmen

Sunderland im Norden des Landes war eine der Brexit-geneigtesten Städte in Großbritannien. 61 Prozent der Bürger hatten 2016 für den Austritt aus der EU gestimmt. Was immer die Gründe dafür waren, die Leute müssen nicht daran gedacht haben, dass sie damit ihre Jobs gefährden würden. 

Leider kam es aber so. Denn der japanische Autohersteller Nissan sah seine britischen Niederlassungen immer als Tor zu Europa an. Im wirtschaftlich schwachen Nordosten aber ist der Konzern der wichtigste regionale Arbeitgeber. Jetzt zog das Unternehmen die Reißleine. Anders als geplant, wird Nissan sein neues SUV-Modell nicht in Sunderland herstellen. Die Firmenleitung machte deutlich, dass neben der Diesel-Krise die Unsicherheit wegen des Brexit für diese Entscheidung ausschlaggebend sei.  

Die Regierung in London sah sich peinlich entblößt. Denn im Parlament kam heraus, dass Theresa May Nissan 60 Millionen Pfund Staatshilfe versprochen hatte, um die Firma vor dem Brexit zu schützen. Das hatte man damals geheim gehalten, weil bei den Tories niemand zugeben wollte, dass der Ausstieg aus der EU negative Folgen für die britische Autoindustrie haben könnte.

Harte Brexiteers weigern sich bis heute, das einzugestehen und beschuldigen Nissan jetzt, nur Ängste zu schüren. Es ist leider dumm, wenn die ökonomische Realität die eigenen Glaubenssätze durchkreuzt. 

Die Erfahrung zeigt, dass am Ende meist ein Blutbad steht, wenn sich Gänse für Weihnachten entscheiden. Es scheint da einen Hang zur Selbstverletzung zu geben. Vielleicht sollte man ihnen solche Fragen besser gar nicht stellen.

Der britische Verteidigungsminister träumt von mehr Kriegsschiffen auf den Weltmeeren nach dem Brexit Bild: picture-alliance/dpa

Fähren zu Kriegsschiffen

"Der Brexit hat uns an einen großen Moment in unserer Geschichte geführt", begeisterte sich Verteidigungsminister Gavin Williamson. Er fühlt sich quasi überlebensgroß und will es jetzt mit dem größten Kerl auf dem Schulhof aufnehmen. Der Minister schlägt daher vor, ein britisches Kriegsschiff ins Südchinesische Meer zu entsenden, um den Chinesen zu zeigen wo der Hammer hängt. Vermutlich zittern sie in Peking schon - aber nicht aus  Angst, sondern vor Lachen.

Gleichzeitig will diese Leuchte in Mays Kabinett die britische "Tödlichkeit" erhöhen. Man stelle sich vor, wie der Minister nach Hause kommt und seiner Frau ins Ohr flüstert: "Liebling, ich fühle mich heute so tödlich…" Genug davon.

Außerdem will Williamson Fähren zu Fregatten aufrüsten, sozusagen im  Umkehrverfahren von "Schwerter zu Pflugscharen". Man muss nur etwas Panzerung dran schrauben und ein paar Kanonen auf Deck befestigen - fertig ist ein neues Kriegsschiff, das die Tödlichkeit der britischen Marine erhöhen kann. Admiral Nelson muss sich in seinem Grab drehen, wenn diese Helden des Brexit sich zu Wort melden.