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Politik

Brexit-Verhandlungen - Hauen und Stechen

Barbara Wesel
2. März 2020

Ab Montag verhandeln EU und Großbritannien über ihr künftiges Verhältnis. Das Kampfgeschrei der Unterhändler, vor allem der britischen, deutet weniger auf Handelsgespräche als auf Rosenkrieg. Aus Brüssel Barbara Wesel.

Bildkombo David Frost, UK Brexit-Unterhändler & Michel Barnier, EU-Kommission

Die Verhandlungsführer

Für die EU sitzt erneut Michel Barnier am Tisch (oben rechts), der schon erfolgreich die Brexit-Scheidungsgespräche geführt hat. Der Franzose ist ein erfahrener Diplomat, akribisch und von eher kühlem Temperament, der sich durch britische Rhetorik kaum schockieren lässt. Er ist gleichzeitig unermüdlich bei der Suche nach Kompromissen und unnachgiebig, wenn es um die europäischen Interessen geht. Sein großes Plus ist, dass er die 27 Mitgliedsländer bislang zusammenhalten konnte. Seine lange Erfahrung im Brüsseler Apparat hat ihn im Lauf der Jahre zum überzeugten Europäer gemacht.

Die Briten werden von David Frost vertreten (oben links). Der frühere Botschafter in Dänemark ist ein glühender Brexiteer, er liebt hochfliegende Rhetorik und den polemischen Auftritt. Seine Karriere im Außenministerium gab er auf, um sich ganz für seine Vision eines souveränen Großbritanniens einzusetzen - ein Modell, das aus dem 19. Jahrhundert stammt, wie er jüngst in einer Rede ausführte. Damit verkörpert er das Brexit-Mandat seiner Regierung, die ganz auf Unabhängigkeit setzt. Auch Frost kennt die EU als Mitarbeiter der früheren UK-Vertretung in Brüssel - allerdings lernte er dort, Europa zu hassen.

Bild: Reuters/S. Dawson

Die Ausgangslage

Seit Wochen schlagen beide Seiten die Kriegstrommeln. Die Briten drohen, sie seien bereit, die Verhandlungen schon im Juni platzen zu lassen, wenn es bis dahin keine Skizze für einen akzeptablen Vertrag gebe, erklärte Staatsminister Michael Gove vergangene Woche im Unterhaus. "Wir wollen den bestmöglichen Deal, aber auf der Suche danach werden wir nicht unsere Souveränität aufgeben." Das ist der britische Schlachtruf: Keine EU-Regeln mehr für Großbritannien. 

Die EU-Kommission in Brüssel schießt zurück: "Wir bleiben dabei, uns auf einen harten Brexit als Folge der Verhandlungen vorzubereiten", warnt Sprecherin Dana Spinant. Die französische Europaministerin Amélie de Montchalin fügt hinzu, man lasse sich nicht von britischen Fristen unter Druck setzen. Und Michel Barnier befürchtet ganz offiziell, die Verhandlungen würden "schwierig, vielleicht sogar sehr schwierig".

Die Briten sagen - die EU sagt

Es wirkt wie das bittere Ende einer Scheidung, bei der beide Seiten auf unvereinbaren Rechten und Pflichten beharren. Er oder sie sagt das eine, sie oder er sagt das Gegenteil. Die Forderungen prallen aufeinander, das Klima ist vergiftet, jeder vertritt den eigenen Standpunkt breitbeinig. Völlig unklar ist, wo Raum für eine Einigung sein könnte. Die wichtigsten Positionen:

Der reibungslose Warenverkehr zwischen Calais und Dover endet auf jeden Fall 2021Bild: DW

Handel

Die Briten sagen, sie wollen ein nur ein lockeres Handelsabkommen nach dem Vorbild von CETA zwischen EU und Kanada. Güter sollen ohne Zölle und Quoten gehandelt werden, und ähnliches will London auch für einige Dienstleistungen. Damit entfernen sich die Briten von der politischen Erklärung im Ausstiegsabkommen, die eine enge Bindung zwischen beiden Seiten vorsieht. Premier Boris Johnson betont dagegen, man werde sich nicht dazu verpflichten lassen, britische Regeln an EU-Standards anzupassen.

Die EU sagt, die Nähe und Größe Großbritanniens bedeute, dass es einen Deal wie mit Kanada nicht geben könne. Stattdessen müsse das Königreich EU-Standards etwa beim Arbeitsmarkt, Umwelt- und Klimaschutz sowie bei Beihilfen für Unternehmen einhalten. "Wettbewerb muss fair sein", betont Michel Barnier. Die EU fürchtet, ein dereguliertes Großbritannien könne durch Dumping europäische Anbieter unterlaufen. "Großbritannien wird nach dem Brexit zum Konkurrenten", hatte Angela Merkel schon früher gewarnt.

Skyline der City of London - Die Briten wollen dauerhaften Zugang ihres Finanzmarktes in die EUBild: picture alliance/dpa/D. Kalker

Finanzmarkt

Die Briten sagen, sie wollten rechtlich bindende Zusagen, dass britische Banken und Finanzanbieter weiter Zugang zum EU-Markt haben. Die Regeln müssten auf der Basis gegenseitigen Vertrauens fortentwickelt werden. Das Ziel ist dauerhafte Sicherheit für die City of London, das Zentrum des britischen Finanzsektors.

Die EU sagt, die Entscheidungen über die sogenannte "Äquivalenz", das heißt die Anerkennung britischer Bankenregeln, sei befristet und könne jederzeit entzogen werden. "Wir entscheiden in unserem Interesse über die Äquivalenz und wir tun das einseitig und niemals unbefristet", stellt Michel Barnier klar. Hier liegt eine der schärfsten Waffen der Europäer. 

Die Fischerei ist wirtschaftlich unbedeutend, aber von hohem SymbolwertBild: picture-alliance/dpa/C. Meyer

Fischerei

Die Briten sagen, im Prinzip dürften nur noch britische Fischer in britischen Gewässern ausfahren. Vereinbarungen über Rechte für andere Länder würden von Jahr zu Jahr getroffen und eigene Quoten festgelegt. Obgleich wirtschaftlich unbedeutend, war die Fischerei eines der großen Symbolthemen des Brexit. "Wir werden die Kontrolle über unsere Gewässer zurückholen", versprach deswegen Michael Gove erneut.

Die EU sagt, sie wolle ihren Zugang zu britischen Gewässern erhalten und darüber mit den Briten einen Deal machen. Das ist nur für eine Handvoll Fischereinationen wichtig, allen voran Frankreich. Sie argumentieren, dass britische Fischer ihren Fang vor allem in die EU verkaufen und die Franzosen ihren Fisch bei den Briten vermarkten. Beide hätten den Schaden, wenn die gegenwärtigen Regeln nicht mehr gelten. Die Positionen hier sind eher irrational und vor allem politisch, können aber für viel Ärger sorgen.

Streitschlichtung

Die Briten sagen, sie würden unter keinen Umständen einen Mechanismus zur Regelung von Meinungsverschiedenheiten akzeptieren, der am Ende einen Gang zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) und die rechtliche Durchsetzung von EU-Regeln bedeutet.

Die EU sagt, die eher zahnlosen Mechanismen zur Beilegung von Streitigkeiten aus anderen internationalen Handelsverträgen seien im Fall von Großbritannien nicht genug. Der EuGH müsse das letzte Wort haben, wenn es um die Anwendung von europäischem Recht gehe.

Das war beim Beginn der Brexit-Scheidungsgespräche - so ähnlich wird es wieder aussehen Bild: picture-alliance/AP Photo/E. Dunand

Zehn Tische

Dies ist nur ein Auszug aus den Themen, über die ab Montag gestritten wird. Zunächst gibt es eine Art Plenarsitzung, in der die Verhandlungsführer beider Seiten ihre Visionen für ein Abkommen darstellen. Danach verteilen sich die Experten auf zehn verschiedene sogenannte Verhandlungstische - in unterschiedlichen Räumen natürlich. Dort geht es dann nicht nur um Handel, Finanzmarkt und Fisch, sondern auch um atomare Sicherheit, Außenpolitik und Verteidigung, Luftverkehr und Datenaustausch.

Jeder einzelne Aspekt der Beziehungen muss neu verhandelt werden. Während es den Briten dabei um maximale Souveränität geht, will die EU ihren Binnenmarkt und den gleichberechtigten Wettbewerb schützen.

Kleinteiliger Zeitplan

Zum Schluss noch ein Wort von Michel Barnier: "Je mehr Großbritannien sich entfernt, desto ferner wird unsere künftige Beziehung sein." Die politische Entscheidung dafür scheint London bereits getroffen zu haben - jetzt geht es um die Einzelheiten. Verhandelt wird jeweils eine Woche, nach Auswertung und neuer Vorbereitung geht es dann in drei Wochen weiter. Orte sind abwechselnd Brüssel und London und im Juni will man bewerten, wie weit man gekommen ist. Bis dahin heißt es: Auf zum fröhlichen Hauen und Stechen.

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