1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Einstein-Brief fand keinen Abnehmer

3. Dezember 2019

Forscher unter sich: Worüber der geniale Physiker mit seinem Assistenten diskutierte, belegt ein Brief aus dem Jahr 1950. Bei einer Versteigerung in Israel interessierte sich jedoch kein Bieter für Einsteins Schreiben.

Albert Einstein und Willem De Sitter
Bild: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Schon als kleines Kind von vier Jahren begeisterte sich Albert Einstein für einen Kompass, wie er Jahrzehnte später in dem Buch "Leben - Tod - Unsterblichkeit", das er selbst als autobiographischen "Nekrolog" bezeichnete, bekannte: "Dass diese Nadel in so bestimmter Weise sich benahm, passte so gar nicht in die Art des Geschehens hinein, die in der unbewussten Begriffswelt Platz finden konnte (an "Berührung geknüpftes Wirken"). Ich erinnere mich noch jetzt - oder glaube mich zu erinnern - dass dies Erlebnis tiefen und bleibenden Eindruck auf mich gemacht hat. Da musste etwas hinter den Dingen sein, das tief verborgen war."

Diese verborgenen Dinge aufzuspüren, blieb zeitlebens Einsteins Anliegen. Am 14. März 1879 erblickte er im baden-württembergischen Ulm das Licht der Welt - als Spross einer jüdischen Familie, die schon seit Jahrhunderten in Schwaben ansässig war.  

Rebellischer Schüler 

Ein Jahr nach Alberts Geburt siedelte die Familie nach München über, wo Hermann Einstein und sein Bruder Jakob die elektrotechnische Firma "Einstein und Cie" gründeten. Albert und seine jüngere Schwester Maja wuchsen in einem liberalen Elternhaus auf. In der Schule gehörte der Junge zwar immer zu den Klassenbesten - im Alter von zwölf Jahren brachte er sich sogar selbst die euklidische Geometrie bei - doch mit dem Drill, den man jungen Knaben im Kaiserreich angedeihen ließ, kam er nicht zurecht. Die wie eine Kaserne geführte Schule, so urteilte er später, habe "die Freude, die heilige Neugier des Forschens erdrosselt; denn dieses delikate Pflänzchen bedarf neben Anregung hauptsächlich der Freiheit."  Zuhause beschäftigte sich der Junge mit naturwissenschaftlichen und philosophischen Schriften. Diese Art von Literatur verschlang er, "wie andere Jungen Indianerliteratur verschlingen", schrieb Rudolf Kayser, der spätere Schwiegersohn Albert Einsteins 1930.

Schule schwänzen auch in der Schweiz 

Mit 15 ging Albert von der Schule ab und folgte den Eltern, die ihr Geschäft nach Mailand verlagert hatten. 1933 schrieb er im Rückblick: "Ich fühlte mich schon als Knabe der Mentalität fremd, die in dem deutschen Staate mit seiner überspitzten militärischen Mentalität verkörpert war. Als mein Vater nach Italien zog, hat er mich auf meine Bitte hin ausgebürgert, weil ich Schweizer werden wollte." Eigentlich hatte er in Deutschland erst das Abitur machen sollen, doch die Lehrer zuhause warfen ihm vor, dass seine Respektlosigkeit auf Mitschüler abfärbe. Trotzig schmiss er alles hin, das Abitur holte er später in der Schweiz nach, besuchte dort später auch die Polytechnik-Hochschule in Zürich. Auch dort schwänzte er häufig den Unterricht und widmete sich stattdessen lieber den Meistern der Physik, dem Geigenspiel  - und seiner Kommilitonin, späteren Frau und Mutter seiner drei Kinder, Mileva Marić.

Albert Einstein und seine erste große Liebe, Mileva MaricBild: picture alliance / akg-images

Vom Patentamt an die preußische Akademie der Wissenschaft

Mit dem Diplom in der Tasche hoffte er 1900 auf eine Assistentenstelle an seiner Hochschule, doch die Professoren kannten ihren Einstein - zu unkonventionell und eigenständig war der junge Mann. Er bekam einen Job als Vertretungslehrer und später dann - über Beziehungen - einen Posten im Patentamt in Bern. Die Stellung hielt Einstein nicht davon ab, weiter zu forschen. 1905 veröffentlicht er vier bahnbrechende Artikel in den "Annalen der Physik", darunter die Lichtquantenhypothese und die Spezielle Relativitätstheorie. 1906 wurde ihm dafür der Doktorgrad verliehen.

1909 berief ihn die Uni Zürich auf den Lehrstuhl für theoretische Physik, vier Jahre später fing er bei der preußischen Akademie der Wissenschaften in Berlin an, denn hier konnte er ungestört forschen, ohne unterrichten zu müssen. Und in der deutschen Hauptstadt verliebte er sich in seine Cousine Else, die später seine zweite Frau werden sollte.

Pazifist und Weltbürger

Als der Erste Weltkrieg sich drohend am Horizont erhob, gehörte Einstein, trotz all der patriotischen Begeisterung um sich herum, zu den Kriegsgegnern. Als Mitglied des "Komitees für geistige Zusammenarbeit" wollte er im Völkerbund die Zusammenarbeit unter den internationalen Wissenschaftlern fördern. Er war Mitglied in der "Deutschen Liga für Menschenrechte" und demonstrierte mutig für den Frieden und gegen den Krieg. Einstein konnte auch der Religion nichts abgewinnen, obwohl er als Kind sowohl den katholischen Unterricht als auch die israelitische Religionskunde besucht hatte. Schon mit 13 bezeichnete er sich als "konfessionslos", denn was in der Bibel stand, deckte sich so gar nicht mit seinen naturwissenschaftlichen Überlegungen. Gott war für Einstein schlicht "der Alte".Und doch spürte der Freidenker und Pazifist, dass der Antisemitismus größer wurde - auch Einstein wurde angefeindet. 1914, da lebte er schon in Berlin, konstatierte er: "Wir müssen uns unserer Artfremdheit klar bewusst sein und aus ihr die Konsequenzen ziehen. Es hat keinen Sinn zu versuchen, die anderen von unserer seelischen und geistigen Ebenbürtigkeit überzeugen zu wollen, denn die Wurzel ihres Verhaltens sitzt nicht im Großhirn." Einstein ging es dabei um das Selbstbewusstsein und die Solidarität der Juden.

Weltberühmter Schnappschuss: Einstein streckt aufdringlichen Journalisten die Zunge raus Bild: picture-alliance/akg-images

Flucht aus Nazi-Deutschland 

Viel früher als andere erkannte er auch, welches Unheil nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg der Ruf nach einem starken Mann im Deutschen Reich heraufbeschwor. Schon im März 1933 kehrte er Deutschland und dem immer stärker werdenden Antisemitismus den Rücken, weil er, wie er sagte, nur in einem Land leben wolle, "in dem politische Freiheit, Toleranz und Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz herrschen." Propagandaminister Joseph Goebbels proklamierte im Mai des gleichen Jahres: "Jüdischer Intellektualismus ist tot" und ließ symbolisch auch Schriften von Einstein verbrennen.Einstein erhielt eine Stellung in Princeton (New Jersey) am Institute for Advanced Studies. Die Judenpogrome in Deutschland machten ihm schwer zu schaffen, und so sammelte er Geld für die Gründung eines israelischen Staates sowie für die Jerusalemer Universität ein. Sein Engagement brachte ihm das Angebot ein, nach der Staatsgründung 1948 Israels Präsident zu werden. Doch der 73-Jährige wollte lieber weiter forschen und die "Weltformel", die alle physikalischen Hintergründe vereint, entdecken. Trotzdem lag ihm das junge Israel weiterhin am Herzen, und so bestimmte der Nobelpreisträger in seinem Testament, dass die Hebräische Universität in Jerusalem seinen Nachlass erhalten sollte.

Albert Einstein im Kreis seiner Studenten an der Princeton UniversityBild: picture alliance / Captital Pictures

Trauma Atombombe 

In seiner Wahlheimat USA - 1940  wurde Einstein amerikanischer Staatsbürger - blieb der berühmte Wissenschaftler weiterhin unbequemer Mahner und Kämpfer für den Frieden. Doch sein Pazifismus wurde von den Nazis auf eine harte Probe gestellt. Aus Angst vor einer Atombombe in den Händen Nazideutschlands regte Einstein 1939 in einem Brief an Präsident Roosevelt an, die Amerikaner sollten sie zuerst bauen.

Im Rückblick erklärte er Jahre später: "Ich war mir der furchtbaren Gefahr wohl bewusst, die das Gelingen dieses Unternehmens für die Menschheit bedeutet. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass die Deutschen am selben Problem mit Aussicht auf Erfolg arbeiten dürften, hat mich zu diesem Schritt gezwungen. Es bleibt mir nichts anderes übrig, obwohl ich stets ein überzeugter Pazifist gewesen bin. Töten im Krieg ist nach meiner Auffassung um nichts besser als gewöhnlicher Mord."

Brief an die Nachwelt 

Die von Einstein mitentwickelte Atombombe kam 1945 in Hiroshima zum EinsatzBild: Imago/United Archives International

Bis zu seinem Tod am 18. April 1955 kämpfte Einstein für seinen Traum von einer Welt ohne Krieg. Immer wieder wies er auf die Gefahren der Massenvernichtungsmittel hin. Im Mai 1936 hinterlegte der amerikanische Verleger Max Schuster in der Bibliothek seines Hauses eine handgeschriebene Botschaft Einsteins. Sie lautet: "Liebe Nachwelt! Wenn ihr nicht gerechter, friedlicher und überhaupt vernünftiger werdet, als wir sind bzw. gewesen sind, so soll euch der Teufel holen. Diesen frommen Wunsch mit aller Hochachtung geäußert habend, bin ich euer (ehemaliger) Albert Einstein."

Kein Interessent für Einstein-Brief

Im Brief, der jetzt in Jerusalem den Besitzer wechseln sollte, geht es nicht um philosophische Gedanken, sondern um konkrete Forschung - doch beide Schreiben stammen aus der Feder des Mannes, den das amerikanische Nachrichtenmagazin "Time" 1999 als Person des Jahrhunderts schlechthin kürte. Als Vorbild dient er auch noch im 21. Jahrhundert.

Der Startpreis des israelischen Auktionshauses hatte bei umgerechnet gut 18.000 Euro gelegen, für mögliche Bieter war das offenbar zu teuer. Jetzt werde der Brief zunächst beim Besitzer bleiben, der wieder versuchen werde, ihn zu verkaufen, sagte die Sprecherin.

Die Suche nach der Weltformel der Physik

04:17

This browser does not support the video element.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen