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Politik

Briefwahl in den USA: Misstrauen groß, Betrugsrisiko klein

28. Mai 2020

Wie wird die Präsidentschaftswahl im November aussehen, falls das Coronavirus erneut für Chaos sorgt? Präsident Trump ist gegen eine Briefwahl. Experten sehen kein großes Betrugsrisiko, aber logistische Probleme.

USA Florida Briefwahlunterlagen
Bild: picture-alliance/ZUMA Wire/S. Keeler

Auch wenn einige Bundesstaaten langsam zur Normalität zurückkehren - die Gefahr einer zweiten Coronavirus-Welle haben viele US-Amerikaner im Hinterkopf. Was passiert, wenn das Virus in der nass-kalten Grippe-Saison zurückkommt? Das größte Ereignis, das genau in diese Zeit fällt, ist die Präsidentschaftswahl am 3. November.

Die Vorstellung von langen Menschenschlangen vor den Wahllokalen dürfte viele Wähler alarmieren - zumal in den USA ja auch Wahlautomaten zum Einsatz kommen, die auch ein Infektionsrisiko darstellen könnten. Da eine Verschiebung des Wahltermins extrem unwahrscheinlich ist , erscheint die Briefwahl als möglicher Ausweg, Aber die wäre im drittgrößten Land der Welt mit gut 219 Millionen Wahlberechtigten kein leichtes Unterfangen.

Kämpft gegen Briefwahlen in den USA: US-Präsident TrumpBild: Reuters/L. Millis

"Das ist eine Frage der Logistik und des politischen Willens", sagt Sheri Berman, Politikwissenschaftlerin am Barnard College, der Schwesteruniversität der Columbia University in New York. Schwierigkeiten gibt es auf beiden Feldern zu Genüge.

Kein Alltag für die meisten Wähler

Im Gegensatz zu anderen Ländern wie Deutschland ist die Briefwahl in den meisten US-Bundesstaaten immer noch extrem unüblich. Nur US-Amerikaner, die am Wahltag außer Landes sind, geben gewöhnlicherweise ihren Wahlzettel bei der Post auf. Alle Wähler, die in den USA ansässig sind, können in vielen Bundesstaaten zwar schon Tage vor dem offiziellen Election Day im Wahllokal ihr Kreuz machen. Aber mit einer Briefwahl haben sich die meisten US-Amerikaner noch nie auseinandergesetzt. "Es ist ungewöhnlich, also sind die Menschen besorgt, ob da auch alles richtig laufen würde", sagt Berman.

US-Präsident Donald Trump verstärkt diese Sorgen. Trump ist strikt dagegen, die Präsidentschaftswahl im November ausschließlich über mit der Post verschickte Wahlzettel stattfinden zu lassen. Sein zentrales Argument: Bei einer Briefwahl sei das Betrugsrisiko viel höher!

Tausendfach ausgedruckte gefälschte Wahlzettel, falsche Wählernamen - sind das realistische Sorgen? Nein, sagt Charles Stewart, Gründer und Direktor des Election Data and Science Lab am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT). "Was hier befürchtet wird, ist praktisch unmöglich", sagte Stewart der DW. "Die Wahlzettel werden auf speziellem Papier gedruckt und alle Wählerunterschriften werden abgeglichen."

"Es gibt keine Beweise, dass Wahlbetrug bei einer Briefwahl in die Höhe schnellen würde", sagt Berman. Auch andere Wahlmethoden wie beispielsweise die elektronischen Wahlautomaten, die in den USA weit verbreitet sind, seien schließlich vor Betrug nicht sicher

Auch das Gerücht, dass Briefwahl-Stimmen bisher nur gezählt wurden, wenn das Wahlergebnis ohne sie knapp war, stimmt nicht, betont Stewart. Alle Stimmen werden gezählt, egal wie sie eingehen.

Stimmzettel per Post bekommen, persönlich abgeben

Berman geht davon aus, dass der US-Präsident für seine Betrugsbehauptungen einen ganz bestimmten Grund hat. "Er hat alles getan, damit seine Unterstützer Wahlergebnissen nicht trauen. Sein andauerndes Gerede über Wahlbetrug sorgt dafür, dass die Menschen eher glauben werden, etwas sei nicht mit rechten Dingen zugegangen, wenn das Wahlergebnis im November nicht in seinem Sinne ist."

Wählen in Corona-Zeiten: Wahlcomputer als mögliche InfektionsgefahrBild: picture-alliance/dpa

Trumps Ablehnung gegenüber Briefwahlen könnte auch daher stammen, dass laut eines hartnäckigen Gerüchts Menschen, die per Post wählen, eher Demokraten sind. Aber: "Dafür gibt es keinerlei empirische Beweise", sagt Stewart.

Trump zum Trotz haben einige Bundesstaaten eine Briefwahl für November festgelegt. Die Menschen in Washington, Oregon, Colorado, Hawaii und Utah konnten allerdings auch in den vergangenen Jahren schon per Post abstimmen. Offizielle Stellen haben also bereits detaillierte Listen mit Namen und Adressen für ihre Wähler (Wahlen werden in den USA von den jeweiligen Bundesstaaten und nicht von der nationalen Regierung organisiert). Aber auch in diesen Staaten wird es keine ausschließlich postale Abstimmung geben, egal, ob eine zweite Coronavirus-Welle kommt oder nicht. "Die Stimmzettel werden zwar an alle Wähler geschickt", erklärt Stewart. "Aber wer möchte, kann sie auch persönlich in eine Wahlurne werfen."

Würde der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden von einer Briefwahl profitieren?Bild: picture-alliance/AP Photo/M. Rourke

Staaten, die erst jetzt, in der Corona-Krise, eine Briefwahl in Betracht ziehen, könnten das für sie neue System so schnell nicht stemmen, vermutet Stewart. Nicht nur, dass ihnen die Listen mit Wähler-Adressen fehlen. Sie haben außerdem nicht das nötige Equipment, um die Stimmzettel einzutüten und abzuschicken, oder um mit der Flut an Antworten fertigzuwerden.

Eine landesweite Briefwahl im November, bei der jeder Wähler automatisch einen Stimmzettel zugeschickt bekommt, hält Stewart deswegen für "unrealistisch". Eine Möglichkeit sei es, dass Bundesstaaten allen Wählern erlauben könnte, sich im Voraus für eine Briefwahl anzumelden und den Stimmzettel zu beantragen. Dann, so Stewart, "könnte die Anzahl der Menschen, die per Post wählt, von rund fünf Prozent auf 50 oder 60 Prozent steigen".

Carla Bleiker Redakteurin, Channel Managerin und Reporterin mit Blick auf Wissenschaft und US-Politik.@cbleiker
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