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Brisantes Video, neue Vorwürfe

7. Juni 2015

Immer neue Details über ein System korrupter Funktionäre zeichnen ein desaströses Bild des Fußball-Weltverbandes. Ein gefallener FIFA-Mann äußert sogar den Vorwurf: Südafrika hat die WM-Wahl für 2010 gar nicht gewonnen.

Bildergalerie Joseph Blatter
Sepp Blatter (r) und der frühere südafrikanische Staatspräsident Nelson Mandela 2004 nach der Entscheidung für SüdafrikaBild: picture-alliance/dpa/E. Risch

Bankbelege aus der Karibik und geheime Video-Aufnahmen mit einer dubiosen FIFA-Figur aus Botswana fördern immer neue Details um offensichtlich massive Bestechungspraktiken rund um die Vergabe der WM 2010 an Südafrika zutage. Auch der Name des scheidenden FIFA-Präsidenten Joseph Blatter taucht nun angeblich in einem hochrangigen E-Mail-Verkehr Richtung Südafrika auf. Beim Fußball-Weltverband ist von der erhofften Ruhe nach der Rücktrittsankündigung Blatters jedenfalls nichts zu spüren.

"Kein Kommentar", hieß es am Sonntag aus dem Hauptquartier in Zürich. Alle Aspekte der neuen Anschuldigungen bis hin zu einer angeblich manipulierten Auszählung der WM-Stimmen zugunsten Südafrikas seien derzeit nicht zu bewerten. Offensichtlich arbeitet die FIFA-Rechtsabteilung intensiv an einer Beurteilung der Sachlage, denn im Zuge der Ermittlungen der US-Justiz geht es für die FIFA womöglich auch um die Vermeidung einer hohen Millionen-Geldbuße aus den USA. Berichte aus Südafrika verheißen auch für Blatter nichts Gutes.

FIFA-Generalsekretär Jérôme Valcke soll im Jahr 2007 per E-Mail bei der Regierung am Kap angefragt haben, wann mit der Zahlung von zehn Millionen Dollar zugunsten der CONCACAF-Konföderation zu rechnen sei. Die südafrikanische Zeitung "Sunday Times" behauptet, dass Valcke in seinem Schreiben darauf verwiesen habe, dass Blatter und Südafrikas damaliger Staatschef Thabo Mbeki in die Diskussionen um die Zahlung eingebunden gewesen seien.

"Hilfsmaßnahme", keine Bestechung

Das würde erstmals den Namen Blatters konkret mit der dubiosen Zahlung in Verbindung bringen. Laut US-Justizermittlern handelt es sich bei dem Geld um Bestechungszahlung an FIFA-Funktionäre, darunter die Exekutivmitglieder Chuck Blazer, der geständig ist und Jack Warner, der jede Vorteilsnahme leugnet. Die FIFA beharrt darauf, dass die zehn Millionen Dollar eine legale Hilfsmaßnahme für den Fußball in Mittelamerika seien. Der Name Warner taucht bei praktisch allen Bestechungsvorwürfen immer wieder auf. Immer mehr Einzelheiten zu Betrugspraktiken, Geldflüssen und möglicher Geldwäsche um die schillernde wie dubiose Figur aus Trinidad und Tobago werden publik, inklusive von Überweisungslisten hoher Geldbeträge zugunsten Warners.

Besonders brisant ist aber ein Under-Cover-Video der englischen Zeitung "The Sunday Times". Darin äußert das vor fünf Jahren über Betrugsvorwürfe gestolperte ehemalige FIFA-Exekutivmitglied Ismail Bhamjee einen bislang nicht gekannten Vorwurf. Die Behauptung des Mannes aus Botswana: Bei der WM-Vergabe an Südafrika 2004 hatte eigentlich Marokko die Stimmenmehrheit im FIFA-Exekutivkomitee. Dies hätten Gespräche im Funktionärszirkel nach der Abstimmung belegt. Doch dann zog Blatter den Zettel mit seinem Favoriten, Südafrika, aus dem Sieger-Umschlag.

Zeuge ohne Wert?

Als Zeuge genießt Bhamjee nicht den höchsten Grad an Glaubwürdigkeit. Er war dicht verstrickt in Betrugsdelikte der Fußball-Macher. Von der WM 2006 in Deutschland wurde er wegen illegaler Ticket-Verkäufe nach Hause geschickt. Vor der WM-Vergabe 2010 wurde er wegen Bestechungsvorwürfen suspendiert, auf eine Berufung verzichtete er. In dem Video plaudert er - sich unbeobachtet fühlend - auch freizügig über die korrupten Praktiken seiner Kollegen. 300.000 Dollar pro Funktionär habe Marokko afrikanischen Delegierten geboten. Jack Warner sei wegen höherer Offerten Richtung Südafrika umgeschwenkt.

Die BBC berichtet aus der Karibik mit Einblicken in Bankbelege die das System Warner enttarnen könnten. Demnach habe die Geldwäsche mit Überweisungen auf das Konto einer lokalen Supermarktkette funktioniert. Letztlich sei das Geld bei Warner gelandet.

Für Unruhe sorgt bei der FIFA offenbar, dass das Department of Justice in den USA nach seinen Ermittlungen gegen einzelne Funktionäre auch gegen den Weltverband als Institution aktiv werden könnte, wenn die Kultur der Bestechlichkeit in der Organisation nachzuweisen sei. Ähnlich wie bei drohenden Prozessen gegen internationale Banken müsste sich der Weltverband dann wohl durch Zahlung einer hohen Geldbuße freikaufen, berichtet die Zeitung "Schweiz am Sonntag" unter Berufung auf US-Juristen. Die FIFA-Reserven von knapp 1,4 Milliarden Euro könnten dann massiv schrumpfen. Eigentlich sind die Rücklagen für das Szenario eines WM-Ausfalls angesammelt worden.

Keine Hinweise auf gekaufte Stimmen für Russland und Katar

Durch die Ermittlungen im Zuge der WM-Vergabe an Russland 2018 und Katar 2022 ist weiterhin nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass beim Nachweis von Unregelmäßigkeiten die FIFA auch hier in teure Rechtsstreitigkeiten verwickelt wird. Der Vorsitzende der FIFA-Compliance-Kommission, Domenico Scala, erläuterte nochmals die Bedingungen für eine von vielen Seiten geforderte WM-Neuvergabe. "Sollten Beweise dafür vorliegen, dass die Vergabe nach Katar und Russland nur dank gekaufter Stimmen zustande kam, dann könnte die Vergabe nichtig sein. Dieser Beweis wurde bisher nicht erbracht", sagte Scala der Schweizer "Sonntags-Zeitung".

Das Internationale Olympische Komitee verfolgt aufmerksam die Entwicklung und erinnerte daran, dass die FIFA von den IOC-Reformen nach dem Skandal um die Vergabe der Winterspiele 2002 an Salt Lake City lernen könne. Der FIFA-Skandal sei auch in der IOC-Exekutive am Sonntag in Lausanne diskutiert worden, sagte IOC-Sprecher Mark Adams.

to/tu (dpa)

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