1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Briten brauchen Brexit-Crashkurs

14. März 2017

Nach dem britischen Unterhaus hat jetzt auch das Oberhaus grünes Licht für den Brexit gegeben. Damit kann der Prozess beginnen. Cristina Burack hat sich umgehört, wie die Briten die Entscheidung interpretieren.

Großbritannien Theresa May beim EU Gipfel in Brüssel
Bild: Reuters/Y. Herman

Wenn man nach einem typisch britischen Sport fragt, ist häufig Rugby oder Cricket die Antwort. Zumindest unter britischen Politikern gehört auch Ping-Pong dazu. Denn das häufige Hin und Her von Gesetzen zwischen dem Unter- und dem Oberhaus - also dem House of Commons und dem House of Lords - hat in Großbritannien Tradition.

So auch beim Thema Brexit. Denn obwohl Premierministerin Theresa May die gebündelten Brexit-Gesetze unverändert durch das Unterhaus brachte, ergänzte das Oberhaus in zwei Punkten. Zum einen sollten die Rechte von EU-Bürgern garantiert werden. Zum anderen forderte das Oberhaus ein Vetorecht des Parlaments zum Abschluss des Brexit-Deals. In beiden Fällen wollte sich die Regierung aber nicht festlegen lassen. Die Abgeordneten schmetterten beide Anträge im Unterhaus ab. Das Oberhaus gab schließlich an diesem Montagabend seinen Widerstand gegen den Entwurf des Brexit-Gesetzes auf - eine Verlängerung im Ping-Pong blieb damit aus. Nun fehlt nur noch die formale Zustimmung von Königin Elizabeth II., damit Premierministerin May den Scheidungsbrief von der EU offiziell einreichen kann.

Mangel an Legitimität?

Kritiker des nicht direkt gewählten Oberhauses sahen die Ergänzungen als Verschleppungstaktik - entgegen dem Willen des Volkes, das mit 52 Prozent beim Referendum für den Ausstieg aus der EU gestimmt hatte. Nicky will ihren Nachnahmen nicht nennen. Sie stammt aus London und hat bereits im Büro des Fraktionsvorsitzenden der Konservativen gearbeitet. Auch wenn die Lords das Recht hätten, Änderungen an Artikel 50 vorzunehmen, habe sie den Eindruck, dass sie sich "wegen der Legitimität auf dünnem Eis" befänden.

Das House of LordsBild: picture-alliance/empics/PA

Prof. Tim Bale ist Politikwissenschaftler an der Queens-Universität in London. Er teilt die Einschätzung: "Die Lords haben nun womöglich das Gefühl, alles in ihrer Macht Stehende getan zu haben", so Bale im Interview mit der Deutschen Welle. Damit bezieht er sich auf die Tatsache, dass die Mitglieder des Unterhauses gewählt werden, während die Lords nur ernannt sind. Gerade gegen eine Entscheidung des Volkes zu sein könnte die Kritik am ernannten Oberhaus noch einmal verstärken. 

Bale weist auch darauf hin, dass die Wahrnehmung des Oberhauses ganz klar mit der Einstellung zur EU zusammenhängt. "Das House of Lords spricht für die 48 Prozent der Bevölkerung, die sich für den Verbleib in der EU ausgesprochen haben. Für 52 Prozent der Bevölkerung sind die Lords aber ein Hindernis."

"Änderungen werden weiterleben"

Der Brexit-Befürworter Tim Saunders ist von der Arbeit der Lords "nicht besonders begeistert". Allerdings spiegele sich darin eben auch die Demokratie wider. Auch die zwei Zusätze sehe er nicht als Problem, solange sie Großbritannien nicht vom Austritt aus der EU abhielten.

Anders als Tim Saunders, der die politischen Entwicklungen rund um den Brexit genau verfolgt, hat Adam, der seinen Nachnamen nicht nennen möchte, nach eigenen Aussagen nicht viel dazu gelesen. Dennoch hätte der Paketzusteller und Bauarbeiter mit marokkanischen und irischen Wurzeln einen Zusatz zum Schutz der Rechte von EU-Ausländern befürwortet. "Sie sind zum Arbeiten hierhergekommen und haben auch ihren Beitrag geleistet", das müsse respektiert werden. Adam glaubt, eine solche Position könne auch bei den Verhandlungen mit den 27 EU-Mitgliedsstaaten helfen, die Rechte von Briten in der EU zu sichern.

Doch auch wenn die vorgeschlagenen Änderungen nun vom Tisch sind, glaubt der Politikwissenschaftler Bale, dass der "Geist" auf die eine oder andere Weise weiterleben könnte. "Der Zusatz zu den Rechten der EU-Bürger hat ein moralisches Gewicht. Das wird das Verhalten der Regierung bei den Verhandlungen beeinflussen", so Bale.

Adam befürwortet Sicherheiten für EU-AusländerBild: DW/C. Burack

Kein zweites Referendum

Ein zweites Referendum zum fertig ausgehandelten Brexit-Deal im Jahr 2019 hat das Oberhaus abgelehnt. Nicky fragt sich, was so ein Referendum hätte bringen sollen. "Die Menschen sagen: 'Wir wollen über diesen Deal entscheiden.' Aber wie kann man über ein ganzes Verhandlungspaket nur mit ja und nein abstimmen?"

Adam würde sehr gerne noch einmal abstimmen, weil sich die Situation nun verändert habe. Viele Brexit-Befürworter "bereuen ihre Entscheidung, weil das Pfund gefallen und die Preise gestiegen sind", sagt er. Adam meint, dass viele Menschen nun einfach besser informiert seien, was der Brexit überhaupt bedeute. Dem stimmt auch der London-Besucher Royer Giguere bei. Viele Menschen seien beim Thema Brexit schlecht informiert und ignorant. Und so scheint es - zumindest von der Außenperspektive -, dass die Briten einen Crashkurs zum Ausstieg aus der EU ganz gut gebrauchen könnten.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen