Der Handel des Vereinigten Königreichs mit der Europäischen Union ist angesichts des zum Jahreswechsel endgültig vollzogenen Brexits dramatisch eingebrochen. Auch die britische Wirtschaft leidet.
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Wie am Freitag die Statistikbehörde des Landes mitteilte, sanken die Exporte von Gütern des Landes in die EU im Januar verglichen mit Dezember 2020 um 41 Prozent. Umgekehrt gab es einen Rückgang der Importe aus der EU nach Großbritannien um 29 Prozent. Der Einbruch sei gemessen an Preisen und Umfang "der größte Rückgang in einem Monat seit Beginn der Aufzeichnungen im Januar 1997", erklärte die Statistikbehörde. Das Vereinigte Königreich hatte mit dem Austritt aus dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion zum Jahreswechsel den Brexit vollzogen.
Den Statistikern zufolge schrumpfte zudem die britische Wirtschaft im ersten Monat des neuen Jahres um 2,9 Prozent, nachdem sie im Dezember noch um 1,2 Prozent zugelegt hatte. Analysten waren von einem noch stärkeren Rückschlag ausgegangen. Sie hatten im Schnitt mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 4,9 Prozent gerechnet.
Grund für den Einbruch des Bruttoinlandsprodukts war demnach der erneute Lockdown im Land, mit dem Großbritannien vor allem die deutlich ansteckendere Virus-Mutante einzudämmen versuchte. Die britische Wirtschaft lag außerdem zuletzt neun Prozent unter dem Niveau von Februar 2020, bevor die Corona-Pandemie ausbrach.
Auch der deutsch-britische Handel leidet
In der Statistik sind alle Waren berücksichtigt, mit Ausnahme einiger Edelmetalle. Das Statistikamt wies darauf hin, dass der Handel nicht nur vom Brexit und neuen Zollregelungen belastet wurde, sondern auch von den Folgen der Corona-Pandemie. Großbritannien ist 2020 aus der EU ausgetreten. Seit Anfang 2021 gilt vorläufig das erst an Weihnachten ausgehandelte Handels- und Kooperationsabkommen, das für Unternehmen zahlreiche Änderungen bringt. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) geht davon aus, dass allein deutsche Unternehmen künftig rund zehn Millionen Zollanmeldungen pro Jahr einreichen müssen. Das dürfte etwa 400 Millionen Euro kosten.
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Auch die deutschen Exporte nach Großbritannien sind im Januar nach Inkrafttreten des Brexit-Handelsabkommens um 29,0 Prozent zum Vorjahresmonat auf 4,3 Milliarden Euro eingebrochen, so das Statistische Bundesamt. Die Importe aus dem Vereinigten Königreich nahmen zugleich um 56,2 Prozent auf 1,6 Milliarden Euro ab. Experten gehen aber nicht davon aus, dass in den nächsten Monaten ähnlich starke Rückgänge zu verzeichnen sein werden. Allerdings stellen viele Unternehmen wegen des britischen EU-Austritts ihre Lieferketten um. Das wird den Handel mit der Insel weiter bremsen.
Brexit: Was steht drin im Vertrag?
Das weihnachtliche Brexit-Handelsabkommen soll den reibungslosen Ausstieg des Vereinigten Königreichs aus einer der größten Handelszonen der Welt sichern. DW wirft einen Blick auf die wichtigsten Punkte des Abkommens.
Bild: Getty Images/AFP/G. Kirk
Weitgehende Zollfreiheit
Das Brexitabkommen sieht keine Zölle oder Ausfuhrkontingente vor, wenn das Vereinigte Königreich den Binnenmarkt und die Zollunion verlässt. Damit soll ein nahtloser Übergang im Januar 2021 gesichert werden. Die Verhandlungspartner haben sich außerdem auf Handelserleichterungen für Schlüsselbranchen wie Automobile, Pharmazie, Chemie und Lebensmittel geeinigt.
Bild: Aaron Chown/AFP/Getty Images
Das Ende der Freizügigkeit
Die Freizügigkeit und die Niederlassungsfreiheit, am Ort der eigenen Wahl arbeiten, studieren, ein Unternehmen gründen oder leben zu können, endet - sowohl für Briten in der EU als auch umgekehrt. Bereits bestehende oder erworbene Rechte und die Ansprüche auf Sozialleistungen wie Pensionen, Elternzeit, medizinische Versorgung bleiben bestehen. Für Besuche bis zu 90 Tagen braucht man kein Visum.
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Der Streit um den Fisch ist beigelegt
Der Fischexport in die EU unterliegt Zöllen, das UK verpflichtet sich, die Lebensmittelstandards der EU zu befolgen. Ein gemeinsames nachhaltiges Management der Fischbestände und Quoten in kontinentalen und britischen Gewässern werden für eine Übergangszeit von fünfeinhalb Jahren gewährleistet. Der gegenseitige Zugang zu allen Fischgründen bleibt so lange unverändert.
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Zusammenarbeit bei der Flugsicherheit
Auch wenn der Passagierflugverkehr aus dem Vereinigten Königreich nicht mehr Teil des freien Flugverkehrsmarktes innerhalb der EU ist, sichert das Abkommen dennoch die weitere Zusammenarbeit in der Luftfahrt. Dazu gehören unter anderem die Flugsicherheit und das Luftverkehrsmanagement. Der Frachtverkehr per Flugzeug zwischen beiden Wirtschaftsräumen bleibt weiterhin unbehindert.
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Ausschreibungen bleiben offen
Berufliche Qualifikationen von Ärztinnen und Ärzten, Pharmazeuten, Ingenieuren und Ingenieurinnen und anderen Fachkräften werden beiderseits nicht mehr automatisch anerkannt. Das Abkommen sichert Gleichbehandlung von Dienstleistungsanbietern oder Investoren. Es soll Barrieren beim digitalen Handel abschaffen und Bietern den Zugang zu Auftragsausschreibungen auf beiden Seiten sichern.
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Kein Emissionshandel mehr
Das UK verlässt den Energiemarkt der EU und die Europäische Atomgemeinschaft Euratom und scheidet aus dem Emissionshandel der EU aus. Beide Seiten garantieren die Sicherheit der Energieversorgung und arbeiten bei der Offshore-Energiegewinnung in der Nordsee zusammen. Das Abkommen schreibt Verpflichtungen zum Pariser Klimaabkommen fest und soll die CO2-Preis-Regeln beider Seiten koordinieren.
Bild: Gareth Fuller/empics/picture alliance
London verlässt Erasmus
Im Bereich Bildung, Forschung und Technologie wird das UK zwar das akademische Austauschprogramm Erasmus verlassen, doch weiterin Teil von fünf gemeinsamen Schlüsselprogrammen bleiben: bei Horizon Europe, beim Euratom-Forschungs- und Trainingsprogramm, bei der Fusionstestanlage ITER, dem Copernicus Erdüberwachungssystem und dem EU-Satellitenüberwachungs- und Trackingsystem.
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Transportrechte auf der Straße
LKW-Fahrer des Vereinigten Königreiches verlieren das Recht auf uneingeschränkten "cross-trade" in der EU. Das Brexitabkommen sichert jedoch weiterhin Punkt-zu-Punkt-Verkehre zwischen der EU und dem UK sowie vollständige Transitrechte über die Gebiete des jeweils anderen. Absprachen zu Arbeitsbedingungen, Verkehrssicherheit und fairen Wettbewerbsbedingungen bleiben bestehen.
Bild: Gareth Fuller/PA/empics/picture alliance
Kooperation statt Mitgliedschaft
Das UK wird die Behörden Interpol und Eurojust verlassen und Zugang zu sensiblen Datenbanken der EU in Bereichen wie Sicherheit und Justiz verlieren. Das Abkommen sichert die weitere Kooperation Londons mit diesen Behörden. Der schnelle Austausch von Passagierdaten, DNA, Fingerabdrücken, Fahrzeugen und Kriminalakten zwischen dem UK und der EU ist gewährleistet. +++++ Aus dem Englischen adaptiert