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Britische IT-Branche im Aufwind

Gerhard Elfers (London) 9. März 2014

Großbritannien ist in diesem Jahr Partnerland der CeBit. Die zweitgrößte Volkswirtschaft Europas gibt sich in Hannover selbstbewusst. Kein Wunder: In London hat sich eine einzigartige Startup-Kultur entwickelt.

Messeplakat der Cebit 2014 Hannover (Foto: DW/J. Schmeller)
Bild: DW/J. Schmeller

Es ist ein typisches Büro für diese Art von Unternehmen: groß und luftig, untergebracht in einem viktorianischen Fabrikgebäude in Clapham, im Süden Londons. Das improvisierte Mobiliar ist ein erster Hinweis auf das rasante Wachstum, das Adzuna hinter sich hat. "Vor zwei Jahren saßen mein Geschäftspartner Doug und ich noch mit zwei Laptops in meinem Schlafzimmer," sagt Andrew Hunter, Gründer und CEO der Jobsuchmaschine. Inzwischen haben die beiden 25 Mitarbeiter - und ihre Webseite vier Millionen Besucher pro Monat.

Unternehmen wie Adzuna stehen stellvertretend für das britische Startup-Wunder. Besonders in London hat sich in den letzten Jahren eine Gründerszene entwickelt, die in Europa ihresgleichen sucht. Zwischen 2009 und 2012 stieg die Anzahl von IT- und Tech-Firmen in London nach Regierungsangaben von knapp 50.000 auf über 88.000: ein Plus von 76 Prozent.

Guter Nährboden

Die britische Hauptstadt bietet einen idealen Nährboden für diesen Boom junger IT-Unternehmen. "Ich bin mir sicher, nicht mal im Silicon Valley hätten wir das schaffen können," sagt Hunter. "Wir betreiben Webseiten in Russland, den Niederlanden, Kanada und Südafrika. Hier in London fanden wir schnell Leute, die sowohl die relevanten Sprachen beherrschten als auch Marketing- und Vertriebsqualifikationen besaßen." Wenn man allein den Personalaspekt betrachte, so Hunter, hätte man nirgendwo anders auf der Welt so gute Startbedingungen. Mehr als eine halbe Million Mitarbeiter beschäftigt der Sektor allein in London, Tendenz stark steigend.

London: Epizentrum der britischen IT-Branche

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Immer wieder kommen die Schlagzeilen, aus dem die Träume der High-Tech-Unternehmer von morgen gemacht sind, aus dem Schmelztiegel London. Erst kürzlich kaufte Google die Vordenker von DeepMind für 400 Millionen Pfund. Im letzten Jahr machten drei junge Deutsche Kasse, als sie ihr Startup Mendeley, ein soziales Netzwerk für Wissenschaftler, an einen amerikanischen Verlag verkauften - für 65 Millionen Pfund.

London - guter Platz für Gründer

Von diesem Geschäft profitierte auch Investor Stefan Glänzer. Der Deutsche kam vor gut zehn Jahren nach London und fördert nun, nach eigenen Erfolgen mit Ricardo.de und Last.fm, junge Internet-Unternehmen. "Es gibt in London herausragende Universitäten voller junger, ambitionierter Menschen, die Lust haben, etwas zu starten. Dazu kommt die größte Dichte an Risikokapital, von kleinen Fonds mit Focus auf Frühphasenfinanzierung bis zu den größten Private Equity Fonds der Welt." Zudem hätten die großen Internetfirmen von Amazon über Google, Facebook, und Twitter hier wichtige Repräsentanzen. "Das alles macht London zu dem am weitesten entwickelten Startup-Ökosystem in Europa", sagt Glänzer. Seine Firma Passion Capital ist aktuell an 34 Tech-Startups beteiligt.

Bild: DW/J. Schmeller

City of London braucht IT-Firmen

Viele der jungen IT-Firmen, die sich in den letzten Jahren rund um den Silicon Roundabout angesiedelt haben, einem Kreisverkehr im Osten der Stadt, profitieren auch von der direkten Nachbarschaft zum Finanzzentrum der "City of London". Unter dem Label Fintech ist hier ein separater Zweig von Startups entstanden, die sich auf Dienstleistungen für die Finanzindustrie spezialisiert haben. "Kürzlich haben wir für eine Bank tausende interne Dokumente im Internet aufgespürt," sagt Alastair Paterson. "Darunter befanden sich hochsensible Daten über die Sicherheitsarchitektur der Geldautomaten dieses Kunden." Paterson ist Gründer und CEO von Digitalshadows, einer Firma, die sich auf das Aufspüren und Abdichten von Datenlecks spezialisiert hat. Seine proprietäre Software namens Searchlight zapft "mehrere zehn Millionen Quellen im Internet an, darunter russische Sozialnetzwerke und Suchmaschinen in China", so Paterson. Zu den Kunden des erst vor zwei Jahren gegründeten Unternehmens gehören neben Großbanken internationale Blue-Chips der Pharma-, Energie- und Luftfahrtindustrie. Vom Erfolg scheint Paterson selbst etwas überrascht; Digitalshadows operiert schon jetzt kostendeckend.

IT bald wichtiger als Finanzbranche?

Auch die britische Regierung hat begriffen, wie wichtig der Sektor für die heimische Wirtschaft ist. Mit "TechCity UK" hat Premier David Cameron schon im Jahr 2010 eine eigene Agentur ins Leben gerufen, die sich um den IT-Sektor kümmern soll. "Die Regierung hat der Branche genau zugehört," sagt Pru Ashby von TechCity UK. "Sie hat Gesetze geändert, um speziell diesen Firmen das Leben zu erleichtern. Dazu gehört unter anderem ein Investmentprogramm, dass massive und weltweit einzigartige Steuererleichterungen für junge Unternehmen und Investoren gewährt." Vor Unternehmern aus dem Ausland öffnen sich dank neuer sogenannter Entrepreneurs Visa an den Grenzen des Königreichs schnell die Schlagbäume, wenn sie eine gute Idee und Kapital im Gepäck haben. Der Grund für diese Politik: Die britische Wirtschaft braucht dringend ein starkes zweites Standbein. Die Finanzindustrie, bisher wichtigster Wachstumsmotor des Königreichs, ist durch die Bankenkrise angeschlagen und steht politisch unter Druck. Nicht ausgeschlossen, dass die IT-Branche in Zukunft den Banken den Rang ablaufen wird als wichtigster Wirtschaftszweig des Landes.

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