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Politik

Opposition will No-Deal-Brexit verhindern

27. August 2019

Großbritanniens Premier Johnson schließt einen EU-Austritt ohne Abkommen nicht aus. Das will die britische Opposition mit vereinten Kräften verhindern. Und auch die EU macht noch einmal ihre Position deutlich.

Britische Opposition vereinbart Vorgehen gegen No-Deal-Brexit
Jeremy Corbyn mit weiteren Mitgliedern der Labour-Partei bei dem Treffen mit den Oppositionsparteien in LondonBild: picture-alliance/dpa/PA/S. Rousseau

Führende Mitglieder der Oppositionsparteien im britischen Parlament haben sich auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt, um einen EU-Austritt ohne Abkommen abzuwenden. In einer gemeinsamen Erklärung nach einem Treffen in London hieß es, Premierminister Boris Johnson schrecke nicht vor undemokratischen Mitteln zurück, um einen ungeregelten EU-Austritt durchzusetzen. Das müsse dringend verhindert werden. 

Juncker signalisiert Gesprächsbereitschaft

Die Teilnehmer des Oppositionstreffens stimmten in der Dringlichkeit überein, gemeinsam "praktische Wege" zur Verhinderung eines No-Deals zu finden, "darunter mögliche Gesetzesvorhaben und ein Misstrauensvotum", hieß es weiter. Die sozialdemokratische Labour-Partei, die Schottische Nationalpartei, die Liberaldemokraten, die Wales-Partei Plaid Cymru, die Grünen und die EU-freundliche Change UK einigten sich zudem darauf, weitere Treffen abzuhalten.

Gleichzeitig kündigte auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker an, die EU werde alles tun, um einen ungeregelten Brexit zu vermeiden. Nach einem Telefonat mit Johnson zeigte sich Juncker gesprächsbereit, falls Großbritannien konkrete neue Lösungsvorschläge macht. Diese müssten allerdings mit dem bereits ausgehandelten Austrittsvertrag vereinbar sein, erklärte Juncker über eine Sprecherin.

Vorbehalte gegen Misstrauensvotum

Die Opposition in London versucht ihrerseits, Druck auf Regierungschef Johnson aufzubauen, der im Parlament nur noch eine Stimme Mehrheit hat. "Wir sind uns einig, dass wir zusammenarbeiten werden, um einen No-Deal-Brexit per Gesetz zu verhindern", twitterte die Abgeordnete Anna Soubry, die eine Gruppe von pro-europäischen ehemaligen Tory- und Labourabgeordneten anführt. Der Vorschlag von Labour-Chef Jeremy Corbyn, die Regierung durch ein Misstrauensvotum zu stürzen und unter seiner Führung eine Übergangsregierung zu bilden, war bei den anderen Parteien auf Widerstand gestoßen.

Vom Tisch ist ein solches Vorgehen jedoch nicht, wie die einzige grüne Parlamentarierin im Unterhaus, Caroline Lucas, bei der BBC bestätigte. Die Regierung zu stürzen, sei aber nicht ohne Risiko. Priorität habe daher ein Gesetzgebungsprozess, um Johnson zur Verschiebung des Austrittsdatums am 31. Oktober zu zwingen. Die Chefin der Liberal Democrats, Jo Swinson, sagte Sky News indes, ein Misstrauensvotum gegen Premierminister Boris Johnson hätte größere Chancen, wenn Corbyn seine Pläne begrabe, selbst Chef einer Übergangsregierung zu werden.

Das britische Unterhaus kehrt am 3. September aus der Sommerpause zurück. Wann und wie genau die No-Deal-Gegner ihren Plan umsetzen wollen, war zunächst unklar. Um einen EU-Austritt ohne Abkommen zu verhindern, ist es notwendig, dass alle Oppositionsabgeordneten an einem Strang ziehen. Zudem sind sie auf die Hilfe von Rebellen aus der Regierungsfraktion angewiesen.

Brexiteer Farage drängt Johnson zum No-Deal

Johnson will den im britischen Unterhaus mehrfach gescheiterten Austrittsvertrag ändern und vor allem die vorgesehene Garantieklausel für eine offene Grenze in Irland streichen, den sogenannten Backstop. Die EU hat dies stets abgelehnt, weil sie Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland auch künftig unbedingt vermeiden will. Wird keine Einigung gefunden, will Johnson am 31. Oktober notfalls einen Brexit ohne Vertrag.

Beim G7-Gipfel im französischen Biarritz hatte Johnson gesagt, er sei "geringfügig optimistischer", dass ein geordneter EU-Austritt möglich ist. Die Chancen für einen Deal würden aber "ausschließlich" von der Kompromissbereitschaft der EU abhängen.

Brexit-Befürworter Nigel Farage favorisiert einen EU-Austritt ohne AbkommenBild: picture-alliance/PA Wire/A. Matthews

Rückendeckung erhielt der Premierminister vom Chef der EU-feindlichen Brexit-Partei, Nigel Farage. "Wie die Dinge jetzt stehen, ist kein Abkommen das beste Abkommen", sagte Farage, einer der führenden Köpfe hinter der Brexit-Kampagne vor dem Referendum 2016, vor Parteimitgliedern in London. Er warnte Johnson vor Verhandlungen mit Brüssel und forderte einen "Brexit des klaren Schnitts".

Corbyn fordert neues Referendum oder Neuwahlen

Labour-Chef Corbyn kritisierte dagegen Johnsons Pläne in einem Gastbeitrag im "Independent" erneut scharf. Johnson plane einen "Bankier-Brexit", schrieb er. In der erwarteten Krise würden dann Gesetze gemacht, von denen nur Reiche profitierten. "Der Kampf gegen einen No-Deal-Brexit ist nicht einer zwischen denen, die die EU verlassen wollen, und denen, die die Mitgliedschaft fortsetzen wollen", schrieb Corbyn. "Es ist ein Kampf der vielen gegen die wenigen, die das Ergebnis des Referendums (für einen Austritt) kapern, um denen, die oben sind, noch mehr Macht und Reichtum zuzuschustern."

Corbyn verlangte ein neues Referendum oder eine Neuwahl. Zu einer Wahl könnte es schon in wenigen Wochen kommen, sollte ein Misstrauensantrag gegen Johnson Erfolg haben und kein anderer Politiker eine stabile Regierung auf die Beine stellen können. Für diesen Fall hat die Regierung jedoch angedroht, erst nach einem möglichen No-Deal-Brexit wählen zu lassen, denn das Vorschlagsrecht für den Wahltermin läge in diesem Fall bei Johnson.

Es wird jedoch auch spekuliert, dass Johnson womöglich selbst eine Blitzwahl noch vor dem 31. Oktober anberaumen könnte. Dazu bräuchte er zwar eine Zweidrittelmehrheit im Parlament, doch Labour könnte sich dagegen wohl kaum sperren.

ww/ust (afp, dpa, rtr)

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