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Politik

May tritt am 7. Juni als Tory-Chefin zurück

24. Mai 2019

Das teilte die konservative Politikerin in London mit. Damit gibt sie auch ihr Amt als Regierungschefin auf. May konnte nicht liefern, was sie so oft versprochen hatte. Den Brexit bringt das keinen Zentimeter voran.

Theresa May London Statement
Bild: Reuters/T. Melville

Nach diesem Zeitplan wird Theresa May noch während des Staatsbesuchs von US-Präsident Donald Trump (3. bis 5. Juni) Premierministerin sein. Sie kündigte an, die Amtsgeschäfte weiterzuführen, bis ein Nachfolger gewählt ist. Dies habe sie bereits Königin Elizabeth II. mitgeteilt. Es sei im besten Interesse des Landes, wenn ein anderer Premierminister Großbritannien aus der Europäischen Union führe. Ihre vor ihrem Amtssitz in der Downing Street abgegebene Stellungnahme beendete May unter Tränen. 

Am Ende stürzte die Premierministerin Großbritanniens nach nicht einmal drei Jahren im Amt über parteiinterne Grabenkämpfe ihrer konservativen Partei. Mit einer fast unglaublichen Beharrlichkeit, sagen die wenigen Parteifreunde, oder mit einer schier unendlichen Sturheit, so ihre Gegner, hatte Theresa May ihr letztes Ziel verfolgt. Sie wollte das Austrittsabkommen mit der EU doch noch irgendwie durch das Unterhaus pauken, in dem sie schon lange keine eigene Mehrheit mehr hatte. Danach wollte sie dann freiwillig zurücktreten, hatte sie versprochen. Die nächste Phase des Brexit, das Aushandeln der künftigen Beziehungen mit der EU, sollte ihr Nachfolger übernehmen.

Dreimal sagten die Parlamentarier 'Nein' zu dem Abkommen, das Großbritannien einen geregelten Austritt aus der EU ermöglich hätte. Das Parlament versank in chaotischen Abstimmungen. Theresa May musste im März und im April den Brexit verschieben und bei der EU um Nachspielzeit bitten. Noch vor wenigen Tagen unternahm sie einen letzten, wie sie fand, "kühnen" Versuch, das umstrittene Brexit-Abkommen für das Parlament schmackhaft zu machen. Sofort heulten sowohl die Brexit-Befürworter und die Brexit-Gegner auf. Gespräche mit der Labour-Opposition waren zuvor kläglich gescheitert.

"Brexit means Brexit"

Vor dem Referendum zum Austritt des Vereinigten Königreiches am 23. Juni 2016 gehörte Theresa May zum Lager der "Remainer". Sie wollte in der Europäischen Union bleiben. Nachdem der damalige Premierminister David Cameron nach dem Referendum die Brocken hinwarf, fühlte sich die damalige Innenministerin in der Pflicht, das Land geordnet aus der Union zu führen. Nachdem sie selbst in die Downing Street Nummer 10 eingezogen war, prägte sie die Floskel "Brexit means Brexit!" Sie versicherte, dass sie den Willen des Volkes aus dem Referendum respektieren und umsetzen werde. Diesen Satz wiederholte sie ständig bei jeder öffentlichen Rede und bei jeder Verhandlungsrunde in Brüssel, auch als bereits klar wurde, dass der Brexit viel komplizierter würde, als sich dass die Briten wohl ausgemalt hatten. Das brachte ihr schnell den Spitznamen "May-bot" ein, eine Mischung aus Roboter und Politikerin.

Theresa May zieht 2016, gerade zur neuen britischen Premierministerin gewählt, als zweite Frau nach Margaret Thatcher in die Downing Street Nr. 10 ein.Bild: Reuters/S. Rousseau

Nach nur neun Monaten im Amt rief May im April 2017 überraschend Neuwahlen aus. Sie hatte gehofft, damit ihre Position in den Brexit-Verhandlungen mit der EU zu stärken. Doch das Gegenteil war der Fall: Die Wahl wurde ein Desaster für die Premierministerin und ihre konservative Partei, die 13 Sitze und ihre Mehrheit im Parlament verlor. May musste mit Mühe eine Minderheitsregierung zusammenzimmern, die fortan auf die Unterstützung der nordirisch-protestantischen DUP angewiesen war.

Ohne Fortune

Während ihrer Zeit als Premierministerin ereigneten sich mehrere Terroranschläge in Großbritannien. Zudem kamen im Juni 2017 bei einem Brand im 24-stöckigen Grenfell-Tower in London 72 Menschen ums Leben. May kam am Tag nach dem Feuer zum Ort der Katastrophe, sprach aber nicht mit den geretteten Bewohnern. Dafür wurde sie heftig kritisiert. Später sagte May, sie würde "immer bereuen, dass ich mich an dem Tag nicht mit Überlebenden getroffen habe und es deswegen so aussah, als würde es mich nicht kümmern".

Auch in anderen Bereichen wurde May für ihr Vorgehen kritisiert. So hatte sie in ihrer ersten Rede als Premierministerin im Juli 2016 versprochen, soziale Ungerechtigkeiten zu bekämpfen und zu versuchen, "Großbritannien zu einem Land zu machen, das für alle funktioniert" sowie sich für Arbeiterfamilien einzusetzen. Aber diese hehren Ziele traten vor dem Brexit-Drama in den Hintergrund.

"Backstop" brach ihr das Genick

Mehr oder weniger vom ersten Tag ihrer Amtszeit an wurde May nicht nur von verbissenen Brexit-Anhängern, sondern auch von ihren eigenen Parteikollegen heftig attackiert. Zunächst sorgte ihr Weißbuch über die künftigen Wirtschaftsbeziehungen mit der Europäischen Union für Streit. Ihr Plan, nach dem Austritt Großbritanniens ein Regelwerk mit der EU für den gemeinsamen Handel zu haben, veranlasste Außenminister Boris Johnson und Brexit-Minister David Davis zum Rücktritt. Im Laufe der zähen Brexit-Verhandlungen wurden noch zwei weitere Brexit-Minister verschlissen. Der Chefunterhändler der EU, Michel Barnier, äußerte mehrfach sein Erstaunen, über die chaotische und unprofessionelle Verhandlungsführung der britischen Seite.

Zuletzt sorgte vor allem die Grenze zwischen Großbritannien und Irland für Streit im Unterhaus und innerhalb der Konservativen Partei. Laut des von May ausgehandelten Brexit-Vertrags gilt ab dem EU-Austritt der sogenannte "Backstop" auf der irischen Insel. Damit es zwischen EU-Mitglied Irland und Nordirland, das Teil des Vereinigten Königreichs ist, keine Schlagbäume und Grenzkontrollen gibt, soll - so der Deal - ganz Großbritannien in der europäischen Zollunion bleiben, bis eine bessere Lösung gefunden ist.

Die Backstop-Regelung trieb die Brexit-Hardliner auf die Barrikaden - und war einer der Hauptgründe, dass May es nicht schaffte, eine Mehrheit der Abgeordneten im Parlament auf ihre Seite zu bringen. Theresa May hatte wohl auch nicht damit gerechnet, dass die Europäische Union bis zum Schluss geschlossen gegenüber den Briten auftreten würde.

Theresa May und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker: Oft getroffen, den anvisierten Brexit am Ende nicht vollzogen. Bild: Reuters/V. Kessler

Lange Parteikarriere

May gewann 1997 ihren ersten Sitz im Parlament, gehörte viele Jahre zur Führungsriege der konservativen Tories und war bis 2016 sechs Jahre Innenministerin. Sie galt als durchsetzungsfähig und unerschütterlich. Ihre Kritiker werfen ihr vor, sie könne die politische aufzubauen. Theresa vertrat harte Position in der Migrationspolitik, führte aber andererseits zur Überraschung vieler Konservative 2014 die Homo-Ehe in Großbritannien ein, nicht allerdings in Nordirland. Nach Margaret Thatcher war May erst die zweite Frau in der Downing Street Nr. 10.

Und jetzt?

Theresa May bleibt geschäftsführend im Amt bis die konservative Partei einen neuen männlichen oder weiblichen "Leader" auserkoren hat, der oder die dann auch zum Premierminister gewählt wird. Als wahrscheinlich gilt, dass der ehemalige Außenminister und "harte" Brexit-Befürworter, Boris Johnson, an die Macht kommt. Johnson ist an der Parteibasis äußerst beliebt, hatte es aber 2016 abgelehnt Nachfolger von David Cameron zu werden.

Insgesamt bewerben sich bis zu 15 Tory-Politiker um den Parteivorsitz, darunter auch ehemalige Brexit-Minister. Auch einem Premierminister Boris Johnson, der in Brüssel vor allem mit flotten Sprüchen aufgefallen ist, dürfte es aber schwerlich gelingen, das Austrittsabkommen mit der EU wieder aufzuschnüren und neu zu verhandeln. Es bliebe ein harter Brexit ohne Abkommen mit schwer kalkulierbaren Folgen für das Vereinigte Königreich und die EU. Im Moment ist der Austrittstermin auf den 31. Oktober um Mitternacht festgelegt.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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