Unterhaus kippt Johnsons Brexit-Fahrplan
22. Oktober 2019Nach einer heftigen Abstimmungsniederlage im britischen Parlament hat Premier Boris Johnson seine Gesetzgebung zum Brexit-Deal auf Eis gelegt. Er wolle mit der Europäischen Union über eine weitere Verlängerung der Frist verhandeln. Zugleich müsse er aber auch die Vorbereitungen für einen ungeregelten Austritt aus der EU vorantreiben, sagte Johnson am Dienstagabend im Parlament.
"Noch größere Unsicherheit"
Der Regierungschef zeigte sich enttäuscht, dass das Unterhaus wieder für eine Verzögerung votiert habe. "Wir sehen uns nun noch größerer Unsicherheit gegenüber", sagte Johnson. "Die EU muss sich entscheiden, wie sie auf die Bitte des Parlaments um einen Aufschub reagieren will. Die Regierung muss die einzig verantwortungsvolle Richtung einschlagen und unsere Vorbereitungen für ein No-Deal-Ergebnis beschleunigen." Die Abgeordneten hatten zuvor in einer Abstimmung Johnsons straffen Brexit-Zeitplan gekippt. Insgesamt waren 322 Abgeordnete gegen Johnsons Zeitplan, 308 sprachen sich dafür aus.
EU-Ratspräsident Donald Tusk teilte derweil mit, er werde den EU-Mitgliedsstaaten empfehlen, die von Großbritannien erbetene Verlängerung der Brexit-Frist anzunehmen. Dies sollte geschehen, um einen ungeregelten EU-Austritt zu verhindern, erklärte Tusk.
Johnson hatte gedroht, der Pfad für einen No-Deal-Brexit öffne sich, wenn sein Plan zunichte gemacht werde und der 31. Oktober als Datum für eine geregelte Trennung nicht möglich wäre. Die Macht über das weitere Vorgehen müsse in Großbritannien liegen und nicht in Brüssel.
Gesetzesrahmen gebilligt
Zuvor hatte das britische Parlament am Dienstagabend den Gesetzesrahmen für den Brexit-Deal im Grundsatz gebilligt und damit den Weg für eine weitere Debatte des Gesetzespaketes eigentlich frei gemacht. Die Abgeordneten votierten in einer ersten Abstimmung für das zwischen Johnson und der EU vereinbarte Paket. Nach der zweiten Lesung stimmten 329 Abgeordnete dafür, das Gesetzespaket weiter zu verfolgen, 299 votierten dagegen, wie Parlamentspräsident John Bercow bekanntgab.
Die Inhalte des 110 Seiten starken Brexit-Gesetzespaketes waren den Abgeordneten erst am Montagabend bekanntgeworden. Zahlreiche Parlamentarier forderten mehr Zeit. Es bedürfe weiterer Diskussionen - nicht zuletzt über den Umgang mit Arbeitnehmerrechten, mit Umweltbestimmungen und vor allem mit der Frage einer Zollunion und damit verbunden des Nordirland-Problems.
Das Johnson-Papier sieht vor, dass Großbritannien zwar als Ganzes aus der Zollunion mit der Staatengemeinschaft austritt. De facto aber würde Nordirland zu einem großen Teil an die Handelsregelungen der Europäischen Union gebunden bleiben. Im Prinzip verlagert der Deal die Zollgrenze südlich der irischen Insel. Dies stößt auf Widerstand bei der nordirischen Protestantenpartei DUP.
kle/rb/wa (dpa, rtr)