Freiheits-Atlas: Demokratie und Menschenrechte unter Druck
2. Juni 2025
Die große Mehrheit der Weltbevölkerung kann Freiheitsrechte nicht uneingeschränkt wahrnehmen. In ihrem aktuellen "Atlas der Zivilgesellschaft" warnt das evangelische Hilfswerk "Brot für die Welt" vor dramatischen Einschränkungen der Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit.
Nur in 40 (von 197 untersuchten) Ländern - in denen gerade einmal 3,5 Prozent der Weltbevölkerung leben - gelten diese Rechte noch uneingeschränkt. Rund sieben Milliarden Menschen leben demnach in Staaten, in denen zivilgesellschaftliches Engagement eingeschränkt, unterdrückt oder gänzlich unmöglich ist.
"Demokratie und Menschenrechte werden weltweit in einer Weise angegriffen, wie wir es seit Jahrzehnten nicht erlebt haben", sagte Dagmar Pruin, Präsidentin von "Brot für die Welt", bei der Vorstellung des Berichts in Berlin. Verantwortlich seien etwa autoritäre Gesetzgebung, der Abbau von Gewaltenteilung und staatliche Willkür.
Nur 40 Länder mit offener Zivilgesellschaft
Der Atlas, der auf Daten des internationalen Netzwerks "Civicus" basiert, teilt Länder in fünf Kategorien ein: offen, beeinträchtigt, beschränkt, unterdrückt und geschlossen. Lediglich die bereits erwähnten 40 Länder - darunter Luxemburg, Dänemark, Taiwan und Neuseeland - schaffen es in die Spitzengruppe. Dort ist die Zivilgesellschaft lebendig und rechtlich umfassend geschützt.
Am unteren Ende der Skala stehen 29 Länder, in denen die Zivilgesellschaft als "geschlossen" gilt - etwa Russland, China, Nordkorea oder Saudi-Arabien. Hier herrscht laut Bericht "eine Atmosphäre der Angst". Kritik am Regime wird häufig mit Überwachung, Haft oder sogar Gewalt beantwortet.
Weitere 51 Staaten - darunter Mexiko, Algerien, die Türkei und Thailand - fallen in die Kategorie "unterdrückt", in der zivilgesellschaftliches Engagement massiv erschwert oder kriminalisiert wird.
Deutschland nicht mehr in der obersten Liga
Auch Deutschland erhält im diesjährigen Bericht wieder keine Bestnote. Bereits im Vorjahr wurde das Land in die Kategorie "beeinträchtigt" herabgestuft. Zwar gelten Meinungs- und Versammlungsfreiheit hierzulande im Grundsatz, doch weist der Bericht auf bedenkliche Einschränkungen hin: darunter übermäßige Polizeigewalt, etwa durch den Einsatz von Tränengas oder Gummigeschossen gegen friedlich Demonstrierende, und zunehmende Angriffe auf Journalisten.
Kritisch sieht "Brot für die Welt" auch das harte Vorgehen gegen Klimaaktivisten, insbesondere gegen die Protestgruppe "Letzte Generation". Auch dadurch sei der zivilgesellschaftliche Handlungsspielraum in Deutschland nicht mehr als voll gewährleistet einzustufen.
"Brot für die Welt" ruft die Bundesregierung eindringlich dazu auf, sich entschiedener für die Zivilgesellschaft im In- und Ausland einzusetzen. Präsidentin Pruin betonte: "Wenn wir die Demokratie weltweit schützen wollen, müssen wir bei der Zivilgesellschaft anfangen. Sie ist der Schlüssel."
Angriffe auf den Rechtsstaat als zentrales Thema
Ein Schwerpunkt des diesjährigen Berichts liegt auf systematischen Angriffen auf rechtsstaatliche Prinzipien. Weltweit untergraben Regierungen laut Atlas gezielt die Gewaltenteilung, schränken unabhängige Justiz ein und schaffen mit restriktiven Gesetzen neue Werkzeuge der Repression. Ein Beispiel ist das in Georgien beschlossene Gesetz zur "Transparenz ausländischer Einflussnahme", das NGOs zur Registrierung als "ausländische Agenten" zwingt.
Doch der Bericht zeigt auch Gegenbewegungen: Zivilgesellschaftliche Organisationen setzen verstärkt auf strategische Klagen, um etwa Frauenrechte, Umweltschutz oder soziale Gerechtigkeit voranzutreiben. So klagten in Kenia zehn Frauen gemeinsam erfolgreich auf Entschädigung nach Gewalt durch einen Busfahrer.
Zivilgesellschaftliche Akteure spielten eine entscheidende Rolle bei der Kontrolle staatlicher Macht, der Bekämpfung von Korruption und dem Schutz benachteiligter Gruppen. Ohne sie, so Pruin, sei keine nachhaltige Entwicklung denkbar: "Kein Klimaschutz, keine Bildung, kein Frieden ohne Zivilgesellschaft."
pgr/wa (kna, epd, dpa)