1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Bruderkrieg in Nahost

Vladimir Müller20. Juli 2005

Trotz der Proteste in Israel: Scharon wird sich durch nichts von seinem Plan, Gaza zu räumen, abhalten lassen. Nicht umsonst hat er für den Rückzug gekämpft, Koalitionen gewechselt und die Gunst vieler Wähler eingebüßt.

Israels Premier Ariel ScharonBild: AP

Auch wenn die Proteste der nationalreligiösen Demonstranten - unter ihnen viele Jugendliche, die wie bei einem Schulausflug wirken - den Rahmen ähnlicher Veranstaltungen bisher nicht sprengten: Die Ausrufung der höchsten Sicherheitsstufe zeigt das wahre Ausmaß der Spaltung, die durch die israelische Gesellschaft verläuft. Denn zum ersten Mal bereiten sich israelische Soldaten auf Kämpfe mit Teilen der eigenen Bevölkerung vor. Geschossen wurde noch nicht, zu Gewaltausbrüchen unter den Demonstranten ist es aber schon gekommen. Und das trotz der Beteuerungen des Siedlerrats zuvor, keine Gewalt anzuwenden.

Siedlerproteste an der Grenze zu GazaBild: AP

So kurz vor dem Ziel wird Ex-General Ariel Scharon - mit der knappen Mehrheit der israelischen Bevölkerung im Rücken - aber nicht aufgeben. Mit dem Rückzug aus Gaza will Scharon in die Geschichte eingehen; als derjenige, der Israels Überleben gesichert hat. Das einstige Siedler-Idol war zu der Überzeugung gelangt, gegen den demographischen Faktor in Gaza nicht ankämpfen zu können. Aus dieser Erkenntnis schöpft Scharon seine Kraft.

Schwacher Abbas?

Etwas kraftlos scheint dagegen der palästinensische Präsident Mahmud Abbas. Sein großes Verdienst, die radikalen Islamisten-Gruppen zu einer Waffenruhe mit den Israelis zu bewegen, währte kaum fünf Monate. Von den Israelis bereits seit längerem als Schwächling verspottet - Abbas hat es stets abgelehnt, die militanten Palästinenser zu entwaffnen - bestätigt er nun selbst eigene Führungsschwäche: Die Versuche seiner Polizei, militante Aktivisten der Palästinenserorganisationen Hamas und des Islamischen Dschihad daran zu hindern, Mörsergranaten und Raketen auf israelisches Gebiet abzufeuern, endeten Mitte Juli in bewaffneten Auseinandersetzungen mit mehreren Toten.

Neue Vorgehensweise der Hamas

Die Verlängerung der Waffenruhe mit Israel hat schließlich im Fall Hamas nicht Abbas erreicht. Es waren ägyptische Vermittler. Dabei hat die Hamas ihre Vorgehensweise in Gaza dem israelischen Rückzug gegenüber wohl geändert: Der Raketen- und Mörserbeschuss auf israelisches Gebiet sollte militärische Stärke demonstrieren, um den Abzug der Israelis später als eigenen Sieg zu feiern. Nach der erneuerten Vereinbarung über eine Waffenruhe aber will sich die Hamas politisch positionieren. Als wollten die in Gaza ohnehin populären Islamisten sagen: Nur mit uns, und zwar als stärkste Kraft, wird Gaza nach dem Abzug regiert werden können.

Keine weiteren Rückzüge

Abbas wird sich etwas einfallen lassen müssen, um aus eigener Kraft den erlittenen Image-Schaden zu reparieren und das schwindende Vertrauen wieder zu gewinnen. Die kommende Übernahme des Gaza-Streifens durch die Palästinenser bietet für ihn dafür jedenfalls die beste Gelegenheit. Bei Scharon wiederum ist schon jetzt klar, dass er angesichts des Ausmaßes der Gaza-Proteste noch einfacher als bisher wird argumentieren können: Ein weiterer Rückzug von Siedlern aus dem Westjordanland sei seinem eigenen Volk nicht vermittelbar.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen