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Wut auf brutales Mitglied des Assad-Clans

Andreas Gorzewski10. August 2015

Unter regimetreuen Alawiten in Syrien gärt es. Ein tödlicher Verkehrsstreit löste Demonstrationen und Hinrichtungsforderungen gegen ein Mitglied der Präsidentenfamilie aus. Noch ist die Wut lokal begrenzt.

Suleiman al-Assad präsentiert sich auf seiner Facebook-Seite stolz mit Gewehr
Suleiman al-Assad präsentiert sich auf seiner Facebook-Seite stolz mit GewehrBild: Facebook

Syriens Präsident Baschar al-Assad ist militärisch und politisch an vielen Fronten unter Druck. Nun kommt auch noch die Wut einiger seiner treuesten Anhänger über ein Mitglied seines Clans hinzu. Suleiman al-Assad, Sohn eines Cousins des Staatschefs, erschoss im Streit einen ranghohen Luftwaffenoffizier. Täter wie Opfer gehören der Religionsgemeinschaft der Alviten an, die weitgehend loyal zum Assad-Regime stehen. Erstmals werden Forderungen aus den eigenen Reihen laut, dass sich auch die Assads nicht alles erlauben können. Was war passiert ?

Augenzeugen zufolge raste Suleiman al-Assad vergangene Woche mit seinem schwarzen Fahrzeug vom Typ "Hummer" durch Vororte von Latakia. Die Küstenstadt Latakia ist eine der wenigen großen Hochburgen, die dem Assad-Regime nach knapp viereinhalb Jahren Bürgerkrieg noch verblieben sind. Dort leben besonders viele Alawiten. Suleiman, dessen Alter auf etwa 20 Jahre geschätzt wird, nahm einem anderen Fahrer offenbar ein Überholmanöver übel. Er drängte mit seinem Hummer den anderen Wagen ab, beschimpfte dessen Fahrer und tötete ihn schließlich mit einer Salve aus seiner Kalaschnikow. Allerdings war das Opfer nicht irgendwer, sondern Luftwaffenoberst Hassan al-Scheich, der in Latakia viele Angehörige und Anhänger hatte.

Bislang konnte sich der junge Mann aus dem Assad-Clan darauf verlassen, dass Recht und Gesetz für ihn nicht gelten. Joshi Shashank, Forscher der britischen Verteidigungs-Denkfabrik Royal United Services Institute (RUSI) vergleicht ihn mit den Söhnen des einstigen irakischen Diktators Saddam Hussein, die vor allem durch Eskapaden und Brutalität von sich reden machten. "Er ist bekannt als Schlägertyp", sagt Shashank dem DW über den Suleiman al-Assad. Bereits mehrfach sei er mit Gewalttaten ungestraft davon gekommen. Der Mann kommandiert alawitische Schabiha-Milizen in der Region. Die regimetreuen Verbände sollen Angst und Schrecken verbreiten und so jede Opposition gegen die Regierung in Damaskus unterbinden. Zugleich treten die Schabiha-Mitglieder oft als kriminelle Banden auf, die unter anderem den lukrativen Schmuggel kontrollieren.

Präsident Assad gehört der alawitischen Minderheit in Syrien anBild: picture-alliance/dpa

Stütze der Regierung

Die Alawiten stellen etwa zehn Prozent der syrischen Bevölkerung. Sie sind eine der verlässlichsten Stützen von Präsident Al-Assad, der ebenfalls dieser muslimischen Glaubensgemeinschaft angehört. Aber auch innerhalb der Alawiten gärt es. So wächst die Wut über regimenahe Persönlichkeiten wie Suleiman al-Assad, die scheinbar immun gegen Strafverfolgung sind. Angesichts der brutalen Schabiha-Schläger war bislang kaum laute Kritik an der Willkür solch prominenter Krimineller und Raufbolde zu hören.

Doch der Tod von Oberst Al-Scheich ließ die Wut diesmal überkochen. Aufgebrachte Bewohner von Latakia zogen durch die Straßen und verlangten, dass Suleiman al-Assad zur Rechenschaft gezogen wird. Auf einer Facebook-Seite fordern Demonstranten sogar die Hinrichtung des Todesschützen. Knapp 7000 Internet-Surfer klickten binnen weniger Tage den "Gefällt mir"-Button auf der Seite. Der arabische TV-Sender Al-Dschasira berichtete unter Berufung auf eine syrische Radiostation, dass der Gouverneur von Latakia unter dem Eindruck der Proteste eine Untersuchung zugesagt habe. Niemand stehe über dem Gesetz, sagte der Gouverneur demnach. Die regierungsnahe Zeitung "Al-Watan" berichtete, dass der Präsident selbst die Bestrafung des Todesschützen in Aussicht gestellt habe. Allerdings lässt sich das junge Mitglied der Präsidentenfamilie nicht beeindrucken, sondern zeigt sich bei Facebook entspannt mit Wasserpfeife und mit Gewehr.

Die syrische Armee, in der auch viele Alawiten dienen, verzeichnet weiter steigende VerlusteBild: picture-alliance/dpa/Dmitriy Vinogradov

Frust über Wehrdienst

Nach Einschätzung von RUSI-Experte Shashank entzündete sich der aktuelle Konflikt nicht nur an den Machenschaften einzelner Personen. Vielmehr breite sich allgemein Frust über die Regierung auch unter den Syrern aus, die bislang loyal zum Assad-Regime stehen. "Das ist Teil einer allgemeinen Entwicklung von Widerspruch und Ängsten innerhalb der regimetreuen Bevölkerung", sagt Shashank. So rege sich Widerstand gegen die immer weiter steigende Zahl von im Kampf getöteten Wehrdienstleistenden. Trotz der vielen Opfer könne das Regime seine Anhänger aber immer weniger schützen, führt Shashank aus. In einer TV-Ansprache habe Präsident Assad eingeräumt, dass einige Gebiete aus taktischen Gründen nicht zu halten seien.

Ob der lokale Wutausbruch das Regime auch von innen schwächen könnte, lässt sich Shashank zufolge noch nicht abschätzen. Der tödliche Verkehrsstreit hatte keine politischen Ursachen und richtet sich nicht direkt gegen die Regierung. Er kommt dem britischen Forscher zufolge jedoch zu einem ungünstigen Zeitpunkt für den bedrängten Staatschef. So dringen die Terrormiliz "Islamischer Staat" und andere Rebellengruppen weiter vor. Anders als gegen Kämpfer und Zivilsten in Rebellengebieten könne das Regime nicht mit den verheerenden Fassbomben und militärischer Gewalt in Latakia vorgehen. "Wenn er das nicht in den Griff bekommt, könnte daraus ein ernste Gefahr für das Regime werden", meint Shashank. "Es bleibt abzuwarten, ob sich der Streit über Latakia ausdehnt."

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