Buchenwald: Gedenken an das Leid im KZ in Nazi-Deutschland
11. April 2025
Die Gebäude stehen an einem Ort, der wie herausgehoben wirkt aus der Landschaft. Der waldreiche Ettersberg, unweit der kulturellen Metropole Weimar in Thüringen gelegen, ist von weitem zu sehen. Eine idyllische Gegend, so scheint es.
KZ Buchenwald: ein Ort des Grauens
Doch dieser Ort ist nicht idyllisch, es ist ein Ort des Grauens. Oben auf dem Plateau des gut 480 Meter hohen Ettersberg befand sich einst eines der größten Konzentrationslager (KZ) der Nationalsozialisten auf deutschem Boden. Von 1937 bis 1945 sperrten die Nazis hier im KZ Buchenwald Menschen ein: politische Gegner, Kommunisten, Homosexuelle, ausländische Gefangene, Juden, Roma und Sinti, Zeugen Jehovas, missliebige Kirchenvertreter.
Buchenwald - das war die Hölle. Eine der vielen Höllen in der nationalsozialistischen Verfolgungs- und Tötungsmaschinerie. Im System Buchenwald litten rund 280.000 Häftlinge. Zu diesem System gehörten das KZ auf dem Ettersberg und mehr als 50 kleine Außenlager, die meisten an Stätten kriegswichtiger Produktion.
In Buchenwald starben bis April 1945 rund 56.000 Menschen, zumeist Juden. Erst das nahende Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa brachte die Befreiung. Als am 11. April 1945 die ersten Panzer der US-Armee an das KZ heranrückten, erhoben sich zum Widerstand entschlossene Häftlinge. Sie hinderten zahlreiche Soldaten der SS-Wachmannschaften an der Flucht.
Nach Kriegsende fiel Thüringen in den von der Sowjetunion besetzten Teil Deutschlands. Die Sowjets nutzten das Buchenwald-Gelände bald für eines ihrer "Speziallager" und setzten hier zumeist lokale NSDAP-Führer, Polizei-Kräfte oder Besitzer von Betrieben fest, die Zwangsarbeiter beschäftigt hatten. Bis 1950 starben hier wohl weitere 7000 Menschen.
"Sie haben die Menschen behandelt wie Tiere"
All das liegt acht Jahrzehnte zurück. Es ist wie bei jedem Gedenken zu 80. Jahrestagen: Es gibt nur noch wenige Zeitzeugen, die die Nazi-Gräuel erlebten und überlebten. Aus lebendiger schmerzhafter Erinnerung aber kann Geschichte vermittelt werden. Digitale Vermittlung wird immer wichtiger.
"Nun sind wohl noch 15 Überlebende zu Gast - maximal 15 Überlebende", sagt der Historiker Jens-Christian Wagner der DW. Er ist Leiter der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora. 15 Menschen nur noch, die die Gräuel des Konzentrationslagers Buchenwald überlebt haben und den Weg zum Gedenken an den 80. Jahrestag der Befreiung noch auf sich nehmen können.
Wagner erinnert sich an die Feiern zum 60. Jahrestag 2005. Damals seien rund 500 Überlebende zu Gast gewesen. 2015, zum 70. Jahrestag, konnten noch gut 80 Zeitzeugen anreisen, schon damals hochbetagt.
Zu jenen, die die DW damals am Gedenktag begleitete, gehörte der 92-jährige Ex-Pilot Ed Carter-Edwards. Seine Maschine der kanadischen Air Force wurde im Sommer 1944 nahe Paris abgeschossen - er kam für dreieinhalb Monate nach Buchenwald. "Sie haben die Menschen behandelt wie Tiere", sagte er und nannte schluchzend die Namen der Freunde, die das Lager nicht überlebten. Carter-Edwards verstarb 2017.
"Alle tragen Verantwortung"
"Wir alle tragen Verantwortung für das Erinnern, jeder einzelne Bürger, jede einzelne Bürgerin", sagt Gedenkstätten-Leiter Wagner. Es gehe darum, Haltung zu zeigen und bei Rassismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus zu widersprechen.
Wagner kommt auf die aktuelle Politik zu sprechen. Es sei ein "Riesenfehler" gewesen, dass in der Migrationsdebatte "die demokratischen Parteien der AfD nach dem Mund geredet haben". Durch diese Debatte seien die fremdenfeindlichen Narrative der Rechtsaußen-Partei "normalisiert" worden.
Das Thüringer Land rund um Weimar gehört zu jenen Teilen Deutschlands, in denen die "Alternative für Deutschland" besonders verankert ist. Die Partei erreichte bei der Bundestagswahl im Februar 2025 bundesweit 20,8 Prozent der Zweitstimmen. In Thüringen kam sie auf 38,6 Prozent, mehr als in jedem anderen Bundesland. Im Landesparlament stellt die AfD schon seit der Landtagswahl (September 2024) 32 der 88 Abgeordneten. Der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte Björn Höcke führt die Fraktion.
Derzeit erstarkten weltweit rechtsautoritäre und rechtsextreme Bewegungen, auch in Deutschland, betont Wagner: "Da stehen wir in Thüringen in der Mitte des Sturms." Der Historiker bewertet die Lage als "extrem besorgniserregend. Wir haben ja lange geglaubt, dass die Menschen ihre Lektion aus der Zeit des Nationalsozialismus gelernt haben." Aber das drohe zu verblassen.
Aus dem AfD-Milieu würden der Nationalsozialismus und seine Verbrechen "notorisch kleingeredet" oder es würden sogar "NS-verherrlichende Positionen" vertreten. Es schwinde das Bewusstsein dafür, warnt Wagner, wie fundamental die Auseinandersetzung mit der NS-Diktatur für die demokratischen Strukturen sei.
Sachbeschädigungen an Gedenkstätte und Drohungen
Schon mehrfach kam es zu Sachbeschädigungen an Mahn-Orten auf dem Ettersberg außerhalb der eigentlichen Gedenkstätte. 2024 gab es direkte Drohungen gegen Wagner. Heute seien gelegentlich auch Kolleginnen und Kollegen der Gedenkstätte besorgt um ihre eigene Sicherheit. "Wir sollten uns nicht einschüchtern lassen, aber vorsichtig sein", betont er. Deutschland 2025.
In Buchenwald mahnt und warnt die weitläufige Gedenkstätte - mit Erinnerungsorten wie Krematorium, Aschefeld und Appellplatz, mit dem "Kinder-Block" und dem "Hygiene-Institut der Waffen-SS". Das Bild des Lagertors mit der zynisch anmutenden Inschrift "JEDEM DAS SEINE" war oft in den Medien zu sehen. Die Uhr darüber am kleinen Turm zeigt stets 15:15 Uhr. Am 11. April 1945 endete um 15.15 Uhr für all jene, die die Nazis hier eingesperrt hatten, die Hölle. Die Freiheit begann.
Die Gedenkstätte 80 Jahre danach: grauer Stein, freie Flächen, vereinzelt Gebäude, am Rande Buchen und Birken. Dahinter reicht der Blick weit ins Thüringer Land.
Gibt es in all dem einen Ort, der für Jens-Christian Wagner besondere Bedeutung hat? Er grübelt einen Moment. Dann nennt er das sogenannte "Kleine Lager": ein Lager im Lager - der Hauptsterbeort. Ursprünglich wurden hier Häftlinge zur Zwangsarbeit eingesperrt.
"Seit Februar 1945 wurde dieser Ort zum Leidens- und Sterbelager für jene Häftlinge, die vor der Befreiung des KZ Auschwitz mit Transporten nach Buchenwald gebracht wurden." In weniger als hundert Tagen starben hier bis zur Befreiung des KZ Buchenwald rund 6000 Menschen.
Bald nach 1945 wurden die Baracken abgerissen. Wagner sagt, zu DDR-Zeiten sei der Ort des "Kleinen Lagers" zugewachsen, er habe beim Gedenken keine große Rolle gespielt. Nun sind es archäologisch freigelegte Fundamente auf einer Lichtung: "Es bleibt ein Ort des Leids und der Trauer."