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Buchtipp: Rainer Werner Fassbinder

Jochen Kürten8. Juni 2012

"Der nicht versöhnte Sohn" - Thomas Elsaessers Buch über das Werk Rainer Werner Fassbinders wurde neu aufgelegt. 30 Jahre nach dem Tod hat sich der Blick auf den Regisseur gewandelt.

Szene aus dem Fassbinder-Film "Katzelmacher" mit Fassbinder und Hanna Schygulla (Foto: Studiocanal/Arthaus-DVD)
Bild: Studiocanal/Arthaus

"Vielleicht stimmt es, dass alle seine Filme schlecht sind, aber trotzdem ist Fassbinder Deutschlands größter Filmemacher", urteilte die französische Filmlegende Jean-Luc Godard einmal über den deutschen Regisseur. Wie das? Auch darauf hatte Godard eine Antwort: "Er war zur Stelle, als Deutschland Filme nötig hatte, um zu sich selbst zu finden. Selbst die Nouvelle Vague hat es nicht geschafft, Frankreich so präsent zu machen, wie es das Nachkriegsdeutschland in Fassbinder ist." Thomas Elsaesser zitiert die Regieikone Godard an prominenter Stelle in seinem Buch über Fassbinder, dass nun - in aktualisierter Fassung - zum 30. Todestag (10. Juni 2012) neu aufgelegt wurde.

Kompliziertes Verhältnis zum eigenen Land

Als Elsaessers Fassbinder-Monografie 1996 erschien, war der Regisseur 14 Jahre tot. Das Buch des damals in Amsterdam lehrenden deutschen Professors erschien zunächst in Englisch, erst fünf Jahre später kam die deutsche Ausgabe heraus. Auch das dürfte kein Zufall gewesen sein, spiegelt diese verspätete Edition in deutscher Sprache doch nur das komplizierte Verhältnis des Regisseurs und seines Werks zum heimischen Publikum wider. Einige Fassbinder-Bücher sind seither auch in Deutschland erschienen, die meisten aus der Feder ehemaliger Mitglieder des Fassbinder-Clans.

Doch um diese Familie geht es Elsaesser gerade nicht. Keine Psychoanalyse betreibt der Autor, kein Blick durchs Schlüsselloch wird geboten. Um das Werk des Regisseurs geht es Elsaesser, um die Einbettung in gesellschaftliche Zusammenhänge, in einen filmhistorischen Kontext: "Was Fassbinder in erster Linie interessant macht, sind seine Filme, ihre emotionale Resonanz und ihre zeitbezogenen Themen", schreibt er. Natürlich ist auch Elsaesser nicht frei davon, immer mal wieder auf den Menschen hinter der Kamera zu blicken. Zu sehr sind bei diesem Regisseur Persönlichkeit und Werk miteinander verzahnt. Doch die zehn Kapitel des Buches kreisen in erster Linie um die Themen und Interpretation der Filme. Da wird etwa Fassbinders Blick auf das faschistische Europa untersucht und dabei auch auf den Umgang anderer europäischer Regisseure mit diesem Thema geschaut. Da wird die Fassbindersche BRD-Trilogie ("Die Ehe der Maria Braun", "Lola", "Die Sehnsucht der Veronika Voss") begutachtet oder das Opus Magnus - das wichtigste Werk - des Filmemachers ("Berlin Alexanderplatz") analysiert.

Cover des Elsaesser-BuchesBild: Bertz + Fischer

Mehrere Chronologien Deutschlands

"Der Vorschlag zur Lösung des Rätsels (Fassbinder), den ich mit diesem Buch mache", schreibt Elsaesser, "läuft darauf hinaus, dass Fassbinders Filme mehreren Chronologien zugleich folgen und unterschiedliche Zeitlichkeiten beinhalten, womit er sein Mandat, Deutschland zu repräsentieren, dahingehend erfüllt, dass er ganz konsequent eine Möglichkeit, im späten 20. Jahrhundert Deutscher zu sein, 'verkörpert'". Elsaesser ist ein manchmal etwas umständlich formulierender, immer aber genauer und tiefschürfender Beobachter, und es gibt wohl kein Fassbinder-Buch auf dem deutschen Markt, das so ausführlich auf das Werk des Regisseurs eingeht.

"Küche und Schlafzimmer führten direkt in den soziopolitischen Raum der Nachkriegs-Republik", formuliert der Autor den einen Ansatz seiner Analysen: Fassbinder wird als der Chronist deutscher Geschichte vorgestellt. Erstaunlich eigentlich, weil, wie Elsaesser bemerkt, Fassbinder eigentlich "der sich am wenigsten aufdrängende Kandidat (war), wenn es darum ging Deutschland zu repräsentieren" - im Gegensatz etwa zu einem so intellektuellen Regisseur wie Alexander Kluge.

Rainer Werber Fassbinder 1981Bild: picture-alliance/ dpa

Das Kino als "Ort am Schnittpunkt des privaten und öffentlichen Lebens" bei Fassbinder, ist das andere Anliegen des Autors. Aus diesen beiden Erzählansätzen webt Elsaesser eine dichte Werkanalyse. Und wie schon 1996 sollte man auch heute wieder zu diesem Fassbinder-Buch greifen, um Einblick in das Werk dieses für das deutsche Nachkriegskino so ungemein wichtigen Filmemachers zu bekommen.

Thomas Elsaesser: Rainer Werner Fassbinder, zweite, überarbeitete Auflage, Bertz+Fischer Verlag Berlin 2012, 524 Seiten, ISBN: 978 3 929470 97 0.

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