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Politik

Budapest: Pekings treuester Partner in der EU

7. Mai 2021

Kein EU-Mitglied pflegt engere politische Beziehungen zu China als Ungarn. Davon profitieren Premier Viktor Orbán und sein Umfeld ökonomisch, doch insgesamt ist der Nutzen für das Land fraglich.

China Peking | Viktor Orban und Xi Jinping
Viktor Orbán (l.) und Chinas Präsident Xi Jinping beim Treffen des "Belt and Road Forums" in Peking, 25.04.2019 Bild: Andrea Verdelli/AFP/Getty Images

Ungarns Premier kokettiert gern damit, ein "ehemaliger antikommunistischer Straßenkämpfer" zu sein. Oft betont Viktor Orbán, er habe mit viel Einsatz für den Sturz der Diktatur und die Freiheit seines Landes gekämpft. Tatsächlich demonstrierte er als Student in der Vorwendezeit häufig auf den Straßen der Hauptstadt Budapest und warf sich dabei schon mal mutig Polizisten entgegen, die Regimekritiker verhaften wollten.

Aber das ist mehr als drei Jahrzehnte her. Inzwischen verachtet der Politiker Orbán die liberale Demokratie und pflegt freundschaftliche Beziehungen mit Autokraten und Diktatoren. Er hat ein gutes Verhältnis zu Wladimir Putin, ein enges zu Recep Tayyip Erdoğan und ist gern gesehener Gast bei den Langzeitherrschern der zentralasiatischen Republiken.

Vor allem aber hat Ungarns Regierungschef im vergangenen Jahrzehnt eine so intensive strategische Partnerschaft mit der Volksrepublik aufgebaut, wie es sie in keinem anderen EU-Mitgliedsland gibt. Ungarn ist damit zu einem der wichtigsten Tore für den Staat der Kommunistischen Partei Chinas in die EU geworden.

"Zwar unterhalten fast alle EU-Länder gute wirtschaftliche Beziehungen zu China, aber in keinem anderen Mitgliedsland der Union ist der politische Einfluss Pekings so groß wie in Ungarn", sagt der Budapester Politologe Péter Krekó der DW. "Das fügt sich ein in die immer offenere antiwestliche Rethorik der ungarischen Regierung."

Ungarn blockiert Hongkong-Sanktionen

Sichtbarster aktueller Ausdruck dafür ist, dass Ungarn am vergangenen Mittwoch (05.05.2021) in Brüssel zum zweiten Mal binnen drei Wochen die Verabschiedung einer China-Resolution der EU verhinderte. Es ging um Kritik am Wahlgesetz für Hongkong; bereits Mitte April hatte Ungarn eine ähnliche Erklärung der EU zu der Sonderverwaltungszone blockiert.

Hongkong, 1. Oktober 2020: Polizeikräfte verhaften ProtestierendeBild: Tyrone Siu/Reuters

Die Blockade ist kein Präzedenzfall: Schon seit Jahren stemmt sich Ungarn immer wieder gegen Peking-kritische Resolutionen. Immerhin trug das Land die im März beschlossenen China-Sanktionen der EU wegen der Menschenrechtsverletzungen in der KP-Diktatur mit - nicht allerdings, ohne dass der ungarische Außenminister Péter Szijjártó sie als "sinnlos und schädlich" bezeichnete.

Annäherung aus Pragmatismus

Bei dieser Politik geht es freilich weniger um Orbáns explizite Bewunderung für das kommunistische Land, sondern vor allem um Pragmatismus. "Politik der östlichen Öffnung", nennt Ungarns Premier die Annäherung an Russland, Zentralasien und China - eine Strategie, die er bereits vor seinem Machtantritt 2010 verkündet hatte.

Viktor Orbán und Russlands Präsident Wladimir Putin am 18. September 2020 in MoskauBild: picture-alliance/Russian Look

Damit wollte Ungarns Premier erreichen, dass sein Land seine Wirtschaftsbeziehungen breiter gestaltet, sich neue Finanzquellen und Investitionen erschließt und unabhängiger von der EU und von westlichen Finanzinstitutionen wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) wird - den die ungarische Regierung im Sommer 2010 mitten in Umschuldungsverhandlungen aus dem Land geworfen hatte.

Enttäuschende Bilanz

Für die Annäherung an Peking hat Orbán neben Gesten wie der Blockade von China-kritischen EU-Resolutionen auch so manchen rhetorischen Kotau hingelegt. Immer wieder lobte er die hohe ökonomische und entwicklungspolitische Effizienz des roten Riesenreiches oder erklärte explizit, dass Ungarn sich nicht anmaßen werde, die Volksrepublik demokratiepolitisch zu belehren. "Der Stern des Ostens steht hoch am Himmel", verkündete Ungarns Premier 2017, als er in Budapest den China-Osteuropa-Gipfel im Rahmen der Kooperation "16+1" ausrichtete.

In Montenegro baut die staatliche "China Road and Bridge Cooperation" eine AutobahnBild: Savo Prelevic/APF/Getty Images

Ein herausragender materieller Mehrwert hat sich daraus für Ungarn allerdings nicht ergeben - ebenso wie auch die meisten anderen Länder der China-Osteuropa-Kooperation erfahren mussten, dass Peking viel verspricht, aber wenig hält. Die Ausweitung des Handelsvolumens mit der Region auf einen dreistelligen Milliardenwert blieb bisher aus, auch milliardenschwere Investitionszusagen erfüllte die Volksrepublik bisher kaum. Stattdessen tappten Länder wie Montenegro in die berüchtigte chinesische Schuldenfalle.

Politisch bedenkliche Projekte

In Ungarn ist die größte chinesische Direktinvestition seit einem Jahrzehnt unverändert der Kauf des Chemiekonzerns BorsodChem im Jahr 2011 für 1,2 Milliarden Euro. Andere bedeutende Großinvestititionen gibt es bisher nicht - dafür aber eine Reihe politisch bedenklicher Projekte.

In der EU gibt es Vorbehalte gegen Huawei wegen mutmaßlicher Spionage und versteckter ÜberwachungstechnologieBild: Lagardere

2013 errichtete der chinesische IT-Konzern Huawei in Ungarn ein wichtiges regionales Logistikzentrum. Obwohl es in der EU schon lange Vorbehalte gegen das Unternehmen wegen mutmaßlicher Spionage für den chinesischen Staat und versteckter Überwachungstechnologie gibt, wird Ungarn Huawei als bisher einziges EU-Land am Ausbau des 5G-Netzes beteiligen.

KP-Kaderschmiede in Budapest

2014 vereinbarten China, Serbien und Ungarn den Bau einer hochmodernen Eisenbahnverbindung zwischen Budapest und Belgrad. Ungarn nahm dafür einen chinesischen Kredit in Höhe von zwei Milliarden Euro auf, dessen Details bis heute geheim gehalten werden. Experten zweifeln den Nutzen des Projektes stark an; es ist zudem korruptionsverdächtig: Einer der am Eisenbahnausbau Beteiligten ist Orbáns Jugendfreund Lörinc Mészáros, der im vergangenen Jahrzehnt vom kleinen Gasinstallateur zum reichsten Ungarn aufgestiegen ist.

In der vergangenen Woche vereinbarten Ungarn und China die Gründung eines Ablegers der Shanghaier Fudan-Universität und den Bau eines 1,5 Milliarden Euro teuren Campus für bis zu 8.000 Studenten in Budapest. Die Elite-Uni gilt als Kaderschmiede der Kommunistischen Partei Chinas und der Geheimdienste der Volksrepublik.

Pekings Geheimdienst-Basis in Europa

Besonders über Letzteres sind Beobachter alarmiert. Der Investigativjournalist Szabolcs Panyi vom Internet-Portal "Direkt36" veröffentlichte im März einen langen Bericht über chinesische Spionageaktivitäten in Ungarn. Demnach ist das Land inzwischen eine wichtige Basis für Pekings geheimdienstliche Arbeit in Europa.

Chinesische Studenten, von denen es im Land rund 2.800 gibt, würden systematisch für Spionage angeworben, so der Bericht. Auffällig sei außerdem, dass von rund 20.000 Personen, die seit 2012 im Rahmen des Golden-Visa-Programmes eine Aufenthaltsgenehmigung für Ungarn kauften, 80 Prozent chinesische Staatsbürger sind. Ungarn ziehe deshalb Vorwürfe auf sich, es sei ein Trojanisches Pferd für chinesische Einflussnahme, schreibt Panyi.

Ein eklatanter Widerspruch

Insgesamt träte in der ungarischen China-Politik ein eklatanter Widerspruch zutage, sagt der Politologe Péter Krekó. "Einerseits betont die ungarische Regierung gegenüber der EU und den USA immer wieder die Souveränität Ungarns, zugleich aber begibt sie sich in Abhängigkeit gegenüber China und in eine Schuldenfalle. Das ist viel gefährlicher als die Abhängigkeit von Brüssel."

Die ungarische Regierung ließ einen umfangreichen Fragenkatalog der DW zu ihrer China-Politik unbeantwortet. Lediglich zur Frage der Blockade von China-kritischen EU-Resolutionen teilte ein Regierungssprecher schriftlich mit, die EU habe bereits viele Male zu Hongkong Stellung genommen. Daher seien weitere Erklärungen nicht notwendig.

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