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Politik

Ein Mord und seine politischen Folgen

10. Oktober 2018

Möglicherweise besaß der Mord an der bulgarischen Journalistin Marinowa keinen politischen Hintergrund. Doch das Land diskutiert seitdem über Korruption und Pressefreiheit. Wurden dabei auch voreilige Schlüsse gezogen?

Bulgarien Gedenken Viktoria Marinowa in Ruse
Bild: Reuters/D. Kyosemarliev

Viktoria Marinowa, TV-Moderatorin aus der bulgarischen Donaustadt Russe, wurde vergewaltigt, beraubt und brutal ermordet. Erst wenige Tage zuvor hatte sie in dem kleinen Kabelsender TVN ein Interview mit zwei investigativen Journalisten ausgestrahlt, die über Korruption und Veruntreuung von EU-Geldern in Bulgarien recherchiert hatten. Die schockierenden Ergebnisse dieser Recherche waren schon seit Wochen bekannt, trotzdem wurde die Ermordung der jungen Moderatorin sofort in einen Zusammenhang mit den Enthüllungen gebracht.

Kaum verwunderlich, denn Bulgarien ist das Schlusslicht in Sachen Medienfreiheit, nicht nur in der EU, sondern auch auf dem Balkan. Reporter ohne Grenzen listet das Land auf Rang 111 von 180 Staaten weltweit. Die Organisation reagierte genauso wie die Vereinigung Europäischer Journalisten, die EU und die UNO mit Besorgnis auf den Mord und forderte eine schnelle und lückenlose Aufklärung.

Eine Verhaftung in Deutschland

Nun hat am Dienstag die deutsche Polizei in Stade einen tatverdächtigen 21-jährigen Bulgaren festgenommen. Inzwischen verdichten sich die Hinweise, dass es sich nicht um eine gezielte Ermordung im Zusammenhang mit der journalistischen Tätigkeit der TV-Moderatorin Marinowa handelt, sondern eher um einen Sexualmord.

Dennoch ist durch das Verbrechen die Recherche der Journalisten des bulgarischen investigativen Online-Portals "Bivol" wieder ins Rampenlicht gerückt. Der bulgarische Generalstaatsanwalt Sotir Zazarow hat im Zusammenhang mit dem Mord an Marinowa zum ersten Mal die Öffentlichkeit informiert, dass mittlerweile Ermittlungen wegen Geldwäsche aufgenommen worden seien und dass die Behörden 14 Millionen Euro eingefroren haben. Welche Personen davon betroffen sind, sagte er aber nicht.

Bulgariens Premierminister Boiko Borissov steht unter DruckBild: BGNES

Der deutsche Journalist und Bulgarien-Experte Frank Stier glaubt, dass die Praxis der Verteilung von Fördergeldern in Bulgarien künftig genauer unter die Lupe genommen wird: "Ich würde eigentlich nichts Positives an einem grausamen Mord finden wollen. Aber tatsächlich hat der Tod von Frau Marinowa dazu geführt, dass die EU-Kommission jetzt genauer hinschaut, was es eigentlich mit der Recherche-Ergebnissen von 'Bivol' auf sich hat, und die bulgarischen Behörden auffordert, den Fall genauer zu untersuchen."

Schnellschüsse der westlichen Medien

Auch Daniel Kaddik, Leiter der Friedrich-Naumann-Stiftung in Sofia, ist der Meinung, die tragische Ermordung von Viktorija Marinowa hat die internationale Öffentlichkeit für die Lage im kleinen Balkanland mit Recht neu sensibilisiert. Er hat aber auch einige Bedenken: "Auf Grund der großen Probleme in Bulgarien mit Medienfreiheit und Demokratie ist es verständlich, dass die Frage gestellt wird, ob der Mord mit dem Beruf zu tun haben könnte. Was ich allerdings gefährlich finde, ist die Festlegung vieler westlichen Medien, dass das Motiv des Verbrechens tatsächlich etwas mit ihrem Beruf zu tun hatte." Jetzt solle man die Frage stellen "ob diese Festlegung der westlichen Medien nicht eher kontraproduktiv ist im Kampf für Medienfreiheit und gegen Korruption im Land", sagt Kaddik.

Ein anderer Bulgarien-Kenner, der FAZ-Journalist Michael Martens, twitterte am Mittwoch: "Manche Medien haben die Ermordung von Viktorija Marinowa sofort in Zusammenhang mit ihren Reportagen über Korruption gebracht. Während die Vermutung durchaus naheliegt, gehört es aber auch zum unvoreingenommenen Journalismus, klarzustellen, dass ihr Mord auch ein reines Sexualverbrechen gewesen sein könnte."

Klaren Kopf behalten

Ein tragischer Mord, der noch nicht aufgeklärt ist, hat einen Stein ins Rollen gebracht. Ja, in Bulgarien ist es um Medienfreiheit und Korruptionsbekämpfung sehr schlecht bestellt. Und nicht nur die EU-Kommission, sondern auch die ganze europäische Öffentlichkeit sollte sich - nicht erst aus diesem Anlass - um das Land mehr Gedanken machen. Gleichzeitig aber solle man bei solchen Ereignissen auch klaren Kopf behalten, meint Frank Stier. "Man kann es schon als eine Lawine sehen, wo eben in allen Medien und auch von internationalen Organisationen wie die EU-Kommission und sogar die UNO, tatsächlich, wie es aussieht, vorschnell der Mord an Frau Marinowa in Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit gebracht wurde. Man hätte da schon, so denke ich, in den Medien zurückhaltender verfahren sollen."

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