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Politik

Deutschem droht Auslieferung in die Türkei

14. September 2018

Mehmet Y. ist Deutscher, kurdischstämmig und steht unter Hausarrest in einem bulgarischen Hotel. In der Türkei könnte ihm eine Haftstrafe drohen. Das Auswärtige Amt betreut ihn, schweigt aber zum Verfahren.

Türkei Symbolbild Reise
Bild: imago/J. Tack

Es sollte nur ein Urlaub am Schwarzen Meer werden. Doch am 2. September, direkt nach seiner Ankunft am Flughafen von Warna in Bulgarien, wurde Mehmet Y. festgenommen. Zwei Tage wurde er am Flughafen festgehalten, bevor er am 4. September in ein Gefängnis in Warna überstellt wurde. Am nächsten Tag wurde dem Deutsch-Türken aus Bonn Hausarrest verordnet. Seitdem darf er das Hotel in Warna, in dem er mit seiner Frau die Ferien verbringen wollte, nicht verlassen.

Türkische Behörden hatten auf eine Festnahme von Mehmet Y. gedrängt. Nach Medienberichten hatte ein Gericht in der türkischen Stadt Adana den 44-jährigen Kurden 1999 wegen angeblicher Unterstützung der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu zwölfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Zur Festnahme in Bulgarien führte ein Interpol-Haftbefehl, den die Türkei auf den Weg gebracht hatte.

"Wenn wir das gewusst hätten, hätte mein Mann Deutschland niemals verlassen", sagte Gülsen Y., die Ehefrau des Verhafteten, der DW. "Aber in den vorigen Jahren sind wir mehrfach gemeinsam verreist, in verschiedene EU-Länder und auch nicht-EU-Länder." Nie hatte es Probleme gegeben. Die Verhaftung am Flughafen in Bulgarien war ein Schock für die beiden.

Am Dienstag entschied ein Gericht in Warna, dass Mehmet Y. weiterhin unter Hausarrest stehe. Ob er in die Türkei abgeschoben werde, könne das Gericht erst entscheiden, wenn es mehr Informationen habe, sagte der Rechtsanwalt von Mehmet Y. der Deutschen Welle. Die entsprechenden Unterlagen habe der Richter aus der Türkei angefordert.

Sollte das Gericht die angeforderten Dokumente nicht erhalten, so der Rechtsanwalt, der nicht namentlich genannt werden möchte, müsse Mehmet Y. freigelassen werden. Wann genau über die Abschiebung verhandelt wird, ist aber noch unklar.

"Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen"

Mehmet Y. hatte sich während seiner Studienzeit in den 1990er Jahren in der Türkei für die kurdische Sprache engagiert. Damals verbrachte er einige Zeit in Haft. Daraufhin floh er nach Deutschland, wo er politisches Asyl erhielt und 2009 eingebürgert wurde. Dem "Bonner Generalanzeiger" sagte Mehmet Y. am Telefon, er wollte seinen türkischen Pass abgeben, nachdem er die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten hatte. Doch das habe Ankara nicht zugelassen.

"Ich möchte nach Hause, ich möchte mein altes Leben weiterführen", sagte er im Interview mit der Tageszeitung. "Ich bin in Bonn gut integriert. Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen." Mehmet Y. betreut in Bonn für die Caritas unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Seine Frau Gülsen Y. war Stipendiatin der Friedrich-Ebert-Stiftung und ist Gründerin des Bildungs- und Integrationsvereins "hevi e.V.".

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Josip Juratovic bezeichnete die Situation in einem Statement für die DW am Donnerstag als "absolut inakzeptabel". "Bulgarien muss Herrn Yavuz sofort nach Deutschland ausreisen lassen", so Juratovic, der stellvertretender Vorsitzender der Parlamentariergruppen des Deutschen Bundestages ist, die Kontakte mit den Parlamenten Südosteuropas, Kroatiens sowie Bosnien und Herzegowinas pflegen. Mehmet Y. habe in Deutschland vor langer Zeit Asyl erhalten. "Bulgarien muss das respektieren."

Dem Auswärtigen Amt in Berlin ist der Fall Mehmet Y. bekannt. Außenminister Heiko Maas (SPD) besuchte erst Anfang September die Türkei. Dort sprach er mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan unter anderem über die Schicksale der sieben in der Türkei inhaftierten Deutschen. Zum Fall Mehmet Y. sagte der Außenminister der Nachrichtenagentur AFP: "Wir wollen uns bemühen, dass offene Fragen beantwortet werden."

Auf eine Anfrage der Deutschen Welle antwortete das Auswärtige Amt, Mehmet Y. werde seit seiner Festnahme konsularisch betreut. Die Bundesregierung respektiere aber die Unabhängigkeit der Justiz in Bulgarien. Zu laufenden Verfahren gebe das Auswärtige Amt generell keine Auskunft. Gülsen Y. sagte der DW, die Unterstützung der deutschen Botschaft vor Ort bedeute ihr und ihrem Mann sehr viel.

Hausarrest im Hotel problematisch

Am Dienstagabend kehrte Gülsen Y. nach Deutschland zurück. Hier möchte sie dafür sorgen, dass über das Schicksal ihres Mannes berichtet wird und dass die Öffentlichkeit aufmerksam wird. Auch wenn der Abschied ihr und ihrem Mann extrem schwer gefallen sei - Mehmet Y. war es wichtig, dass seine Frau in Deutschland mit Politikern und Pressevertretern spricht. Gülsen Y. erzählt: "Das hat er mir zum Abschied gesagt: 'Bitte sorg dafür, dass man mich hier nicht vergisst.'"

Bis zur Entscheidung über eine Abschiebung in die Türkei sitzt Mehmet Y. in dem Hotel fest, eine andere Adresse akzeptiert das Gericht nicht. Alle Hotelmitarbeiter seien sehr freundlich zu ihrem Mann und auch das Management habe sich zuvorkommend gezeigt, sagt Gülsen Y. Die Buchung des Zimmers konnte das Paar bis zum 17. Oktober verlängern. Aber dann schließt das Haus nach Ende der Hauptsaison über die kalten Tage. Mehmet Y. hofft, dass er bis dahin wieder in Deutschland ist. Sicher ist das jedoch nicht. "Unsere Angst vor einer Auslieferung ist groß", sagt Gülsen Y..

Carla Bleiker Redakteurin, Channel Managerin und Reporterin mit Blick auf Wissenschaft und US-Politik.@cbleiker
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