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Politik

Bulgariens gespaltenes Verhältnis zu Russland

Christopher Nehring
3. März 2022

Die bulgarisch-russischen Beziehungen sind traditionell gut. Nun stellt der Krieg in der Ukraine Bulgarien vor eine Zerreißprobe. Allerdings beginnt die Zustimmung zum russischen Präsidenten Wladimir Putin abzunehmen.

Bulgarien Demonstration vor dem Denkmal der Sowjetischen Armee in Sofia
Pro-ukrainische Graffiti auf dem Denkmal der Sowjetischen Armee in Sofia am 27.2.2022Bild: Momtschil Karapouzanow

Am 3. März feiert Bulgarien mit dem "Tag der Befreiung" das Ende der osmanischen Herrschaft nach dem russisch-osmanischen Krieg von 1877/78. Er ist ein Ausdruck für die historisch engen Verbindungen zwischen Bulgarien und Russland. Doch als die russische Botschafterin Eleonora Mitrofanowa am 2. März 2022 einen Kranz am "Denkmal der Freiheit" zu Ehren der Opfer der bulgarischen Unabhängigkeit am Berg Schipka niederlegte, klickten in der Hauptstadt Sofia die Handschellen.

Eleonora Mitrofanowa ist die Botschafterin Russlands in BulgarienBild: Außenministerium der Russischen Föderation

Ein bulgarischer General wurde verhaftet. Wegen Spionage für Russland. Angeleitet hatten ihn Agenten aus der russischen Botschaft in der bulgarischen Hauptstadt Sofia. Nur einen Tag vor der Festnahme hatte Ministerpräsident Kiril Petkow seinen Verteidigungsminister wegen pro-russischen Äußerungen entlassen. Doch der Reihe nach.

Der Abgang des Verteidigungsministers

Am Dienstag (1.3.2022) wurde Verteidigungsminister Stefan Janew entlassen. Zur Begründung erklärte Regierungschef Petkow: "Kein Minister hat das Recht auf eine eigene Außenpolitik über Facebook, kein Minister darf eine Belastung der Koalitionsregierung sein, und kein Minister kann die Ereignisse in der Ukraine anders nennen als 'Krieg'."  Janew, immerhin Offizier der Armee eines NATO-Mitgliedsstaates, hatte am Wochenende zuvor den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine auf Facebook als "Operation" bezeichnet und damit explizit die von Russlands Präsident Wladimir Putin vorgegebene Sprachregelung eingehalten. Bereits im Dezember hatte sich Janew - ebenfalls auf Facebook - gegen eine Stationierung von NATO-Truppen in Bulgarien ausgesprochen und im Januar von der Parlamentstribüne vor der "ausländischen Presse" gewarnt, die dem bulgarischen "nationalen Interesse" beim Konflikt um die Ukraine schaden würde.

Bulgariens Premierminister Kiril Petkow mit Wirtschaftsministerin Kornelija NinowaBild: BGNES

Janews Abgang zeigt die innere Spaltung der erst im Dezember angetretenen Regierung. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine wird es für Petkow immer schwerer, die Spannungen zwischen den Mitgliedern einer Koalition - pro-russischen Sozialisten und pro-westlichen Reformern - zu moderieren. In letzter Sekunde musste er deshalb seinen bevorzugten Kandidaten für die Nachfolge des geschassten Ministers, Todor Tagarew, durch den für die Sozialisten annehmbaren Dragomir Zakow austauschen. Unterdessen stimmten die Sozialisten sowohl im bulgarischen, als auch im Europaparlament gegen Russland-Sanktionen und gegen das Verbot der russischen Staatsmedien RT und Sputnik in der EU.

Rumena Filipowa ist die Direktorin des Institute for Global Analysis in der bulgarischen Hauptstadt Sofia Bild: Rumena Filipowa

"In ihrer Rhetorik verurteilen die Sozialisten die russische Invasion der Ukraine, aber sie stellen sich sowohl gegen Sanktionen als auch gegen Militärhilfe für Kiew. Ihre pro-russische Orientierung unterscheidet sie von den anderen Regierungsparteien", sagt Rumena Filipowa, Direktorin des Institute for Global Analysis in Sofia, der DW. "Dieser Konflikt hat das Potential, die Regierung zu sprengen", so Filipowa weiter. Widerstand gegen den transatlantischen Kurs der Regierung Petkow kommt auch von der ultra-nationalistischen Partei Wiedergeburt. "Deren extremen Positionen bei der Abschaffung aller COVID-Maßnahmen, der Blockade des EU-Beitritts des benachbarten Nordmazedoniens und ihre pro-russische Haltung stoßen auf breite Zustimmung in der Gesellschaft. Damit setzen sie die Regierung unter Druck, die ihnen gegenüber Konzessionen macht", sagt Filipowa der DW.

Bulgarischer General als russischer Spion

Kaum war der neue Verteidigungsminister vereidigt, sorgte am Mittwochmorgen (2.3.22) der nächste Skandal für Aufsehen. Ein bulgarischer General, bei dem es sich nach übereinstimmenden Medienberichten um den General der Reserve und stellvertretenden Vorsitzenden der Vereinigung des bulgarischen Heeres, Walentin Tsankow, handeln soll, wurde wegen Spionage für Russland verhaftet. Das bulgarische Außenministerium bestellte die russische Botschafterin ein und kündigte die Ausweisung von zwei russischen Diplomaten an. Wie schon vor einem Jahr, als bulgarische Sicherheitsbehörden einen Spionagering im Verteidigungsministerium und dem militärischen Geheimdienst in Sofia aufdeckten, sollen als Diplomaten getarnte Agenten in der russischen Botschaft Kontaktleute des Spions gewesen sein.

General Tsankow ist kein Unbekannter. 2011 musste er als Militärattache aus Washington abberufen werden, nachdem die bulgarische Kommission für die Stasi-Unterlagen bekannt gab, dass er in den 1980er Jahren Mitarbeiter des kommunistischen Militärgeheimdienstes gewesen und in Moskau ausgebildet worden war. Bewahrheiten sich die Anschuldigungen gegen Tsankow, dem vorgeworfen wird, bereits seit 2016 für Russland zu spionieren, wäre der Fall ein erneuter Beweis für die seit dem Kalten Krieg anhaltende russische Unterwanderung bulgarischer Sicherheitsbehörden. "Teile der bulgarischen Armee und der Generalität haben schon des Öfteren mit ihren pro-russischen Äußerungen für Irritationen gesorgt, und ihre Loyalität gegenüber der NATO ist durchaus fragwürdig", meint Rumena Filipowa.

Kippt die öffentliche Meinung?

Nicht nur Sozialisten, Nationalisten und der Sicherheitsapparat sind in Bulgarien traditionell russlandfreundlich. Auch in der Bevölkerung gibt es große Sympathien für Moskau und Putin. Nach Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Alfa Research hatten rund 50 Prozent der bulgarischen Bevölkerung Anfang des Jahres 2022 eine positive Meinung über Russlands Präsidenten. Noch Anfang Februar sahen gerade mal 40 Prozent der Bulgarinnen und Bulgaren die NATO-Mitgliedschaft positiv ihres Landes - und nur 28 Prozent waren angesichts des aufziehenden Kriegs für ein größeres NATO-Engagement des Landes.

Doch Russlands Angriff auf die Ukraine scheint die Sympathien in der Bevölkerung zu verschieben: Vier Tage nach dem Überfall sanken die Sympathiewerte Putins einer Umfrage von Alfa Research zufolge auf 32 Prozent. "Der Krieg ändert die öffentliche Meinung drastisch", so die Einschätzung des Meinungsforschungsinstituts.

Demonstration vor dem Denkmal der Sowjetischen Armee in Sofia am 27.2.2022Bild: Anonym

Gleichzeitig ist auch ein alter, hochgradig symbolischer Streit um das Denkmal für die Sowjetische Armee im Zentrum Sofias neu entbrannt. Für Russland-Sympathisanten ist es ein Symbol der Befreiung vom Faschismus, pro-westliche Bulgaren hingegen sehen es als Symbol der Unterdrückung durch die Sowjetunion. Seit 1993 soll es versetzt werden, was sich aber nicht zuletzt dank seiner zahlreichen Fürsprecher immer wieder verzögert. Am ersten Wochenende nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine kam es hier zu pro-ukrainischen Demonstrationen. Protestierende besprühten das Relief des Denkmals in den ukrainischen Nationalfarben Blau und Gelb und brachten Schriftzüge wie "Ehre der Ukraine!" und "Putler - raus aus der Ukraine!" an. Drei Demonstranten, die "Save Ukraine" auf das Denkmal gesprüht hatten, wurden verhaftet, wie der bulgarische Innenminister Boyko Raschkow bekanntgab. Als "verstörend" und "unerträglich" bezeichnete er das Vorgehen der Polizisten, die die drei Minderjährigen über Nacht festgehalten hatten, ohne ihre Eltern oder Anwälte zu informieren.

Graffiti am Denkmal der Sowjetischen Armee in Sofia, aufgenommen am 27.2.2022Bild: Anonym

Die Bilanz der ersten Kriegswoche für Bulgarien: ein entlassener Minister und ein verhafteter General. Dies zeigt das ganze Ausmaß der Spaltung des Landes. Das Verhältnis zu Russland ist in Regierung und Gesellschaft ambivalenter als je zuvor.

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