Ein Zentrum für die schnellere Abschiebung
13. März 2017Vor dem großen, grauen Gebäude in Berlin-Wilmersdorf diskutiert am Montagnachmittag ein Türsteher mit einer grell-orangen Warnweste mit einem jungen Mann und einer älteren Dame mit Kopftuch, die ihm hoffnungsvoll ein paar Papiere entgegenhalten. Schließlich schüttelt er den Kopf und die beiden ziehen von dannen. Wenig später schließt sich die Tür.
Drinnen wird wenig später Innenminister Thomas de Maizière das "Zentrum für die Unterstützung zur Rückkehr" (ZUR) eröffnen. Anders gesagt: Ein Zentrum, das eben die Menschen vor die Tür setzt, die nicht in Deutschland bleiben sollen - die Afghanen, Marokkaner oder auch Tunesier, die kein Asyl bekommen haben und nach Wünschen der Bundesregierung möglichst schnell in ihr Heimatland zurückkehren sollen.
Damit setzt die Bundesregierung einen umstrittenen Beschluss des Kabinetts um, das im Februar ein Paket mit verschiedenen Maßnahmen für schnellere Abschiebungen beschlossen hatte. Vorgesehen ist demnach, die Abschiebehaft für sogenannte Gefährder, denen Anschläge und andere Straftaten zugetraut werden, auszuweiten, oder auch Handys von Flüchtlingen, deren Identität unklar ist, auszuwerten. Ein anderer Beschluss war eben das ZUR, auf das sich Bund und Länder, die für Abschiebungen zuständig sind, Anfang Februar verständigt hatten.
Koordinierung von Abschiebungen
Mit all diesen Mitteln soll eines erreicht werden: Deutschland müsse die Anstrengungen für Rückführungen erhöhen, so de Maizière in einem fensterlosen Konferenzsaal im Gebäude, in dem in Zukunft 40 bis 50 Beamte aus Bund und Ländern unter Leitung des Innenministeriums zusammenarbeiten sollen, um genau das zu erreichen. An den Türen hängen bereits die Schilder: "Landesvertreter Nordrhein-Westfalen" oder "Landesvertreter Thüringen". Außerdem entsendet der Bund Personal aus dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und der Bundespolizei.
Noch stehen etliche der Büros leer, die Pressesprecherin trägt das graue Pappschild mit dem neuen Logo des ZUR unter dem Arm: Die Arbeit solle im Mai dann voll operationsfähig sein, so de Maizière.
Neue Aufgaben werden die Beamten dann allerdings nicht erhalten. Vielmehr soll die Zusammenarbeit zwischen den vielen Behörden und Organisationen, die an den Abschiebungen beteiligt sind, nun besser koordiniert werden: Zum Beispiel schneller noch freie Plätze in einem Flugzeug, mit dem ein Bundesland abgelehnte Asylbewerber etwa nach Tunesien abschieben will, mit abgelehnten Asylbewerbern aus anderen Bundesländern aufstocken. Auch sollen die Beamten Prioritäten für Länder entwickeln, in die vermehrt abgeschoben wird. Und sie sollen Daten zusammentragen, inwiefern die einzelnen Heimatländer mit den deutschen Behörden kooperieren, etwa in der Beschaffung von Ersatzdokumenten. Viele Flüchtlinge verlieren oder zerstören ihre Ausweise während der Flucht nach Deutschland, manche Länder weigern sich oder brauchen sehr lange, um die nötigen Dokumente zu liefern.
Schnellere Abschiebung von Gefährdern?
Das Zentrum, das sich in einem Gebäude des BAMF befindet, werde sich aber auch speziell mit einzelnen Straftätern und sogenannten Gefährdern befassen, so de Maizière.
Ebenfalls auf dem Programm: Der Austausch darüber, wie Asylbewerber am besten freiwillig zur Rückkehr überzeugt werden können. Etwas mehr als eine halbe Million abgelehnte Asylbewerber lebten Ende 2016 in Deutschland, das geht aus einer aktuellen Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervor.
2016 wurden 25.000 von ihnen abgeschoben. Rund 55.000 abgelehnte Asylbewerber haben Deutschland im vergangenen Jahr allerdings freiwillig verlassen, auch diese Zahl soll sich möglichst erhöhen. Dafür hat die Bundesregierung 40 Millionen Euro zusätzliche Mittel für dieses Jahr bereitgestellt: Wer freiwillig nach Hause zurückkehrt oder gleich seinen Asylantrag zurückzieht, erhält dann eine finanzielle Starthilfe in seinem Heimatland.
Politische Entscheidungen aber wird das ZUR nicht treffen: Denn oft ist die Praxis der Bundesländer bei Abschiebungen sehr unterschiedlich. Schleswig-Holstein etwa lehnt es ab, Menschen nach Afghanistan abzuschieben.
Kritik kommt auch von der Linken: Das Zentrum sei ein "Schritt hin zu einem zentralen Abschiebeapparat", so die Abgeordnete Ulla Jelpke in einer Pressemitteilung, die am Morgen vor der Eröffnung verschickt wurde. Damit würden die föderalen Strukturen geschwächt, "um humanitäre Handlungsspielräume der Länder bei Abschiebungen zu beseitigen".
Draußen, nachdem de Maizière und die Journalisten abgezogen sind, ist die Tür, vor der die Frau und der Mann gestanden haben, weiterhin verschlossen.